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Alt 08-02-2006, 14:46   #9
Stefano
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Die armen Dürken

Türkei nach FIFA-Urteil unter Schock

Bis zuletzt hatte die Verbandsspitze den Fans in der Türkei und sich selbst Sand in die Augen gestreut. Um so größer war das Entsetzen, als die Disziplinar-Kommission der FIFA in Zürich das "gnadenlose" Urteil verkündete.

Die Türkei muss alle Ausscheidungsspiele zur EM 2008 auswärts austragen - und das mindestens 500 Kilometer jenseits der eigenen Landesgrenzen. "Ich bin schockiert", war die erste Reaktion von Fußball-Verbandspräsident Haluk Ulusoy, der erst vor knapp drei Wochen den Platz seines über das Skandalspiel gegen die Schweiz gestolperten Vorgängers Levent Bicakci eingenommen hatte. "Das Urteil ist sehr hart. Mir stehen die Haare zu Berge."

Für Fußball-Begeisterte in der Türkei brach mit dem Verdikt aus Zürich eine Welt zusammen. Erst das unrühmliche Ausscheiden in der Qualifikationsrunde für die WM 2006 in Deutschland und jetzt auch noch die EM 2008 in Gefahr. "Dann hättet Ihr uns gleich aufhängen können", kommentierte das Massenblatt "Hürriyet" die "härteste Strafe in der Geschichte der FIFA". Mit diesem Urteil habe der Weltverband der Türkei in aller Form zu verstehen gegeben: "Euch wollen wir nicht."

Ausgerechnet die Fußballfans, die sich nachweislich nicht an den Ausschreitungen im Stadion von Istanbul beteiligt hätten, würden von der FIFA abgestraft, empörte sich nicht nur der für den Sport zuständige Staatsminister Mehmet Ali Sahin. "Was sind denn die Zuschauer daran schuld?", klagte die Zeitung "Sabah". Die FIFA beraube die Türken des Fußballs, indem sie ihnen verbiete, ihre eigene Nationalmannschaft spielen zu sehen. "Den Tränen in unseren Augen hat die FIFA keine Beachtung geschenkt", jammerte "Milliyet".

Auch Halil Altintop, türkischer Torjäger des 1. FC Kaiserslautern, äußerte sich "sehr enttäuscht". Doch er sieht auch die Realitäten: "Wir können und müssen damit leben. Wir müssen versuchen, durch gute Ergebnisse das wettzumachen, was wir uns selbst eingebrockt haben."

Ohne große Emotionen analysierte auch der türkische UEFA-Vizepräsident Senes Erzik den Ernst der Lage. Die Verantwortung eines Fußballverbandes beschränke sich nicht nur auf das Stadion, sie beginne bereits am Flughafen. Dort waren die Schweizer Spieler seinerzeit mit Sprüchen wie "Willkommen in der Hölle" begrüßt worden. Steine und Eier flogen auf den Bus, der sie ins Hotel brachte. Erzik: "Die Strafe macht eines ganz deutlich: Wir sind knapp an einem Ausschluss vorbeigekommen. Das heißt, die FIFA hätte uns genauso gut von den Ausscheidungsspielen für die WM 2010 ausschließen können."

Gewohnt kämpferisch gaben sich nach dem ersten Schock die nationalen türkischen Funktionäre. "Erst einmal werden wir vor die Berufungskommission gehen", sagte Verbandspräsident Ulusoy. "Wenn dort kein für uns annehmbares Urteil herauskommt, werden wir das internationale Sportgericht anrufen." Denen sei mehr zu trauen, die seien unparteiischer, pflichtete sein Vorgänger Bicakci bei.

Selbstkritik kam von anderer Seite. "Wir haben geerntet, was wir gesät haben", schrieb ein Kommentator der Zeitung "Hürriyet". "Wir werden Einspruch einlegen und vielleicht werden die Strafen ein wenig abgemildert. Aber Tatsache ist, dass unser Image am Boden zerstört ist." Die Türkei solle sich endlich auf guten Fußball besinnen, lautete ein Rezept im Sportblatt "Fotomac": "Wenn wir 2008 in der Schweiz dabei sein wollen, müssen wir lernen, Spiele fair und dank unseres Könnens auf dem Spielfeld zu gewinnen."

Ob die türkische Trainerlegende Fatih Terim dann noch das Team betreuen wird, ließ selbst Verbandspräsident Ulusoy offen. Darüber müsse noch geredet werden. Dass ausgerechnet der türkische Chefcoach ungeschoren davon kommen soll, will auch vielen Schweizern nicht eingehen. "Vom wahren, wenn nicht einzigen Brunnenvergifter in dieser Sache ist im Urteil keine Rede", schrieb die "Neue Zürcher Zeitung". Streng, aber angemessen, lautete das Urteil der meisten Schweizer Blätter. "Die Strafe sollte den Türken nach ähnlichen, folgenlosen Vorfällen eine letzte Warnung sein", schrieb die "Berner Zeitung".
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Ciao Stefano

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