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Alt 01-08-2003, 11:29   #275
Stefano
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Thumbs up Teil 1

hola,

"Wir haben bewiesen, dass man etwas Großes erreichen kann"

Eintracht-Trainer Willi Reimann über teamorientiertes Arbeiten und die Chancen der Frankfurter, in der Fußball-Bundesliga zu bestehen

Wer versucht, Willi Reimann zu charakterisieren, hangelt sich oftmals an Attributen wie besonnen, unaufgeregt, staubtrocken, stoffelig oder kauzig entlang. Das entlockt dem Trainer des Fußball-Bundesligisten Eintracht Frankfurt immerhin ein mildes Lächeln. "Ich bin so, wie ich bin", sagt der 53-Jährige. Die Hessen sind auch in das Fußball-Oberhaus geklettert, weil die Mannschaft fast symbiotisch mit ihrem Vorgesetzten verwachsen schien, so spielte, wie es seiner Art entspricht: kompromiss- und schnörkellos. Jetzt kommt auf den bekennenden Christen die schwere Aufgabe zu, den Traditionsverein in der Eliteliga zu halten. Wie Reimann das schaffen will, erklärte er FR-Redaktionsmitglied Ingo Durstewitz bei einer Tasse Kaffee.

Frankfurter Rundschau: Herr Reimann, blicken wir mal nach vorne: Eintracht Frankfurt hat nach vier Spieltagen, sagen wir, einen Zähler auf dem Punktekonto und verliert anschließend noch das brisante Pokalspiel bei Kickers Offenbach. Haben Sie sich ein solches Worst-Case-Szenario schon mal ausgemalt?

Willi Reimann: Nein, warum sollte ich? Das ist doch Kaffeesatzleserei. Hinterher kommt es sowieso anders als man denkt. Das sehe ich ganz unaufgeregt.

Unaufgeregt wird die Eintracht nach zwei Jahren Abstinenz in der höchsten Spielklasse sicher nicht nach München fahren, eher mit gehörigem Bammel, oder?

Bammel? Weshalb?

Zum Beispiel, weil die Leistung bei der Testspielniederlage gegen Nürnberg miserabel war.

Ja meine Güte, wenn die Saison beginnt, dann kräht kein Hahn mehr nach diesen Begegnungen, dann ist das ganze Vorgeplänkel irrelevant, dann zählt nur noch das Ergebnis. Da fragt dich kein Mensch, ob du gut oder schlecht gespielt hast. Da interessieren nur noch die Punkte. Ich habe den Eindruck, dass hier die Welt zusammenbricht, wenn man ein Vorbereitungsspiel verliert.

Das nicht, aber die Bayern sind ja noch mal ein anderes Kaliber.

Sie sind Titelträger und der absolute Meisterschaftsfavorit. Wir spielen als Aufsteiger gegen den Abstieg. Das sind die Tatsachen. Aber wir haben uns sportlich für die erste Klasse qualifiziert, und der Druck lastet auf den Bayern, weil jeder erwartet, dass sie uns schlagen. Wir hingegen fahren mit der Euphorie des Aufstiegs nach München und können dort für positive Schlagzeilen sorgen. Davon bin ich überzeugt.

Spielen wir das mal durch. Die Eintracht gewinnt in München, dann besteht ja gerade in Frankfurt immer die Gefahr, dass man einige Menschen wieder mit dem Lasso einfangen und auf den Boden holen muss, weil sie in anderen Sphären schweben, mindestens vom Uefa-Cup träumen. Ihr Stürmer Jermaine Jones spricht ja jetzt schon von nichts anderem.

Immer wieder heißt es: Jermaine Jones hat dies gesagt oder jenes. Das kann ich nicht mehr hören. Er kann ja sagen, was er will, jeder kann sagen, was er will. Wenn er glaubt, der Uefa-Cup ist zu realisieren, bitte schön. Aber hier sind doch keine Träumer am Werk. Wir arbeiten hart und solide, und natürlich gehen wir die Saison auch mutig und voller Selbstbewusstsein an. Das Spiel am Freitag ist aber nur eines von 34, da lassen sich keine Rückschlüsse für die Saison ableiten, egal, wie es ausgeht. Es soll ja außerdem schon mal vorgekommen sein, dass die Eintracht in München gewonnen hat und danach abgestiegen ist.

