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Alt 18-04-2005, 13:55   #1
Benjamin
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Ablösungsprozess aus dem Dollar-Raum

Flexibilisierung des Yuan scheint nur eine Frage der Zeit zu sein
Von David Cohen, Action Economics
18. April 2005


Nachdem China zu den beiden vergangenen Zusammenkünften der sieben führenden Industrienationen (G7) als Ehrengast eingeladen war, glänzte das Reich der Mitte am jüngsten G7-Gipfel am 16. und 17. April in Washington durch Abwesenheit. Trotz der Absage der Chinesen war jedoch die Anbindung des chinesischen Yuan an den amerikanischen Dollar eines der Hauptgesprächsthemen des G7-Gipfels.


China ist mittlerweile die viertgrößte Exportnation der Welt und folgt gleich nach Japan, was den Bestand an ausländischen Währungsreserven betrifft. Die chinesische Führungsriege hat wiederholt „eine schrittweise Näherung an eine Wechselkursflexibilität” zugesagt, aber das Aufstellen eines entsprechenden Zeitplans verweigert.

Möglicherweise wartet das Land nur auf einen günstigen Zeitpunkt

Einige Analysten sind der Auffassung, Peking warte lediglich noch darauf, daß das leidige Thema endlich aus dem Fokus des allgemeinen Interesses verschwinde. Das Terminaufgeld für den Yuan hat sich seit Ende des vergangenen Jahres erheblich verringert. Damals waren die Spekulationen noch sehr viel heftiger ausgefallen. Viele der Analysten gehen daher davon aus, daß sich bis zum Ende des laufenden Jahres einige wichtige Änderungen ergeben werden. Vermutlich werde die chinesische Führung zunächst zulassen, daß sich der Yuan innerhalb einer bestimmten Wechselkursspanne zum Dollar oder zu einem Währungskorb bewegt. In der Folge dürfte es dann in Asien zu einer ganzen Reihe von Wechselkursanpassungen kommen, während viele der chinesischen Nachbarländer derzeit noch extrem darauf bedacht sind, daß ihre Währungen gegenüber dem Greenback nicht aufzuwerten. Denn dies würde im Moment noch bedeuten, daß ihre Exporte gegenüber den chinesischen Produkten auf dem Weltmarkt an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.

China hat den Yuan seit 1994 zu einem Kurs von 8,28 an den Dollar gekoppelt. Im Jahr 2004 gab Peking insgesamt 195 Milliarden Dollar für offizielle Käufe ausländischer Währungsreserven aus. Die Gesamtbestände haben sich bis zum Ende des vergangenen Jahres auf über 610 Milliarden Dollar erhöht. Nur Japan verfügt mit 845 Milliarden Dollar über höhere ausländische Währungsreserven. Zweifelsohne denkt auch die chinesische Zentralbank wie viele andere asiatische Währungshüter derzeit darüber nach, ob eine Fortführung dieser immensen Anhäufung von Dollarbeständen wirklich zum Wohl des eigenen Landes ist. Denn käme es bei der amerikanischen Leitwährung zu einem Kursverfall, wäre dies für China mit erheblichen Verlusten verbunden. Trotz dieser Gefahr dürfte China sehr vorsichtig sein, ein Arrangement aufzulösen, das viele Analysten in Anbetracht des immensen Wachstums des chinesischen Volkswirtschaft bei begrenzter Inflation als Quelle der Stabilität betrachten.

Aufwertung des Yuan hätte auch für China willkommene Effekte

Nichtsdestotrotz könnte eine Strategie, nach der die Interventionsmaßnahmen etwas zurückgenommen werden und eine leichte Aufwertung des chinesischen Yuan gegenüber dem amerikanischen Dollar erlaubt ist, auf die Verantwortlichen in Peking auch einen gewissen Reiz ausüben. Das Zulassen einer Aufwertung würde ein weiteres marktorientiertes Mittel darstellen, um die chinesische Wirtschaft vor einer Überhitzung zu bewahren. Dieses Vorgehen wäre in etwa mit der Entscheidung der chinesischen Zentralbank im Oktober 2004 vergleichbar, erstmals nach neun Jahren die Zinsen anzuheben.

Obwohl sich für den chinesischen Konsumentenpreisindex die Steigerungsraten im Jahresvergleich auf Grund eines Umschwungs bei den Nahrungsmittelpreisen auf ein moderates Niveau reduziert haben, zeigt das Wirtschaftswachstum nur wenig Anzeichen einer Verlangsamung. 2004 konnte mit 9,5 Prozent im Vorjahresvergleich eine äußerst robuste BIP-Rate verzeichnet werden. Die Exporte nahmen um 35 Prozent zu. Einige zusätzliche makroökonomische Beschränkungen könnten der chinesischen Regierung also nur gelegen kommen.

Gleichzeitig wäre eine Währungsaufwertung für China gar nicht einmal so schmerzvoll. Zum einen könnte sie dazu beitragen, die hohen Rechnungen für steigende Ölimporte in Grenzen zu halten, die auf das Land zukommen. Und zum anderen würden sich alle Schritte hin zu einer Wechselkursflexibilisierung positiv darauf auswirken, daß potentielle Handelsbarrieren der Abnehmerländer wie beispielsweise die Vereinigten Staaten rechtzeitig abgewendet werden. So hat das wachsende bilaterale Handelsdefizit gegenüber China den amerikanischen Kongreß bereits protektionistische Töne anstimmen lassen.

