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TV Stars als Unternehmer
So ändern sich die Zeiten: Früher ging man zur ARD, um in Magazinen wie "Monitor" die Großverdiener anzuprangern. Heute geht man hin, um selbst einer zu werden. Im Stil der Privatsender, die in den 90er-Jahren die Fernsehgrößen zu sich lockten, wedelt nun vor allem das Erste mit Gebührenmillionen. Jüngster und bislang teuerster Lustkauf: Harald Schmidt. Sein Luxusvertrag bringt dem Sat.1-Flüchtling allein in diesem Jahr 9,7 Millionen Euro. Dafür liefert er 71 halbstündige Shows ab. "Ich kenne niemanden, der so genial die ARD abzockt", sagt Schmidts früherer "Schmidteinander"-Feind Herbert Feuerstein über den Deal.
Die öffentlich-rechliche Rückrufaktion nahm 1999 ihren Anfang, als Reinhold Beckmann an seine alte Wirkungsstätte zurückkehrte. Sein Vertrag über 46 Millionen Mark, die er für die ersten vier Jahre als Moderator und eigener Produzent einsteckte, wurden senderintern genauso heiß diskutiert wie in der Öffentlichkeit. Noch bessere Konditionen soll Jörg Pilawa ausgehandelt haben, als er 2001 dem Ruf der ARD folgte. Die Entertainment-Unternehmer Seither lassen sich auch die ARD-Eigengewächse nicht mehr mit Klimpergeld abspeisen: Sabine Christiansen, die beim Start ihrer Talkshow noch piefig im Rahmen des NDR-Festanstellungsvertrags entlohnt wurde, ernannte sich 2002 zur Chefin ihrer Firma TV21 und handelte mit der ARD 9,02 Millionen Euro pro Jahr aus. Natürlich nicht allein für ihre Moderation, sondern für die komplette Talkshow. Jede Plauderrunde wird mit circa 200 000 Euro abgerechnet. Davon entfallen etwa 30 000 auf das reine Moderationshonorar für Christiansen. Die Chefin zahlt von den restlichen 170 000 Euro ihre Redakteure, ihre Gäste und das Studio. Am Ende bleiben dann noch mal die branchenüblichen 15 bis 20 Prozent als Gewinn für TV21 über. Christiansens ZDF-Konkurrentin Maybrit Illner arbeitet noch nach einem weniger Gewinn bringenden Modell. Die Produktion von "Berlin Mitte" ist zwar ausgelagert, doch ihre Redakteure stehen in den Diensten und auf den Lohnlisten des ZDF. Die Moderatorin selbst ließ sich indes vom Sender beurlauben. Ansonsten hätte ihre Gage von geschätzten 20 000 Euro pro Talk den öffentlich-rechtlichen Rahmen gesprengt.
Richtig reich können Moderatoren heute nur noch werden, wenn sie Entertainment und Management zusammenführen. Als Pionier dieses Modells gilt RTL-Fossil Hans Meiser mit seiner Firma crea tv. Alle anderen haben ihn kopiert: Reinhold Beckmann mit Beckground TV, Oliver Geißen mit Norddeich TV, Jörg Pilawa mit White Balance, Günther Jauch mit I&U, Johannes B. Kerner mit a+i, Sandra Maischberger mit Vincent TV, Carmen Nebel mit TeeVee – alle sind Chefs ihrer Firmen, haben mehr Einfluss, aber auch mehr Verantwortung und Risiken, was sie sich wiederum extra vergüten lassen. Der erste Großverdiener im deutschen Fernsehen war Thomas Gottschalk, der 1992 für seinerzeit stolze zwei Millionen Mark zu RTL ging und seine glücklose Late-Night-Show selbst produzierte. Inzwischen ist er wieder exklusiv beim ZDF. Mindestens bis 2006. Für gerade mal 40 000 Euro pro "Wetten, dass..?"-Ausgabe. Das klingt bescheiden, ist aber klug kalkuliert: Denn ohne "Wetten, dass..?" ist Thomas Gottschalk nicht mal die Hälfte wert. So aber kann seine Firma Dolce Media ihn und die Show vergolden: Kooperationen und Werbeverträge spülen jährlich bis zu 15 Millionen Euro in die Kasse.
