Ratingen. Sie mussten sich von ihm verspotten, als „Vollidioten“ und „gottverdammte Rechtsverdreher“ bezeichnen lassen: Richter, Staatsanwälte, Justiz-Angestellte. Mehr als 200 Verfahren bürdete „Prozesse-Dieter“ der nordrhein-westfälischen Justiz auf. Deutschlands „Prozesshansel Nr. 1“ zog regelmäßig vor den Kadi:
Unter anderem erstritt sich der Sozialhilfeempfänger eine Klobürste oder neue Unterhosen vom Sozialamt.
Lief es mal nicht nach dem Willen des ehemaligen Sportlehrers aus Ratingen, wurde er ausfällig. Vor knapp einem Jahr war dann Schluss mit lustig. Ein resoluter Richter am Landgericht Düsseldorf verpasste dem selbst ernannten „König der Kläger“ die Quittung: Ein Jahr Gefängnis ohne Bewährung – wegen vielfacher Beleidigungen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigte das Urteil. Doch geschehen ist fast nichts.
Der 71-Jährige ist weiter auf freiem Fuß, der Haftbefehl harrt seiner Vollstreckung. Nachdem er sich selbst vor Gericht als schuldunfähig eingestuft hatte, ist Rolf-Dieter K. nun haftunfähig – nach eigener Aussage. Ein Arzt soll dies und den Gesundheitszustand des Verurteilten überprüfen. Doch dazu kam es nicht. Mit dem Hinweis, er sei schließlich krank, ließ K. den Termin beim Gesundheitsamt platzen.
Seine Freiheit nutzt er aber nach Kräften, um die Justiz weiter zum Narren zu halten: Ein neuer Prozess vor dem Amtsgericht wegen weiterer Verfehlungen platzte, weil sich kein Namensschild mehr an seiner Haustür befand. Eine geraume Weile galt der Gesuchte als „unbekannt verzogen“, Post von Justitia war ergo „nicht zustellbar“. Inzwischen möchte der Ratinger Amtsrichter den Fall am liebsten „bündeln“ und an ein anderes Gericht abgeben. Die Staatsanwaltschaft in Düsseldorf prüft das Ansinnen. Allerdings schwindet auch bei der Justiz das Verständnis für so viel Aufhebens mit dem „Freigänger“, der im Gerichtssaal schon mal mit der T-Shirt-Aufschrift „Asozial ist geil“ erscheint. „Bei jedem anderen wäre die Haftfähigkeit längst überprüft worden – direkt nach der Einlieferung ins Gefängnis“, sagt ein Strafverfolger. „Es gibt auch Gefängnis-Krankenhäuser“, sagt ein anderer Jurist.
Doch mit ihrem Verächter und Spötter ist Justitia nachsichtig, fürchtet vielleicht den Anschein, das Beleidigen von Richtern sei strafbarer als das von Normalsterblichen. Bei den vorgesetzten Behörden ist man der Ansicht, dass bestimmt alles mit rechten Dingen zugehe. Im NRW-Justizministerium befasst man sich nicht mit „Prozesse-Dieter“, auch wenn es erklärtes Ziel des Hauses ist, die Dauer der Verfahren zu verkürzen.
Quelle:
http://www.rhein-main.net/sixcms/lis...cle&id=3855996
Wie Prozesse-Dieter die Justiz narrt
