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Alt 19-02-2003, 10:17   #83
Stefano
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hola,

Das schwarz-rot gestreifte Eichhörnchen
Aus Mangel an Offensivkräften hamstert sich Eintracht Frankfurt derzeit mit grundsolider Abwehrarbeit in Richtung Aufstieg


Später dann, als Kameras und Mikrofone ausgeschaltet waren und nur noch eine Hand voll der üblichen Verdächtigen einen kleinen Kreis um Willi Reimann bildeten, ist der Eintracht-Trainer dann endlich deutlich geworden. Er sei ganz und gar nicht zufrieden mit dem Ergebnis, flüsterte der Mann so leise, dass man die Kugelschreiber übers Papier kratzen hörte. Das Tor zum Ausgleich, das vermaledeite, sei zu einem Zeitpunkt gefallen, als das Ärgste schon überwunden geglaubt schien; zudem in Unterzahl. Jean-Clotaire Tsoumou-Madza hatte sich in ärztliche Behandlung begeben müssen. Eine blutende Platzwunde am Kopf wollte geklammert werden, weswegen der bullige Kongolese seine Füße nicht rechtzeitig hatte wieder ins Spiel bringen können gegen den Torschützen Francis Kioyo. Dann monierte Reimann noch, dass die gelb-rote Karte gegen Alex Schur nicht berechtigt gewesen sei, womit für ihn eines auf der Hand lag: "Wenn wir mit elf Mann gespielt hätten, hätten wir das Ding gewonnen."
Es gab eine Menge Leute, die sahen das anders. Solche, die fanden, dass Eintracht Frankfurt ganz gut bedient war mit dem Punkt gegen den weiterhin unbesiegten Tabellenführer 1. FC Köln, der nicht nur die Rekordserie von Hannover 96 aus dem vergangenen Jahr mit 20 Spielen ohne Niederlage eingestellt, sondern obendrein die Beförderung in Liga eins fast schon sicher hat; dass Eintracht Frankfurt dieses Spiel auch leicht hätte verlieren können, wenn nicht Oka Nikolov den Strafstoß von Dirk Lottner pariert hätte; dass Eintracht Frankfurt personell am Stock geht; dass die Eintracht ihre wöchentlichen Aufgaben fürs Erste mit einem minimalen Aufgebot an Offensivkräften wahrzunehmen hat. Das vor allen Dingen.

Und trotz alledem war Willi Reimann nicht zufrieden mit dem 1:1 (1:0) gegen Köln. Zwar weiß er sehr genau, dass sich sein der stürmenden Abteilung weitgehend beraubtes Team derzeit außer Stande sieht, mehr als ein Tor pro Spiel zu erzielen. In den letzten zehn Partien traf der Aufstiegsaspirant ganze acht mal ins gegnerische Tor - was dennoch zu respektablen 17 Punkten führte. Dafür stützt sich die Taktik des Trainers vornehmlich auf eine stabile Defensive, auf Ordnung, Disziplin und die Bereitschaft von jedem, zuerst nach hinten zu arbeiten. Reimanns Vorstellung von perfektem Fußball ist ein 1:0, kein 4:3. Schnörkellos, einfach, klar - so wie Reimann selbst. Und so stellt der 53-jährige Westfale auch seine Mannschaft ein: Sie spielt exakt das, was sie kann. Nicht mehr und nicht weniger. Und fährt damit nicht schlecht. Im Augenblick kann sie eben besser verteidigen als angreifen. "Eine sehr gute Defensive muss derzeit reichen", sagt auch Kapitän Jens Keller. Wenn dann freilich ein vermeidbarer Gegentreffer fällt, ist die Eintracht nicht mehr in der Lage zuzulegen. Das Positive: Sie bricht aber auch nicht ein.

Was Eintracht Frankfurt bleibt, ist, sich irgendwie durchzulavieren, ein Tor selbst zu schießen und diesen Vorsprung dann mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Dass die Gastgeber damit am Montag schon nach knapp zwei Minuten nach Markus Beierles Führung begannen, war womöglich ein bisschen früh. Im Grunde aber sieht so das Erfolgsrezept in der zweiten Liga aus: kompakt stehen, die Räume im Mittelfeld eng machen, viel laufen. Denn: In der Abwehr werden die Spiele entschieden, weswegen es selbst einer durchaus reifen Mannschaft wie dem 1. FC Köln nicht gelingt, ein Frankfurter Kollektiv zu schlagen, das dem Gegner kaum Möglichkeiten gestattet. Dies ist durchaus eine Qualität, wie selbst FC-Trainer Friedhelm Funkel einräumte: "Ich habe sehr viel Respekt vor dem, was in Frankfurt geleistet wurde."
Ob das freilich reicht für den ganz großen Wurf? "Ich bin kein Hellseher", sagt Reimann. Aber bisher habe die Mannschaft "eine recht gute Saison gespielt", was ein klein bisschen untertrieben ist. Kein Mensch hätte damit gerechnet, dass der Club nach 21 Spieltagen noch auf einem Aufstiegsplatz liegt. Reimann hat aus sehr wenig sehr viel gemacht. Er hat eine Mannschaft geformt, die grundsolide, sehr gewissenhaft, sehr konstant Fußball spielt. Sie spielt nicht grandios und sie spielt nicht schlecht. So gut wie nie unterschreitet sie ein gewisses Niveau. Darauf kann man aufbauen. Womöglich reicht die Eichhörnchentaktik ja zum Aufstieg. "Wir haben die ,big points' nicht verloren", sagte der Vorstandsvorsitzender Volker Sparmann nach dem Spiel seltsam defensiv. Was er nicht sagte: Sie haben sie auch nicht gewonnen.
q: e-hp
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Ciao Stefano

Ich wurde nicht gefragt...ob ich geboren werden wollte...
Ich werde nicht gefragt...ob ich sterben will...
also lasst mich LEBEN...wie ich es will...!
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