Prozente für den Produzenten
Das private Gegenstück zum ZDF-Gottschalk ist Stefan Raab. Statt hoher Gagen von Pro Sieben verlangt er eine prozentuale Beteiligung an allen Gewinnen. So kassiert er am Ende das Vielfache. Mit seiner Firma Metzgerei Raab TV (3,5 Millionen Euro Jahresumsatz) produziert er viermal pro Woche die Show "TV total", die längst nur noch eine Ideenschmiede und Werbeplattform für die wirklich lukrativen Events wie den "Bundesvision Song Contest" ist. Denn durch CD-Verkäufe verdient der Moderator/Produzent auch noch über sein Label Raab Records mit.
Co-produziert wird "TV total" von der Kölner Brainpool TV. Die zog 2004 einen weiteren Großauftrag an Land, als Sat.1-Geschäftsführer Roger Schawinski sich ein teures Antrittsgeschenk gönnte: Anke Engelke als Harald-Schmidt-Ersatz. Drei Jahre lang sollten Shows für 64 000 Euro pro Ausgabe produziert werden. Der Vertrag, den Sat.1 mit Brainpool und Engelkes eigener Firma Ladykracher TV schloss, belief sich auf 43,2 Millionen Euro. Als Sat.1 die Show nach fünf Monaten absetzte, hatte Engelke laut Vertrag Anspruch auf üppige Fortzahlungen. Sie verzichtete, was in der Branche unüblich ist. Bald dreht Engelke eineneue Sketch-Reihe. Mit hohem Aufwand und viel Sendezeit. Sat.1 tut alles, damit Engelke glücklich ist und ihre Ausflüge zur Konkurrenz ("Blind Date" im ZDF, Oscars auf Pro Sieben, Berlinale in der ARD) aus Zeitgründen minimieren muss.
Die Angst vor Abwanderungen
Bei Kai Pflaume, der bis 2007 einen Exklusivvertrag mit Sat.1 hat, ging der Sender härter vor: Die "TV total"-Events auf Pro Sieben darf Pflaume künftig nur noch in Ausnahmefällen moderieren. Zu sehr fürchtet Sat.1, dass sich ein weiterer Quotenbringer heimlich davonschleicht, wie zuletzt Hape Kerkeling. Den lieh man 2003 einmalig an RTL aus, weil ihm dort "Die 70er Show" auf den Leib geschneidert worden war. Trotz aller Rückkehrversprechen blödelt Kerkeling jetzt nur noch für RTL. Sein neuer Chef: Günther Jauch.
Der ist nämlich alleiniger Gesellschafter der Firma I&U, die Jauch 1999 eigentlich nur gründete, um bessere Produktionsbedingungen für "Stern TV" zu haben. Dann überhäufte ihn RTL aber mit Aufträgen, aus denen Quotenhits wie "Die 80er Show" hervorgingen. "Wer wird Millionär?" wird allerdings nicht von I&U, sondern von Endemol produziert. Dort verdient Jauch als angestellter Moderator 90 000 Euro pro Show. Bei I&U verdient er, nach eigenem Bekunden, nichts: "Gewinne werden bei uns reinvestiert." Zum Beispiel in Projekte, die Jauch verstärkt auch jenseits von RTL anbietet. "Der große Haustiertest" mit Kai Pflaume war die erste Arbeit für Sat.1, im September richtet I&U eine ZDF-Geburtstagsgala für Franz Beckenbauer aus. Jauch produziert, Gottschalk moderiert. Und RTL macht sich erste Sorgen. Schließlich hat der Sender ausgerechnet mit seinem wichtigsten Moderator keinen Exklusivvertrag. Schon vor drei Jahren fragte ein erstaunter Harald Schmidt seinen Showgast Jauch, ob RTL also "von heute auf morgen Tschüss sagen" könne? Jauch schmunzelte und antwortete nur: "Ja, aber das kann ich auch."
Ende April hat sich Michael "Bully" Herbig bis 2008 exklusiv an Pro Sieben gebunden. Nun hat der Münchner Sender alleinigen Zugriff auf die nächsten zwei Kinofilme von Bullys herbX film GmbH, die auch die Kinoerfolge "Der Schuh des Manitu" und "(T)Raumschiff Surprise" produzierte. Der Vertrag umfasst eine zweite Staffel der Comedyshow Bully & Rick sowie neue Konzepte. "Es ist ein schönes Gefühl, gebraucht zu werden", kalauert Bully. Wie viele Millionen ihm der Vertrag einbringt, verrät er nicht. Von den 65 Millionen Euro, die sein "Manitu" an der Kinokasse einspielte, blieb Bully nicht mal eine Million. Das Meiste ging an Pro Sieben und Produzent Bernd Eichinger, die dem Jungregisseur das Geld für sein Kinodebüt geliehen hatten.
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"Mittagessen? Nur Flaschen essen zu Mittag!"
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