Kuscheln gegen den Schmerz
K ein Scherz. Es gibt ihn. Hinterhältig und rücksichtslos verdirbt er den lüsternsten Moment: der Kopfschmerz beim Orgasmus. Von Edda Grabar
Aber keine Angst: Sexualkopfschmerz ist kein Grund für Abstinenz. Stefan Evers von der Deutschen Migräne- und Krankenhausgesellschaft empfiehlt: „Genussvolles Kuscheln verhindert die Pein.“
Kopfschmerz beim Sex? Das wird wieder jedem Vorurteil gerecht. „Weiber,“, wird so manch einer spotten, „wenn sie nicht wollen, dann sind halt die Kopfschmerzen schuld.“ Falsch gedacht. Dem Adam, nicht der Eva, zerstört die plötzliche Pein im Kopf den entscheidenden Augenblick. „Etwa 70 Prozent der Patienten mit Sexualkopfschmerz erleben einen explosiven Schmerz während des Orgasmus“, sagt Stefan Evers, Neurologe an der Uniklinik Münster. Männer trifft es drei bis vier mal so oft wie Frauen. Im Alter von etwa 25 bis 50 zerstört der Tumult im Kopf die Lust, eine halbe bis eine Stunde dauert dann das Pochen im Schädel an. Ähnlich wie bei Migräne können Schwindel, Übelkeit und Erbrechen den Schmerz begeleiten.
Migränekranke sind im Übrigen besonders anfällig. Etwa die Hälfte der Sexualkopfschmerz-Patienten leiden auch an Migräne, bei fast einem Drittel fanden die Münsteraner Mediziner eine familiäre Veranlagung. Und noch mehr Ähnlichkeiten mit Migräne konnten sie beobachten. Stress verträgt das Gehirn der Geplagten gar nicht gut: Das Testen neuer Sexspielchen gehört genauso zu den Risikofaktoren wie hoher Blutdruck. „Die Arterien des Gehirns können sich weniger gut auf Stressreize wie Blutdruckanstieg und Kohlendioxid einstellen“, so Evers. Auch bei Migränikern ist die Reizverarbeitung im Gehirn beeinträchtigt.
Überkommt ein dumpfer Schmerz den Hinterkopf, wie bei einem weiteren Viertel, die nicht mehr lustvoll durch die Betten wühlen können, liegt das meist an der Nackenmuskulatur, deren Spannung mit der sexuellen Erregung zunimmt. Selten liegt der Kopfschmerz auch in der Haltung begründet. Dann heißt es auf das Entzücken im Sitzen oder im Stehen zu verzichten. Die Beschwerden verschwinden erst, wenn man sich in die Horizontale begibt. Mediziner vermuten als Grund für den Schmerz austretendes Hirnwasser in der Hirnhaut am Wirbelkanal, das Druckschwankungen im Kopf erzeugt.
Langsam die Lust steigern, heißt also die Devise. Dann macht auch der Körper mit. Und wer weiß, dass es am Abend zur Sache geht, kann mit 1000 Milligramm Acetylsalicylsäure eine Stunde zuvor vorbeugen. Und nur zur Beruhigung: Nur ein Prozent der Deutschen erleben mindestens einmal im Leben eine Sexkopfschmerz-Attacke und meistens verschwinden sie nach wenigen Wochen wieder von selbst. Und wenn er das nächste Mal wieder über Kopfschmerzen klagt, wenn Sie ihn wollen, dann geben Sie ihm Zeit und kuscheln noch ein bisschen. Das hört man ja sonst nur andersherum.
30.01.04
http://focus.msn.de/G/GN/gn.htm?snr=...&streamsnr=121