Yuan führt Liste der unterbewerteten Währungen an

Zudem muß an dieser Stelle deutlich gemacht werden, daß das bilaterale Ungleichgewicht im Handel zwischen China und den Vereinigten Staaten von Amerika in Höhe von 162 Milliarden Dollar im Jahr 2004 den gesamten Handelsüberschuß Chinas mit einer sehr viel geringeren Summe von 32 Milliarden Dollar deutlich übertrifft. Selbst das derzeitige Leistungsbilanzplus, daß von der chinesischen Zentralbank auf 70 Milliarden Dollar geschätzt wird (doppelt so hoch wie die Schätzung des Internationalen Währungsfonds im vergangenen September und einschließlich 20 Milliarden Dollar für mögliche Irrtümer), ist gemäßigter ausgefallen. Dies zeigt, daß China gegenüber anderen Nationen - insbesondere asiatischen Staaten - größere Handelsdefizite verzeichnet. Dazu tragen auch eine beträchtliche Menge an Zwischengütern bei, die in China zusammengebaut und anschließend nach Amerika exportiert werden.

Das massive Handelsbilanzdefizit der Vereinigten Staaten gegenüber China steht auch stellvertretend für das Defizit gegenüber der gesamten asiatischen Region. Der Yuan führt sozusagen die Liste der unterbewerteten Währungen asiatischer Exportnationen an. Viele dieser Länder haben in hohem Maße interveniert, um eine Aufwertung der eigenen Währung gegenüber der amerikanischen Leitwährung zu verhindern - zum Teil, weil sie einen Verlust ihrer Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu China befürchten.

Asiatische Staaten könnten Aufwertung verkraften

Tatsache ist jedoch, daß die Chinesen 2004 durch das Auftürmen von weiteren 195 Milliarden Dollar an ausländischen Währungsreserven die gesamte Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben, während die acht größten asiatischen Zentralbanken Japan, China, Taiwan, Korea, Indien, Hongkong, Singapur und Malaysia zusammen 2,3 Billionen Dollar Währungsreserven halten. Mit Ausnahme von Indien verzeichnen die genannten Staaten seit der asiatischen Währungskrise 1997/1998 stabile Leistungsbilanzüberschüsse - und dürften zudem die innere Ruhe zurückgewonnen haben, eine gewisse Aufwertung ihrer Landeswährungen tolerieren zu können.

Eine Lockerung der chinesischen Währungsanbindung dürfte dennoch notwendig sein, um vielen anderen asiatischen Volkswirtschaften eine Aufwertung ihrer Währungen gegenüber dem Dollar erträglich zu machen. Malaysia hat beispielsweise kräftig ausländische Währungsreserven angesammelt, seit 1998 die eigene Währungsbindung an den Dollar eingeführt worden ist. Eine Flexibilisierung der Dollarkoppelung könnte für Kuala Lumpur aus ähnlichen Gründen attraktiv erscheinen wie für Peking. Aber die malaysische Regierung ist in erster Linie besorgt, im Schlüsselsektor Elektronik gegenüber China an Wettbewerbskraft zu verlieren. Selbst die Japaner, die in der Produktionskette auf einem technologisch weitaus höheren Niveau mit China konkurrieren, würden vermutlich erst dann dazu tendieren, eine Aufwertung des vermutlich ebenfalls unterbewerteten Yen zuzulassen, wenn die Chinesen ihre Währungsbindung gelockert haben.

Flexibilisierung scheint nur eine Frage der Zeit zu sein

Da der südkoreanische Won gegenüber dem japanischen Yen seit 1998 mehr Stärke denn je an den Tag legt, dürfte die Regierung in Seoul eine Aufwertung ihrer Währung gegenüber dem Dollar so lange verweigern, bis der Yen wieder an Wert gewonnen hat. Wenn die Zentralbankgouverneure aus China, Japan und Südkorea am 27. Mai 2005 auf ihrer ersten internationalen Konferenz zusammentreffen, werden sie die Vorteile einer gemeinsamen Aufwertung gegenüber der amerikanischen Leitwährung sicherlich näher betrachten. Die derzeitige Situation bietet die Plattform für eine klassische Koordinationspolitik, da die Maßnahmen für alle Beteiligten sehr viel weniger Risiken bergen, wenn sie gemeinsam in Angriff genommen werden.

Auch wenn die jüngste Stabilisierung des Dollars den auf China lastenden Aufwertungsdruck kurzfristig vermindert hat, würde ein erster Schritt Pekings hin zu einer leichten Aufwertung des Yuan allgemein sehr willkommen geheißen - vor allem, damit die Fundamentaldaten der amerikanischen Leistungsbilanz wieder etwas besser in Balance gebracht werden können. Den anderen asiatischen Staaten würde solch ein erster Schritt Pekings ein Nachziehen erleichtern. Sie wären dann nicht länger vom Euro abhängig, um ihren unverhältnismäßig hohen Anteil einer Anpassung der amerikanischen Währung zu schultern.

Peking bewegt sich ohne Frage in einem selbstbestimmten Tempo. Da aber bereits einige Kapitalkontrollen gelockert worden sind und die chinesische Regierung mit diversen ausländischen Banken Gespräche über eine Öffnung des Währungshandels führt, scheint es also tatsächlich nur noch eine Frage der Zeit zu sein, wann der entscheidende Schritt kommt. Bei Action Economics sind wir der Auffassung, daß es noch vor Jahresende soweit sein wird.
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