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Alt 09-02-2006, 16:49   #335
621Paul
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Liebe Tbb´ler,


deutsche Chefs loben wenig und meckern viel, schrieb die Financial Times Deutschland. Das Finanzblatt drückte damit aus, was offenbar viele empfinden: Loben ist nicht das Ding der Deutschen; weder im Beruf, noch daheim im Privatleben. Ganz im Gegenteil: Wir gelten im Ausland als eine Art Weltmeister im Kritisieren. Woran mag es nun liegen, dass gerade in Deutschland viele Menschen so sparsam mit Lob umgehen? Das Praxishandbuch "Stil & Etikette" glaubt, eine Ursache für das deutsche Defizit gefunden zu haben: Wir lernen im Elternhaus einfach nicht, andere zu loben (geschweige denn, Lob von anderen anzunehmen).

Hand aufs Herz: Können Sie sich noch daran erinnern, ob Sie als Kind regelmäßig gelobt wurden? "Stil & Etikette"-Herausgeber Rainer Wälde – ein anerkannter Experte in Umgangsformen – verweist in diesem Zusammenhang gerne auf seine eigenen Kindheitserfahrungen. Er sei in Süddeutschland aufgewachsen, einem Landstrich, in dem Lob nur in homöopathischen Dosen verteilt werde. Fragt dort die Hausfrau ihre Familie bei Tisch, ob es schmeckt, gilt es als höchstes Lob, wenn das Familienoberhaupt antwortet: "Man kann’s essen!" oder: "Es ist recht!". "Wie soll in einer solchen Kultur verbaler Sparsamkeit ein Kind das Loben lernen?", fragt Wälde.

Eine andere Ursache für Zurückhaltung vieler Vorgesetzter beim Lobe sind nach Meinung von Wälde Missgunst und Eifersucht auf andere, die gelobt würden. Wenn ein Mensch selbst emotional zu kurz komme, gönne er auch seinem Mitmenschen kein gutes Wort. Also wen wundere es, wenn sich der Chef sagt: "Mich lobt auch keiner!". Etliche Vorgesetzte würden zudem aus Unsicherheit nicht loben, oft auch weil sie Angst hätten, dass der Mitarbeiter dann sofort mit der Forderung nach mehr Gehalt daher kommen werde.

Auch in deutschen Ehen will es häufig nicht so recht mit dem gegenseitigen Lob klappen. Lob ist zu gefühlsselig, lautet häufig auf Begründung für die Abstinenz in dieser Sache. Männer untereinander loben sich schon überhaupt nicht gerne – nicht selten aus Gründen der Rivalität oder aus Furcht, als "Weichei" zu gelten.

Dabei läuft die Wirkungskette beim Loben ganz anders als viele glauben: Lob fällt meist auf denjenigen wieder zurück, der lobt. Der Gelobte wird sich revanchieren wollen und Ihnen eine positive Rückmeldung in Zukunft nicht mehr vorenthalten. Wenn Sie sich positiv über andere Personen äußern, neigen die Zuhörer dazu, auch Ihnen positive Eigenschaften zuzuschreiben, sagen Psychologen. Wer großzügig ohne Berechnung ein Lob spendet, sei gern gesehen. Lob vom Chef steigere zudem ungemein die Effizienz im Unternehmen.

In Großbritannien wurde bei Untersuchung unter Frauen zwischen 16 und 54 Jahren festgestellt, dass aufrichtiges Lob sogar physiologisch messbare Glückgefühle auslösen kann. Wissenschaftler beobachteten genau, was in solchen Augenblicken mit den Frauen geschah: Die Kapillargefäße im Gesicht wurden mit roten Blutkörperchen durchflutet. Der Teint erschien dadurch rosa – ein Zeichen von jugendlicher Frische. Die Augen strahlten, die Gesichtszüge entspannten sich. Das Kinn hob sich, die Stirn glättete sich. Die ganze Körperhaltung samt Schultern spannte sich. Ein strahlendes Lächeln setzte ein.

Loben Sie also, so oft es geht. Wenn Sie jemanden loben können, tun Sie es möglichst sofort, nicht erst morgen. Sagen Sie, was Sie lobenswert finden, konkret und möglichst unter vier Augen. Und glauben Sie nicht, man könne zu viel loben. Dazu ein Ausspruch des englischen Dichters John Masefield (1878-1967): "Vielleicht wird alle 100 Jahre einmal ein Mensch durch Lob unglücklich, aber ganz sicher geht jede Minute etwas Gutes aus Mangel an Lob zu Grunde."
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Wenn viele Anleger dasselbe glauben, dann muss dies noch lange nicht bedeuten, dass es stimmt oder wahrscheinlich ist. Das Gegenteil ist oft der Fall.
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