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Alt 17-12-2002, 10:10   #23
Stefano
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Cool IM INTERVIEW mit Willi Reimann Teil 1

hola,

"Ich habe manchmal schon den Kopf geschüttelt"

Eintracht-Trainer Willi Reimann über das Innenleben der Eintracht, fleißige Arbeiter, Mitbestimmung im Fußball und die Chancen, schon in dieser Saison aufzusteigen

Staubtrocken kommt der Mann daher, was in der leicht aufgeheizten Atmosphäre rund um Eintracht Frankfurt kein Nachteil ist:

Willi Reimann, gebürtiger Westfale mit Faible für den Norden, erinnert viele in seiner Art an Horst Ehrmantraut: korrekt, distanziert, diszipliniert. Reimann hat aus einem bunt zusammengewürfelten Haufen eine Mannschaft geformt, die das Zeug hat, in die Bundesliga aufzusteigen. "Wenn wir aufsteigen, haben wir das auch verdient", sagt der 52-Jährige im Gespräch mit FR-Redakteur Thomas Kilchenstein. (FR-Bild: J. Günther)

Frankfurter Rundschau: Herr Reimann, sind Sie nicht selbst überrascht über den Erfolg Ihrer Mannschaft?

Willi Reimann: Überrascht ist nicht der richtige Ausdruck. Wir haben ganz hart und fleißig gearbeitet. Das Ganze ist kein Zufall. Dass wir so schnell zu einer Einheit zusammenfinden, war selbst für mich nicht abzusehen gewesen.

Es gab, von außen betrachtet, ja überhaupt keine Anpassungsschwierigkeiten.

Wir hatten anfangs große Schwierigkeiten, das fing damit an, dass wegen der Lizenzierungsgeschichte niemand wusste, wann das Training beginnt, wir hatten Verletzungen. Wir wussten nicht, wer kommt, wer bleibt. Es gab Änderungskündigungen. Die Vorbereitungszeit lief nicht optimal. Trotzdem haben sich die Neuverpflichtungen gleich wohl gefühlt. Ich kann der Mannschaft nur ein Kompliment machen. Die Schwierigkeiten haben uns zusammengeschweißt.

Gab es irgendein Schlüsselspiel in der Runde, bei dem Sie gemerkt haben, hoppla, da ist ja mehr drin als gedacht?

Nein. Wir haben uns ganz konzentriert auf das erste Spiel vorbereitet. Dabei haben wir in der Vorbereitung, bis auf das Spiel gegen Straßburg, nur leichte Gegner gehabt. Doch die Mannschaft hat gemerkt, dass sie zusammenpasst. Und dann hat man auch gesehen, dass die Spielfreude zurückkommt. So haben wir schnell zu einer Einheit zusammengefunden.

Wie haben Sie es geschafft, dass alles so Eintracht-untypisch reibungslos klappt?

Ich bin ein Verfechter von mannschaftlicher Geschlossenheit. Das bedeutet: Das ganze Team, der Co-Trainer, die Physiotherapeuten, der Arzt, alles muss harmonieren. Das habe ich versucht zu fördern. Ich brauche um mich herum ein gutes Team. Und dann ist es einfach: Alle an einem Strang ziehen, nicht rumspinnen, fleißig arbeiten, schön auf dem Teppich bleiben, und schon stellt sich der Erfolg ein.

Wie haben Sie sich auf diese Herausforderung in Frankfurt vorbereitet? Haben Sie Leute gefragt, Zeitungsartikel studiert? Der Ruf des Klubs ist ja kein sehr guter.

Ich hatte das Vergnügen, das Chaos im Verein am eigenen Leib mitzuerleben - mit lauter unterschiedlichen Ansprechpartnern bei meiner Vertragsangelegenheit. Ich habe manchmal schon den Kopf geschüttelt zu Hause und habe gedacht: Da musst du schon Humor haben. Da konnte man nämlich erkennen, dass der Verein nicht so gut geführt war.

Trotzdem war es verblüffend zu sehen, dass Ihre Neuverpflichtungen auf Anhieb eingeschlagen haben.

Das hat vielleicht etwas mit dem Kenntnisstand des Trainers zu tun. Mit vielen Spielern habe ich ja schon in der Vergangenheit zusammengearbeitet. Vor allem kenne ich nicht nur die Leistungsstärke, sondern auch die Charaktereigenschaften der Spieler ganz genau. Ich habe die Spieler immer im Auge gehabt, habe verfolgt, wo sie und wie sie gespielt haben. Es war ein großer Vorteil, dass ich die meisten Spieler persönlich kannte.

War es auch für Sie eine Chance, wieder ins Geschäft zurückzukehren? Sie hatten aus privaten Gründen eine Auszeit genommen. Sie hätten sagen können, so einen Chaosklub tue ich mir nicht an.
Bei anderen Vereinen gibt es genauso Chaos, das können Sie mir glauben. Auch wenn das nach außen oft anders aussieht.

Die Vorgänge in Frankfurt haben Sie dann gar nicht besonders verwundert?

Nein. Ich kenne ja meinen Job. Ich identifiziere mich mit dem Klub und versuche meine Arbeit so erfolgreich wie möglich zu machen. Ich habe mich in Frankfurt von der ersten Minute an wohl gefühlt. Das Wetter ist besser als in Hamburg, weniger Regen, mehr Sonnenschein, weniger Wind.

Nun steht Eintracht Frankfurt auf einem Aufstiegsplatz. Kann man jetzt noch zufrieden sein, wenn man am Ende das Saisonziel, gesicherter Mittelfeldplatz, erreicht?
Ich kann schon, nur: Viele andere wären damit nicht zufrieden. Ich kann und will nur immer wieder darauf hinweisen, mit welchen Vorgaben und Schwierigkeiten wir in die Saison gegangen sind. Wer die zweite Liga kennt, weiß, dass Mechanismen auftreten können, die man nicht mehr in den Griff bekommt. Die Mannschaft hat gezeigt, dass sie zu Recht oben steht. Was haben wir zu verlieren? Wir stehen besser da, als uns die meisten zugetraut haben. Wir können einen guten Tabellenplatz erreichen.

Was wäre für Sie ein guter Tabellenplatz?

Unter die ersten Acht kommen.

Ein siebter Platz wäre für Sie ein Erfolg?

Ja. Die Vorzeichen ändern sich doch nicht. Die finanzielle Situation ist die gleiche, die Spieler sind die gleichen, wir haben eine dünne Spielerdecke, wir haben Probleme mit Verletzungen. Es geht doch so schnell im Fußball. Warum sollen wir uns verrückt machen? Unseren sehr guten Tabellenplatz wollen wir versuchen, so lange wie möglich zu verteidigen. Wenn alle gesund bleiben, könnten wir es schaffen. Sollten wir nur Siebter werden, haben wir trotzdem eine gute Saison gespielt.
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Ciao Stefano

Ich wurde nicht gefragt...ob ich geboren werden wollte...
Ich werde nicht gefragt...ob ich sterben will...
also lasst mich LEBEN...wie ich es will...!
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