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Alt 26-03-2008, 19:01   #821
Starlight
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Die Steuer-, Steak- und Schmuck-Krise
Mittwoch, 26. März 2008

Über New York scheint die Sonne, die Wolkenkratzer recken sich in den Frühlingshimmel und die Freiheitsstatue hält ihre Fackel über den Hafen – doch vom ewigen Optimismus der Metropole ist in diesen Tagen wenig zu spüren. Die jüngsten Querelen an der Wall Street sorgen für Unruhe.

Monate lang schipperte New York recht ruhig durch die konjunkturelle Krise in den USA. Um die Immobilienpreise, die im ganzen Land steil fallen, sorgte man sich in Manhattan nicht, schließlich sorgt die Insel-Lage der Stadt für ein begrenztes Angebot an Wohnraum und damit eigentlich für kontinuierlich hohe Preise. Doch die jüngsten Milliardenverluste der Banken, von denen nun einmal die meisten ihren Sitz in New York haben, haben Unsicherheit in die Straßen gebracht.

Denn die Wall Street steht hinter geschätzten 600 000 Jobs, von denen im Zusammenhang mit den schlechten Bilanzen der Arbeitgeber viele auf der Kippe stehen. Die Großbank Citigroup fährt zur Zeit das Personal um 10 Prozent zurück, Lehman Brothers entlässt 1400 Angestellte, und auch bei Goldman Sachs stehen Entlassungen an. Die Übernahme der Investmentbank Bear Stearns durch J.P. Morgan dürfte tausende von Jobs kosten; düstere Szenarien sehen bald den größten Teil der 14 000 Angestellten auf der Straße.

Mit den (hochbezahlten) Jobs gehen New York massiv Steuereinnahmen verloren. Zuletzt stand die Wall Street hinter 35 Prozent der Löhne und Gehälter in der Metropole. Dazu kommen die Abgaben der Unternehmen. Für jede Milliarde Gewinn fließen 70 Millionen Dollar in die Kasse der Stadt. Laut aktueller Prognosen dürften die Gewinne der Banken in 2007 auf die Hälfte zurückgegangen sein und bei etwa 3,3 Milliarden Dollar gelegen haben.

Die Probleme der Wall Street bleiben indes nicht im Finanzsektor, sondern ziehen weite Kreise. Denn das Geld der Banker versauert schließlich nicht auf deren Konten. Es fließt in hochpreisige Restaurants, in die Juwelier- und Schmuckläden, in Theater, Opernhäuser und Museen… alle diese Einrichtungen bilanzieren zur Zeit heftige Umsatzeinbrüche. In einigen Steakhäusern in Manhattan sind die Umsätze um bis zu 20 Prozent zurückgegangen.

Noch dramatischer sinkt die Nachfrage nach teuren Wohnungen. Immobilienmakler berichten von Kunden, die von geplanten Millionen-Deals in den Nobelvierteln an der Upper East Side oder in Tribeca plötzlich die Finger lassen, weil sie sich auf ihre künftigen Boni nicht mehr verlassen können.

Diese unerwartete Zurückhaltung der New Yorker Banker löst einen Domino-Effekt aus: Mit der niedrigen Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen werden weitere Arbeitsplätze gefährdet – und damit die Löhne, Gehälter und letzten Endes die Hypotheken zigtausender New Yorker, die von der eigentlichen Zockerei an der Wall Street mindestens ebenso weit entfernt sind wie die Durchschnitts-Amis in Arkansas und Montana.
© Inside Wall Street
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