Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 06-06-2005, 13:17   #1
Stefano
TBB Family
 
Benutzerbild von Stefano
 
Registriert seit: Aug 2000
Ort: Hessen
Beiträge: 8.195
Thumbs down Polizeigewalt in den Stadien nimmt zu!

Der Könfö und die WM 2006 stehen vor der Tür und die Sicherheitsvorkehrungen nehmen erschreckende Ausmaße an ...die deutsche Polizei rastet völlig aus

Es sollte eine fröhliche Feier werden - doch statt Spaß und Partylaune herrschten in Alt-Sachsenhausen Hass und Gewalt. Rund 500 Eintracht-Fans hatten sich am Abend des 22. Mai in den Kneipen im Frankfurter Vergnügungsviertel südlich des Mains getroffen, um den Aufstieg ihrer Mannschaft in die Fußball-Bundesliga zu begießen. Als sich einige Fans in einem Lokal prügeln, schreitet die Polizei ein. Die Stimmung ist gereizt, ein paar Flaschen und Gläser fliegen, es gibt erste Rangeleien. Dann machen die Polizisten ernst. Mit Schlagstöcken treiben sie die Fans durchs Viertel, auch Tränengas und Hunde kommen zum Einsatz. Man habe Sachsenhausen nicht den "gewalttätigen Fans" überlassen dürfen, rechtfertigt die Polizei am nächsten Tag den Einsatz. Zahlreiche Eintracht-Anhänger hingegen erklären, die Gewalt sei ausschließlich von der Polizei ausgegangen, von "Hetzjagd" und "Bullenterror" ist die Rede. Mittlerweile untersucht die Frankfurter Polizeiführung, was in Alt-Sachsenhausen vorgefallen ist.

Noch während im Vergnügungsviertel die Fetzen flogen, wurde der Polizeieinsatz auf der Internetplattform der Eintracht-Fans diskutiert. Die Überschrift des Forums, in das die User ihre Beiträge stellten, machte deutlich, was viele Fans derzeit empfinden: "Straßenschlachten in Sachsenhausen - Scheiß WM!"

Längst wertet die Fan-Szene Polizeieinsätze wie in Frankfurt als Vorboten der Weltmeisterschaft 2006. Genauer gesagt: Als Vorboten eines Sicherheitskonzepts, das viele Anhänger ablehnen, "weil sie befürchten, dass es ihnen Freiräume nehmen könnte", wie Thomas Schneider von der Koordinationsstelle der Fanprojekte (KOS) erklärt. Denn das geplante Bündel an Maßnahmen zum Schutz vor Hooligans ist umfangreich: Videoüberwachung in den Stadien und auf öffentlichen Plätzen, befristete Wiedereinführung von Grenzkontrollen, Urlaubssperre für Polizisten, Meldeauflagen für potenzielle Gewalttäter.

Der Jahresbericht Fußball aus der Zentralen Informationsstelle Sport-Einsätze (ZIS) stützt diese Maßnahmen zum Teil. Dort heißt es, vor allem bei den Ultra-Gruppierungen sei eine Steigerung der Aggressivität und eine Solidarisierung gegenüber Ordnungsdiensten und Polizeikräften festzustellen. "Einzelne Aktionen deuten darauf hin, dass bei einigen Ultra-Mitgliedern Tendenzen zu einer hooligantypischen Verhaltensweise erkennbar sind."

Alfred Sengle, der DFB-Sicherheitsbeauftragte, bemüht sich um eine differenzierte Betrachtung: "Die Ultras sind zum Großteil nicht gewaltbereit. Aber wenn sie ständig Getränkebecher auf unbescholtene Besucher werfen und das noch lustig finden und die Polizei daraufhin eingreift, sollte Ursache und Wirkung nicht verwechselt werden." Sengle nennt ein weiteres Beispiel: "Wenn Leute aus einem Sonderzug steigen, der bei der Abfahrt voll mit Bier beladen wurde, ruft das Erscheinungsbild bei der Ankunft oft Ordnungskräfte auf den Plan."

Eine "völlig unangemessene Hysterie" beklagt die bundesweite Interessensgemeinschaft Pro-Fans. "Wenn friedliche Fans sich vom Verband ausgegrenzt und von der Staatsmacht pauschal als Feinde angesehen fühlen müssen, wird das Ziel bei der WM von einer weltoffenen, freundlichen Atmosphäre kaum erreichbar sein", erklärt Pro-Fans. "Die Politik steht unter dem Motto: , Es darf nichts passieren, auf gar keinen Fall'", sagt der Frankfurter Fan-Experte Michael Gabriel, der auch für die KOS arbeitet. Zwar hatte Bundesinnenminister Otto Schily bei der Vorstellung des Sicherheitskonzeptes betont, dass die Stimmung während der WM nicht leiden werde: "Wir werden das so gestalten, dass kein Besucher den Eindruck hat, er lebe in einem Polizeistaat." Doch genau das glauben viele Fans nicht. Immer häufiger sind Klagen aus den Bundesliga-Standorten über vermeintliche Polizei-Willkür.

