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Alt 27-12-2007, 13:04   #40
Auf Wunsch gelöscht
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Zumindest ist das Opfer außer Lebensgefahr, das ist die gute Nachricht bei dieser unglaublichen Geschichte. Der 76-jährige Rentner, der am vergangenen Donnerstag von zwei Jugendlichen im U-Bahnhof Arabellapark bespuckt, getreten, als "Scheiß-Deutscher" beschimpft und niedergeschlagen worden war, hat inzwischen das Krankenhaus verlassen, allerdings gegen ärztlichen Rat. Der pensionierte Schuldirektor wollte zumindest einen Teil der Feiertage zuhause verbringen und trotz der Schädelbrüche, die er bei dem Überfall erlitten hatte, Weihnachten nachfeiern.

Die Täter - ein 17-jähriger Grieche und ein 20-jähriger Türke - sitzen mittlerweile in Untersuchungshaft. Sie haben den Überfall auf den 76-Jährigen gestanden. Von Reue kann jedoch keine Rede sein. Der Rentner sei selbst Schuld, ließen sie die Beamten bei der Vernehmung wissen: "Wir waren besoffen." Und wer besoffen ist, ist aggressiv, das hätte der Rentner sehen müssen und da wäre er ihnen halt besser aus dem Weg gegangen. Soweit ihre Sicht der Dinge.

Der Fahrgast hatte die beiden Männer zuvor ermahnt, im U-Bahn-Waggon nicht zu rauchen. Als der 76-Jährige an der Endhaltestelle ausstieg, folgten ihm die Jugendlichen und griffen ihn von hinten an. Die Bilder einer Überwachungskamera halfen schließlich, dass die Polizei die Täter ausfindig machen konnte. Deren Verhalten macht nun selbst hartgesottene Polizisten fassungslos. Als "kaltschnäuzig, uneinsichtig, wurstig" bezeichnet ein Ermittler das Auftreten der Täter, die sich in Selbstmitleid und Zynismus ergehen. Ihm habe, sagte einer der Männer, vom Zutreten so richtig der Fuß weh getan.

In kürzester Zeit hatte die Polizei über die Weihnachtsfeiertage die beiden Täter ausfindig gemacht. Am 24. Dezember erging gegen sie Haftbefehl wegen "versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung". Die beiden Männer sind bei der Polizei schon lange bekannt. Der 17-jährige Grieche hat 23 Eintragungen bei der Polizei - von Fahrraddiebstahl und Cannabis-Konsum über Bedrohung bis hin zu Körperverletzung. Er lebt seit sechs Jahren in Deutschland, hat die Hauptschule in der achten Klasse abgebrochen. Arbeit hat er nicht. Der Vater ist Busfahrer, "eine brave Familie", wie Josef Wilfling sagt, der Chef der Mordkommission. Nur der Junge ist wohl so etwas wie das schwarze Schaf. Mit elf Jahren kommt er nach Deutschland, wird, kaum 13 Jahre alt, zum ersten Mal auffällig, als er mit einem Freund in einem Drogeriemarkt Parfüm aus Verpackungen pflückt und im Raum versprüht. Kurze Zeit später, der Junge ist noch nicht strafmündig, bricht er in der Wohnung eines Schulkameraden ein, klaut Geld, ein Handy und eine Spielekonsole. Mit 14 folgt der erste Fahrraddiebstahl. Bis zum Jahr 2006 ist er bereits mehrmals wegen Körperverletzungs-Delikten aufgefallen. Allein in diesem Jahr ermittelte die Polizei in sieben Fällen gegen ihn.

Ähnlich sieht die Vita des 20-jährigen Türken aus. 39 Einträge bei der Polizei - von gefährlicher Körperverletzung bis hin zu Raub. Der junge Mann ist in München geboren, hat aber die türkische Staatsbürgerschaft. Er hat weder Schul- noch Berufsabschluss und eine Lehre als Einzelhandelskaufmann abgebrochen. Er lebt bei und wohl auch von seiner Freundin, die vor zwei Monaten ein Kind von ihm bekommen hat. In der Wohnung der jungen Frau wurde er auch festgenommen. Beide Täter hatten bereits an einem Anti-Aggressionstraining teilgenommen.

Als Reaktion auf das Verbrechen forderte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) die Anhebung der Höchststrafe für derartige Gewaltverbrechen von 10 auf 15 Jahre. Zugleich plädierte er für die Ausweisung des 20-jährigen türkischen Schlägers. Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) kritisierte dies. "Ich finde es ärgerlich, dass CSU-Politiker immer nach Straftaten sofort dem Gericht vorgreifen und schon wissen, welche ausländerrechtlichen Konsequenzen zu ziehen sind", sagte Ude im Bayerischen Rundfunk. Dass die Haftbefehle auf versuchten Mord lauteten, zeige, dass die Justiz von Herrmann keine Ratschläge brauche. Ude sprach sich für eine Verurteilung des älteren Täters nach Erwachsenenstrafrecht aus. Ude bezeichnete den "feigen Überfall" als ein Beispiel für das "Phänomen der Brutalisierung": Selbst als der Mann bereits am Boden lag, traten die Angreifer ihm noch ins Gesicht.

Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer forderte, der Polizei effektivere Ermittlungsmaßnahmen an die Hand zu geben: "Der schnelle Fahndungserfolg war nur möglich, weil uns Videoüberwachung, Telefonverbindungsdaten und polizeiliche Milieukenntnisse zur Verfügung standen", sagte Schmidbauer der SZ. "Wer Videoüberwachung und die polizeiliche Erhebung von Telefonverbindungsdaten in Frage stellt, macht unsere Gesellschaft ein Stück weit unmenschlicher. Denn er bereitet der Gewalt den Weg, indem er das Entdeckungsrisiko für Gewalttäter stark reduziert."

Die Polizei sucht weiterhin Personen, die am vergangenen Donnerstag den Streit zwischen dem Rentner und den Jugendlichen im U-Bahn-Waggon mitbekommen haben. In dem U-Bahn-Waggon, in dem der Rentner angepöbelt wurde, waren mehr als 20 Menschen. Ob jemand den späteren Angriff im Zwischengeschoss der Station Arabellapark direkt beobachtete, ist unklar. Bislang hat sich niemand als Zeuge gemeldet.

(SZ vom 27.12.2007)
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