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Alt 25-07-2003, 08:24   #266
Stefano
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hola,

"Wir spielen Fußball und nicht Schach"
Die Profis von Eintracht Frankfurt kämpfen im Trainingslager in Westerburg verbissen um die Plätze im Team


Geri Cipi fegt Mehmet Dragusha mit einer humorlosen Grätsche von den Beinen. Dragusha schreit auf, wälzt sich am Boden, wird behandelt, beißt auf die Zähne. Cipi winkt ab. Fünf Minuten später fällt Dragusha, das halbe Hemd, Cipi, den turmhohen Abwehrhünen, mit einem gezielten Tritt. Die Kiebitze kichern, ein paar lachen tief und grollend. Es geht heftig zur Sache im Training der Frankfurter Eintracht. Noch ein paar Minuten und ein Dutzend Zeikämpfe später haut Stefan Lexa Alexander Schur um. Der knickt ein wie ein gefällter Baum, wälzt sich am Boden, wird behandelt, beißt auf die Zähne. Lexa bezichtigt Schur der Schauspielerei. Fünf Minuten später grätscht Schur Lexa von hinten um. Einige Zuschauer sehen sich verdutzt an, schütteln den Kopf, fast so, als wüssten sie das Gesehene nicht richtig einzuordnen.

Eine halbe Stunde nach der wilden Foulspiel-Arie sagt Schur salopp: "Wir haben uns en bissi getreten. Na und ?" Die Spieler kennen keine Gnade, rasseln im Trainingslager am Wiesensee immer wieder aneinander, verbal oder physisch. Wer von den Berufsfußballern wissen will, ob die Hahnenkämpfe wirklich zur Vorbereitung einer hoch bezahlten Fußballmannschaft gehören, erntet abschätzende Blicke oder ein mitleidiges Lächeln, das offensichtlich den Profi vom Amateur trennen soll. "Wir spielen ja Fußball und nicht Schach", tönt Stefan Lexa. Wenn es diese hitzigen Gefechte nicht gäbe, "dann bräuchten wir kein Fußball mehr spielen". Hauptsache man klatsche sich anschließend ab und könne sich in die Augen sehen.

Auch Torwart Andreas Menger, die gute Seele mit lautstarkem Organ, sieht die zunehmende Aggressivität ganz locker: "Ja, meine Güte, wir sind doch kein Schach-Verein." Was haben Fußballprofis eigentlich gegen Schach ? Die Frankfurter Spieler begrüßen ganz offensichtlich die sich häufenden Scharmützel. "Es wurde auch Zeit, dass es im Training richtig abgeht und knallt", sagt Kapitän Jens Keller, "denn so wie man trainiert, spielt man auch." Coach Willi Reimann begutachtet das eisenharte Treiben auf dem Trainingsplatz in Stahlhofen mit stoischer Ruhe. Wenn die Knochen des Mitspielers allzu doll poliert werden, pfeift der Trainer Freistoß oder Elfmeter. Ansonsten beobachtet er und schweigt. Grätschen, Gerangel und Geschubse befindet Reimann, seien das "Normalste der Welt", bei jedem Bundesligaclub geraten die Spieler derart aneinander: "Das gehört dazu." Allerdings schreitet der Fußball-Lehrer ein, wenn ein Spieler vorsätzlich foult oder eine Verletzung des Kameraden billigend in Kauf nimmt: "Es gibt Spielregeln, an die sich jeder halten muss." Das hat Geri Cipi einmal nicht getan und ist deshalb vom Trainer zusammengefaltet worden.

Sicherlich ist der leidenschaftliche Einsatz der Eintracht-Mannen auch mit dem immer näher rückenden Saisonstart zu erklären, der Kampf um die Stammplätze geht in die heiße Phase, jeder Spieler legt noch mal eine Schippe drauf. "Die Endphase der Vorbereitung hat begonnen", sagt Reimann, "das spürt man." Mit jedem verstreichenden Tag nehme das Kribbeln und die Spannung zu. Der Coach fordert die Spieler auf, bis zur letzten Sekunde der Vorbereitung alles zu geben, selbst wenn der eine oder andere beim einzigen Härtetest am Samstag gegen den 1. FC Nürnberg in Kitzingen nicht zum Einsatz kommt. "Ein Spieler, der sich nicht mehr anbietet, begeht einen großen Fehler."

Geri Cipi braucht da keine Angst haben, er spielt in den Planungen von Reimann eine große Rolle, wenngleich der albanische Nationalspieler im Training müde und platt wirkt. "Der Eindruck täuscht", betont Reimann, der die zaghaft an ihn herangetragene Kritik an Cipi nicht nachvollziehen kann. Sie erinnere ihn stark an das Gemecker über Jean-Clotaire Tsoumou-Madza in der Vorbereitungszeit vor einem Jahr, als der Kongolese als phlegmatisches Sicherheitsrisiko ausgemacht worden sei. "Madza", erinnert Reimann, "hat 34 Spiele gemacht." An Cipi werde die Eintracht noch viel Freude haben. "Seine Schnelligkeit wird unterschätzt", sagt der Coach, zudem verfüge der 27-Jährige über ein gutes Stellungs- und, noch viel wichtiger in der Bundesliga, ein sehr gutes Kopfballspiel. "Gegen Leute wie Koller braucht man einen Mann, der diese Stärke abfedern kann."

Auch Stefan Lexa drängt mit Macht in die erste Elf. Der 26-Jährige hat bislang einen guten Eindruck hinterlassen; die rechte Außenbahn wuselt er auf und ab: schnell, ballsicher, giftig und rotzfrech präsentiert sich der Österreicher. Dass er im Februar sein letztes Pflichtspiel für CD Teneriffa bestritten hat, ist ihm nicht anzumerken. "Ich habe nicht viel verlernt", sagt er. Lexa, in München geboren, fiebert dem Spiel gegen die Bayern entgegen, chancenlos sei die Eintracht nicht, denn "der Bayern-Express läuft noch nicht rund". Und Angst vor großen Namen habe er ohnehin nicht. Bixente Lizarazu, sein mutmaßlicher Gegenspieler, habe zwar "alle Titel der Welt gewonnen, aber auszuspielen ist der wie jeder andere auch". q: e-hp
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Ciao Stefano

Ich wurde nicht gefragt...ob ich geboren werden wollte...
Ich werde nicht gefragt...ob ich sterben will...
also lasst mich LEBEN...wie ich es will...!
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