"Stocks are manipulated to the highest point possible and then sold to the public on the way down" (Jesse Livermore) - frei übersetzt: Aktien werden bis zum höchst möglichen Punkt hoch getrieben und dann auf dem Weg nach unten an die Masse verkauft.
Liebe Leserinnen und Leser!
In den letzten Tagen und heute habe ich hier bei w:o Kommentare von zwei jungen Verkäufern von Finanzprodukten gelesen - die Namen tun nichts zur Sache -, in denen eine tolle Jahresendrallye an die Wand gemalt wird. Der eine bezieht sich dabei in erster Linie auf einen US-"Guru", Ken Fischer, und merkt u.a. an, dass sich die charttechnischen Signale mehrten, die eine "gewaltige Jahresendrallye erwarten lassen". Und weiter: es kristallisiere sich ein stark bullisches Szenario heraus. Leider lässt dieser Autor jeglichen charttechnischen Beleg für seine Einschätzung missen.
Der zweite hat in seinen Artikel folgenden Chart eingestellt:
Ebenso gut hätte er das Bild eines Wolkenkratzers einstellen und mit der Überschrift Dieses Gebäude wächst noch! versehen können.
Wie es um den TecDAX tatsächlich bestellt ist, werde ich Ihnen im Folgenden aufzeigen. Zunächst ein Chart des TecDAX- Wertes FJH, einem Anbieter von Software für die Finanzbranche, der in geradezu idealtypischer Weise charttechnische Aspekte erkennen lässt, die keineswegs auf eine weitere Rallye hindeuten:
Dem Chartbild ist Folgendes zu entnehmen: Zwischen November 2002 und Oktober 2003 hat sich eine sog. "Henkeltasse"-Formation ausgebildet, die nicht mit einer als bullish zu interpretierenden "Untertasse mit Henkel", einer viel versprechenden Bodenbildungsformation, verwechselt werden sollte. Henkel richtiger Tassen signalisieren nämlich Phasen starker Distribution. Nun zum Indikator ROS, den ich hier in der Fibo-Einstellung 55 zeige: Bereits seit März d.J. zeigt sich hier zwischen den beiden ROS-Kurven ein sehr disharmonisches Bild. Beide verliefen jedoch bis September noch in einer Bogensymmetrie seit März 2002, fielen dann aber aus dieser heraus. Sie verlaufen nunmehr in einer neuen - abwärts gerichteten - Bogensymmetrie, die bereits im April d.J. angesetzt hat. Noch ein Hinweis: Zwischen Juli und Oktober ist die Kurskurve drei Mal am Gleitenden Durchschnitt (MMA) 200 gescheitert!
Nun zum TecDAX!
Seit September hat sich ein sog. Bear-Keil = steigende konvergierende Trendlinien, ausgebildet. Der bisherige November-Verlauf zeigt fallende Spitzen.
Bei diesem Chart sehen wir eine Mammut-Tasse mit mickrigem Henkel. Der ROS in der Fibo-Einstellung 21 zeigt uns einen deutlichen Ausbruch aus der seit 2000 entwickelten Bogensymmetrie im September d.J. und einen gescheiterten Versuch, in die vorherige Symmetrie zurück zu laufen.
Für diejenigen unter Ihnen, die evtl. schon mal etwas von fraktalen Mustern, d.h. von einer Theorie, nach der sich auf allen Ebenen des Lebens bestimmte Muster geradezu gesetzmäßig wiederholen, vernommen haben oder evtl. sogar auf dieser Grundlage ihre Anlageentscheidungen treffen, stelle ich nachfolgend einen Chart des DOW aus der Phase zwischen September 1929 und März 1930 ein. Das sog. fraktale Vergleichsmuster wird als fallendes Zick-Zack-Muster bezeichnet, das in mittel- und langfristigen Wochencharts als extrem bearish einzuschätzen ist .
Aus meiner Sicht zeigt dieser Chart eine geradezu verblüffende Übereinstimmung mit dem ROS zum TecDAX-Chart in der Phase seit Juli d.J. bis dato.
Nun ein weiterer TecDAX-Wert!
Oh sorry, dies ist ja gar kein Chart eines TecDAX-Wertes, sondern der - fast - aktuelle von AMERICAN EXPRESS (AXP), eines bekannten US-Finanzdienstleisters! Aber ähnelt dieser nicht sehr dem einer ganzen Reihe von TecDAX-Werten, die ich in der letzten Zeit analysiert habe? (Es wäre zu viel verlangt, wenn ich Ihnen diese alle (= 13) zeigen würde!)
Sehen wir uns AXP mal unter längerfristigem Blickwinkel an!
Die Kurskurve ist bereits im Juni d.J. aus der seit Anfang 2001 entwickelten Bogensymmetrie, die ein Tassenbild zeigt, ausgebrochen und in einen Henkel übergegangen. Die Tasse ist jedoch offensichtlich sehr unsymmetrisch - sie wurde nicht fertig gestellt. In der Henkelphase ist sie bei dem Versuch, in die obere Bogen-(A)symmetrie (gelb) zurückzukehren, klar gescheitert. Dem Kurs-Chart habe ich ROS-Indikatoren in verschiedenen Fibonacci-Einstellungen unterlagert: 34 Wochen, 21 Wochen und 13 Wochen. Bei dem mittleren habe ich bewusst auf Bögen verzichtet, da die Bogensymmetrie in der Phase Juli 2000 bis Juli 2003 optisch klar zu erkennen ist. Das charttechnisch Wesentliche: In allen drei Einstellungen sind die unharmonischen ROS-Kurven aus diesen Symmetrien nach unten ausgebrochen. Die danach entwickelten Muster erscheinen mir als wesentlich schlimmer als die in der zweiten Jahreshälfte 2000!
Genug der Schwarzmalerei für heute! Zum Abschluss noch ein Chart, der Freude aufkommen lässt - aber leider kein Aktienchart!
Dieser EUR/USD-Chart zeigt alle wesentlichen Komponenten für einen weiteren Anstieg des EURO gegenüber dem USD:
a) eine sich abzeichnende Broadening Formation der Kurskurve,
b) eine geradezu idealtypische Harmonie der beiden ROS-Kurven und einen eben solchen Verlauf in einer großen Bogensymmetrie, die sich seit Juli 2002 entwickelt hat. Dies signalisiert ein enormes Aufwärtspotenzial für den EURO bzw. ein entsprechendes Abwärtspotenzial für den USD.
Morgen werden Sie hier Analysen zu den US-Leitindizes und zum DAX vorfinden!
Mit freundlichen Grüßen
Hajo Bier
PS: Um einem falschen Eindruck vorzubeugen: Ich habe in den oben gezeigten Charts speziell auf den Indikator ROS abgehoben. Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass die von mir in den vergangenen Monaten vorgestellten Indikatoren nunmehr für mich irrelevant wären. In meinen persönlichen sehr breit angelegten Analysen verwende ich selbstverständlich auch noch alle anderen!
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