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Alt 10-08-2005, 12:02   #296
Stefano
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Was hat sich Funkel wohl dabei gedacht

Eine Frage des Systems

Wer sich die Mühe macht und die taktische Ausrichtung aller 36 deutschen Profiklubs vom ersten Spieltag durchforstet, gewinnt rasch die Erkenntnis, dass Bundesliga-Rückkehrer Eintracht Frankfurt zumindest in einer Sparte ein Exklusivrecht gepachtet hat: Keine andere erst- oder zweitklassige Fußballmannschaft Deutschlands griff auf das steinzeitalte System mit Libero zurück. In der Commerzbank-Arena indes durfte Christoph Preuß am Sonntag seinen Arbeitstag, je nach Interpretation, als freier Mann, Ausputzer oder Absicherung beginnen. Preuß wurde nach 62 Minuten ausgetauscht. Da stand es 4:1 für Bayer 04 Leverkusen. Das taktische Manöver war, man darf es mit Fug und Recht behaupten, dann doch ziemlich fehlgeschlagen.

Natürlich hat Eintracht Frankfurt die Saisonpremiere nicht nur verpatzt, weil sich Trainer Friedhelm Funkel für den Klassiker unter den Abwehrformationen entschied; es war in erster Linie die Konfusion nach der Pause, die den hessischen Neuling hart auf die Bretter schickte. Und es sei auch nicht verschwiegen, dass in der ersten Halbzeit, als die Eintracht den Kontrahenten beherrschte, hinten nichts anbrannte.

Im zweiten Abschnitt aber fielen zwei der vier Tore durch die Mitte - wenn nicht solche, welche Gegentreffer soll ein Libero denn dann verhindern? Christoph Preuß, ein Allrounder mit großem taktischem Verständnis, irrte im zweiten Abschnitt orientierungslos übers Feld, vielleicht lag es ja auch daran, dass das System, wie er selbst eingestand, "in keinem ernsthaften Test geprobt wurde :bang: , wir haben es gegen Leverkusen erstmals gegen einen richtigen Gegner gespielt". Einen zu starken Gegner, wohlgemerkt.

Natürlich wabern Fragen durch den Raum: Ist die Ausrichtung mit Libero noch zeitgemäß? Weshalb in die fußballerische Mottenkiste greifen im Zeitalter der Viererkette, da fast alle Jugendmannschaften auf einer Linie spielen? Die zusätzliche Absicherung birgt zudem die Gefahr, dass die Mannschaft nicht mehr so kompakt steht und die Räume nicht mehr so verdichtet, weil im Mittelfeld schlicht und einfach ein Mann fehlt. Für einen aufs Konterspiel bedachten Aufsteiger wie Eintracht Frankfurt ist auch die eher offensive Raute kaum ratsam. Näher läge die Taktik mit zwei Abräumern im defensiven Mittelfeld - so ging die Eintracht auch fast alle Spiele in der Rückserie der zweiten Liga an und startete eine furiose Aufholjagd. "Das System mit den zwei Defensiven ist für uns prädestiniert", sagt Benjamin Huggel, der in Abwesenheit seines Partners im Mittelfeld von einem Gegner zum anderen hetzte und meist einen Schritt zu spät kam.

Neu ist die Variante mit Libero nicht. Funkel hatte sich in der zweiten Klasse dann und wann dafür entschieden, gegen die Spitzenteams Köln und Fürth etwa, als Chris diesen Part bekleidete. Beide Male siegte die Eintracht 1:0. Es gibt aber auch Gegenbeispiele: In Unterhaching (0:2), Dresden (1:2) und Ahlen (2:3) klappte es mit Libero nicht. Funkel richtet sich nach dem Gegner, er sieht den freien Mann als zusätzliche Absicherung gegen starke Stürmer. Oder vertraut er seinen beiden Innenverteidigern nicht? Marko Rehmer ist die lange Pause anzumerken, Aleksandar Vasoski ist der klassische Manndecker.

Und wie geht es in Zukunft weiter? In der Bundesliga lauern fast ausschließlich Hochkaräter. Demnächst kommt Nürnberg mit dem Toptorjäger Marek Mintal, dann geht's nach Hamburg mit Benjamin Lauth, Emile Mpenza und Sergej Barbarez, anschließend nach Hannover, wo immerhin Vahid Hashemian und Thomas Brdaric stürmen. Dann kommen die Bayern mit Roy Makaay, Claudio Pizarro und Roque Santa Cruz, ehe es nach Wolfsburg mit Mike Hanke und Diego Klimowicz und gegen Schalke mit Kevin Kuranyi, Ebbe Sand, Gerald Asamoah und Sören Larsen geht.

Wird der Libero also zur Dauerlösung? Das ist nicht wahrscheinlich, selbst wenn Funkel die Taktik verteidigt. Der Fußballlehrer wehrt sich gegen den Begriff Libero. Der freie Mann solle sich stets ins Mittelfeld einschalten, Überzahl schaffen, Räume zustellen. Das hat nicht so gut geklappt. Preuß selbst gestand ernüchtert ein: "Ich war vielleicht zweimal über der Mittellinie."
q: eintracht.de
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Ciao Stefano

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