Das war aber die Ausnahme, meist gab es in München nicht viel zu holen. Und da haben schon Eintracht-Mannschaften anderen Kalibers ihr Glück versucht.

Na und? Selbst bei einer Niederlage im Olympiastadion bricht die Welt nicht auseinander. Bei den Bayern ist, glaube ich, ein Sieg nicht unbedingt Pflicht. Wir müssen die Punkte gegen andere Mannschaften holen, ob gegen Bochum, Hannover, Berlin oder sonst wen, soll mir egal sein. Der Klassenerhalt ist unser großes Ziel, alles andere ist nicht zu realisieren. Wir werden mit etlichen Teams um die unteren Plätze kämpfen, wir bekommen nichts geschenkt und lassen uns nichts schenken. Wir stellen uns der beruflichen Herausforderung. Und glauben Sie mir: Wir sind alle ehrgeizig.

Ärgert es Sie, dass Ihre Mannschaft als Absteiger Nummer eins und Sie als Kandidat Nummer eins für die erste Trainerentlassung gelten?

Ach was. Wen sollen die Oberexperten denn sonst tippen? Die haben ja nur die Chance, die Aufsteiger zu nehmen. Denen fallen doch immer nur die gleichen Namen ein, die gegen den Abstieg spielen. Das ist jedes Jahr dasselbe. Ich erinnere nur mal daran, was damals alles über Wolfsburg geschrieben wurde: "Die Ansammlung der Gescheiterten", "Club der Loser". Und dann haben die einen ganz munteren Fußball gespielt. Das sind Dinge, die werden einem aufgepfropft. Damit sollte man sich nicht belasten.

Sie könnten diese vernichtenden Kritiken ja als zusätzliche Motivation für ihre Spieler benutzen, die vielen Verrisse an die Kabinentür hängen.

Nein, das ist nicht mein Stil. Außerdem wird doch so viel geschrieben, Interessantes, Tolles, Unsinniges, das man gleich in den Papierkorb werfen kann. Aber damit setze ich mich nicht auseinander. Für solchen Kokolores habe ich keine Zeit, und dafür bin ich auch nicht der Typ. Wir lassen uns jedenfalls nicht schrecken von irgendwelchen schlauen Menschen. Und eines kann ich versprechen: Wir werden versuchen, unsere Kritiker zu überzeugen. Spätestens nach der Halbserie sollen sie sagen: "Entschuldigung, wir müssen uns korrigieren." Wenn die absoluten Experten sagen, wir haben keine Chance, und Jones glaubt, wir kommen in den Uefa-Cup, dann sage ich: Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte.

Sie sind sehr ruhig und distanziert. Ist das Ihre Masche, oder entspricht das Ihrem Naturell?

Natürlich entspricht es meinem Naturell. Ich verstelle mich ja nicht, ich bin so, wie ich bin.

Bisweilen auch unbequem.

Ich bin nicht der Typ, der sich um irgendwelche externen Einflüsse schert oder sich von ihnen umstimmen lässt und dann in Panik verfällt. Die Spieler haben Vertrauen zu mir, wissen, mit wem sie es zu tun haben. Bei meinen Stationen als Trainer habe ich immer versucht, ein gutes, leistungsorientiertes Verhältnis zur Mannschaft zu finden, das ist mir in vielen Fällen gelungen. In einer Leistungsgemeinschaft muss jeder seine Arbeitskraft, sein Können einbringen, jeder muss das geben, was in ihm steckt, nur so kann man erfolgreich sein.

>>>Teil 2
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Ciao Stefano

Ich wurde nicht gefragt...ob ich geboren werden wollte...
Ich werde nicht gefragt...ob ich sterben will...
also lasst mich LEBEN...wie ich es will...!
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