Für die 02. Kalenderwoche 2003
Sehr geehrte Damen und Herren,
steuerfreie Dividenden machen Anleihen Konkurrenz. So sehr auch die Initiative von Präsident George W. Bush zu begrüßen ist, die seit Jahrzehnten ungerechtfertigt erhobene Doppelbesteuerung auf Unternehmensdividenden zu beenden, so sehr muß dieser Schritt auch als Belastung für den Anleihenmarkt gesehen werden. Belastung im Sinne von zu erwartenden Liquiditätsabflüssen in Folge einer neuen Asset-Allokation zugunsten von Eigenkapital.
Nehmen Sie als Beispiel die Aktien und Anleihen des bekannten Investmenthauses J.P. Morgan. Kauft ein Amerikaner die Aktien auf aktuellem Niveau (27,30 Dollar), erhält er eine jährliche Dividendenrendite von 4,98%. Bisher muß er die Dividenden mit seinem persönlichen Einkommenssteuersatz versteuern, was im Zweifel bis zu 39,6% sein können, was die Rendite auf rund 3% netto senkt. Kommt die Bush Initiative durch den Kongreß, bekommt er brutto für netto also 4,98% p.a.
Wählt er zum Vergleich eine JPM Anleihe mit einer mittleren Laufzeit (2012), bekommt er aktuelle Renditen im Bereich von 6,08% geboten (Rating: "A2" / "A"). Nach Steuern bleiben ihm netto also 3,67%. Der Unterschied läßt sich wie folgt zusammenfassen: Vorher gab es bei den Anleihen mehr Rendite und mehr Sicherheit als bei den Aktien, nachher gibt es weniger Rendite, aber weiterhin mehr Sicherheit. Kursschwankungen habe ich bewußt außen vor gelassen, um das Beispiel nicht überzustrapazieren.
In Zeiten hoher Unsicherheit können Unternehmensanleihen weiterhin ihren Trumpf ausspielen. Sinkt jedoch das Risikobewußtsein, wie nun seit rund sechs Monaten, sinkt in Zukunft die Attraktivität der Anleihen im direkten Vergleich mit den Aktien des Unternehmens. Die Veränderung der Asset-Allokation wird selbstverständlich nicht von einem Tag auf den anderen geschehen, sondern fließend und fast unbemerkt im Hintergrund ablaufen. Insofern ist es heute wichtiger, dieses Szenario im Hinterkopf zu haben und darauf vorbereit zu sein, als voreilige Konsequenzen daraus zu ziehen. Zur gegebenen Zeit werde ich daher auf das Szenario zurückkommen und es erneut prüfen.
Zum Tagesgeschäft:
Amazon.com erreicht eine theoretische Jahresperformance von 74%!Unglaublich aber war: Wenn Sie meiner Empfehlung gefolgt sind, haben Sie in nur 126 Tagen eine Gesamtperformance von 25,76% erreicht, was auf Jahresbasis einer Rendite von 73,61% entspricht! Bitte sichern Sie daher Ihre Gewinne und verkaufen Sie die Position nun.
Von der Amazon-Wandelanleihe trenne ich mich jetzt! Ich hatte Ihnen den kommenden Ausstieg bereits mehrfach avisiert. Da die Aktien einen enormen "Run" hingelegt haben und nun komplett überbewertet sind (Kurs/Gewinn-Verhältnis: 306,4; Kurs/Umsatz-Verhältnis: 2,3; Kurs/Buch-Verhältnis: neg.; Kurs/Cashflow-Verhältnis: 52,8), stelle ich die Wandelanleihe vor dem Quartals- und Jahresabschluß am 23. Januar glatt.
Warum ich nicht warte, bis die Zahlen auf dem Tisch liegen? Weil die Zahlen noch so gut sein können - die Erwartungen (Aktien) sind zu hoch. Ebenso wird es keinen positiven Ausblick auf das neue Quartal geben, da das 4. Quartal immer das beste für den Einzelhandel ist. Hinzu kommt, daß es jederzeit zu einer vorzeitigen Veröffentlichung der Zahlen kommen kann. Sind die Zahlen aber draußen, rechne ich mit einem sogenannten "Sell-On-Good-News", der auch die Wandelanleihe betreffen wird. Insofern schlage ich ohne weiteres die verbleibenden Kurschancen, in Form von 2 bis 3 Prozentpunkten, zugunsten der Sicherheit der bereits entstandenen Gewinne aus.
Besonders geärgert haben mich in dieser Woche die Argentinier. Die argentinische Wirtschaftzeitung "El Cronista" meldete, daß sich die privaten Gläubiger Argentiniens auf einen Kapitalverzicht von 90% einstellen sollen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) solle dagegen komplett bedient werden. Argentinien steht beim IWF mit rund 30 Mrd. Dollar und bei den privaten Gläubigern mit rund 112 Mrd. Dollar in der Kreide. Die Quelle dieser Information sei angeblich der IWF, was für einigen Aufruhr sorgte.
Doch Fehlanzeige! Das Wort Kapitalverzicht kam dem IWF nicht über die Lippen. Die Meldung von "El Cronista" war frei erfunden und soll offensichtlich als Einschüchterung der privaten Gläubiger in Vorbereitung Argentiniens auf eine bessere Verhandlungsposition bei der notwendig werdenden Restrukturierung der Staatsschulden dienen. Es ist also höchste Zeit, daß sich die Interessengruppen der Gläubiger zusammenschließen, um Argentinien auf die Finger zu hauen und das Land in seine Schranken zu verweisen.
quelle:FM Research
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Schöne Grüße
arpad
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