Viel Geld und viel Segen
von Stephan Radomsky (Hamburg)
Ein Kindergeburtstag kann viel Geld kosten. Gleich 10 Mio. $ dafür auszugeben ist zwar ziemlich extravagant - aber nicht unmöglich. So viel ließ sich ein New Yorker Elternpaar den 13. Geburtstag seiner Tochter kosten.
Dafür spielte dann auch die Rockband Aerosmith das Geburtstagsständchen, und jeder Gast bekam ein "kleines" Geschenk. Warenwert: etwa 10.000 $. Der Druck auf Eltern, den Ehrentag ihrer Sprösslinge möglichst bombastisch zu gestalten, wächst. US-TV-Serien wie "My Super Sweet Sixteen" auf MTV zeigen Vorbereitungen und Nervenzusammenbrüche im Vorfeld des immer aufwendiger gefeierten 16. Geburtstags. Nun will der Musiksender auch in England nachziehen. Sogar die altehrwürdige BBC wird sich des Themas annehmen - im Rahmen der sechsteiligen Serie "Der Irrsinn der modernen Elternschaft".
Was bei den Megapartys und an Geschenken geboten wird, scheint zweitrangig - Hauptsache: teuer. Da darf es für Ausfahrten am Wochenende gern mal ein feuerroter Sportwagen für den Fahranfänger sein, zusätzlich zum Geländewagen für wochentags. "Es ist gut für die Kinder, so einen Tag besonders zu feiern", berichtet eine Mutter im Internet. "Es steigert ihr Selbstbewusstsein, wenn sie vor all ihren Freunden einmal im Jahr im Mittelpunkt stehen. Für meine Töchter gebe ich immer Partys, auf denen sich die Kinder verkleiden und Topmodels oder Superstars sein können."
An der Universität Minnesota beschäftigt sich William Doherty mit dem Phänomen. "Kinder werden in Limousinen zu Partys gefahren", sagt der Familiensoziologe, der vor sechs Jahren für zu viel beschäftigte Kinder den Begriff der "overscheduled Kids" prägte. "Die meisten von uns fahren nicht mal mit einer Limousine zur Hochzeit. Irgendetwas ist außer Kontrolle geraten."
Weltweit sprießen Kindergeburtstags-Agenturen aus dem Boden. Sogar in Deutschland erzielen diese Unternehmen riesige Zuwachsraten - wenn auch auf niedrigerem Niveau. Sabine Schneidewind ist mit Kindergeburtstag24.de seit fünf Jahren im Geschäft und weiß: "Der Trend geht dahin, immer mehr fremd zu vergeben und viel Geld auszugeben." Jula Kosta, Inhaberin der Kinderpartyagentur Farbenfroh, berichtet: "Früher sind wir nur von einer Villa in die andere gegangen. Inzwischen buchen uns auch viele Menschen mit ganz normalem Einkommen."
Prestigekampf geltungssüchtiger Eltern
So entwickelten sich die Feiern zu einem skurrilen Prestigekampf geltungssüchtiger Eltern. Ein Geburtstag in der englischen Grafschaft Gloucestershire kostete üppige 30.000 Euro. Die Eltern ließen dafür den Hollywoodstreifen "Charlie und die Schokoladenfabrik" nachstellen. Für 30 kleine Gäste gab es Schokobrunnen, bunte Golf-Caddies und eine Theatertruppe. Ein andere Kinderparty wurde von einem kompletten Musicalensemble gekrönt, das dem Jubilar ein perfekt orchestriertes "Happy Birthday" schmetterte.
Von den Geburtstagsfeiern für den Nachwuchs lebt in Großbritannien eine ganze Industrie. Auch die Eltern von Prinz Williams Freundin Kate Middleton, die einen Postversand für Kinderparty-Accessoires betreiben, sind damit reich geworden. Bei den Engländern und in den USA gehört es mittlerweile zum guten Ton, dass jeder Gast eine Party-Bag mit nach Hause nehmen darf. Die Entscheidung, was hineinkommt, kann Eltern wochenlang beschäftigen. Jo Haywood, Mutter einer dreijährigen Tochter und eines sieben Jahre alten Sohns, klagt: "Das ist der Moment, in dem die anderen Eltern das Urteil über einen fällen. Anhand dieser Tüte wird der gesamte Lebensstil bewertet."
Gegen diesen Trend hat Wissenschaftler Doherty birthdayswithoutpressure.org gegründet. Die Initiative arbeitet seit 2006 gegen den übertriebenen Erwartungsdruck der Kinder. "Wir bekommen neben einheimischen Anfragen E-Mails aus England, Dänemark, Irland, Australien, Neuseeland und Indien. Schon jetzt zählt die Seite mehr als 7000 Nutzer am Tag. Das zeigt, dass wir wirklich ein Problem haben", sagt Doherty.
Quelle:
http://ftd.de/lifestyle/outofoffice/160148.html