Beispiel München: Vorletzter Spieltag im Olympiastadion, die Meisterschaft ist längst zugunsten der Bayern entschieden. Die Fans in der Südkurve wollen nur feiern - den Titel und den Abschied vom Stadion. In der zweiten Halbzeit marschiert die Polizei in der Kurve auf, weil Widerstand geleistet worden sei, wie ein Polizeisprecher später zitiert wird. Münchener Journalisten berichten hingegen von Übergriffen der Uniformierten. Am Ende stehen 26 Festnahmen, die Stimmung ist dahin. "Eure Repression geht mächtig auf die Eier", heißt es auf einem Transparent, das die Fans entrollen. Auch Gesänge schallen durch die Arena: "Ihr macht unseren Sport kaputt." Die Sprechchöre gelten der Polizei.

Beispiel Mainz: Nach dem Spiel zwischen Borussia Mönchengladbach und Mainz 05 schlagen Mainzer Fans die Scheiben eines Shuttle-Busses kaputt. Zeitungen berichten von 120 Mainzer Hooligans, die den Bus verwüstet hätten. Dagegen wehren sich das Mainzer Fanprojekt und die Ultraszene Mainz. Zwar hätten die Anhänger die Scheiben zerschlagen, aber nur weil die Polizei Reizgas in den vollen Bus gesprüht und eine Panik gedroht habe. Vorausgegangen seien Rangeleien mit den Beamten, die Gewalt sei größtenteils von "völlig überforderten Polizisten" ausgegangen.

Beispiel Frankfurt: Beim Spiel der Eintracht in Ahlen marschiert die Polizei in der Frankfurter Fankurve auf. Auch diesmal gibt es Schlägereien, auch diesmal sprechen die Fans von überzogenem Vorgehen der Beamten. Aus Protest gegen den Einsatz und gegen in letzter Zeit verhängte Stadionverbote schweigen die Anhänger beim folgenden Heimspiel der Eintracht während der ersten 15 Minuten der Partie. In der Arena herrscht eine Grabesstimmung.

Gemeinsam ist diesen sich häufenden Vorfällen, dass sich später nicht klären lässt, was genau geschehen ist. Immer fühlen sich die Fans ungerecht behandelt und erheben schwere Vorwürfe gegen die Polizei. Und stets streiten die Beamten jede Form von Übergriffen ab und erklären, ihr Handeln sei gerechtfertigt gewesen. "Mir ist keine Auseinandersetzung bekannt, die mutwillig von der Polizei angefangen wird. Möglicherweise mag die Polizei in Einzelfällen härter durchgegriffen haben als nötig", sagt der DFB-Experte Sengle. " Häufig genügt ein kleiner Anlass, um Solidarisierungseffekte auszulösen - dann wiegeln sich die Fans gemeinsam gegen die Polizei auf." Sengle würde sich häufiger das "self-policing" wünschen; die Gruppe regelt Verfehlungen Einzelner selbst. Was nicht einfach ist bei einer Besucherstruktur, die sich verändert hat. Sengle: "Zum einen sind mehr Frauen und besser Betuchte, die VIPs, im Stadion. Zum anderen existiert nach wie vor die bunte Fan-Szene, Kuttenträger oder Ultras, die eine sehr heterogene Gruppe sind. Deren emotionale Zugehörigkeit zum Verein hat sich noch verdichtet."

Unstrittig ist nach Einschätzung von KOS-Experten wie Gabriel, dass auf beiden Seiten die Sensibilität zugenommen hat. Dabei stünden die Chancen auf ein friedliches Turnier nicht schlecht, sagt Gabriel. Nur sollte die Polizei dazu möglichst wenig Präsenz zeigen und nicht ständig ihre Stärke demonstrieren. Gute Stimmung rund um die Stadien sei elementar wichtig, um Randale zu vermeiden. "Eben die kann aber nicht aufkommen, wenn man sich ständig überwacht fühlt." Polizeikonzepte, wonach auch vor und nach Spielen in den Innenstädten jede Begegnung von Fans unterschiedlicher Mannschaften verhindert werden soll, hält Gabriel für unsinnig. Nur wenn sich die Anhänger treffen, könnten sie friedlich miteinander feiern. Polizeiketten und Absperrungen zwischen den einzelnen Gruppen schürten Hass und Gewalt.

Im Wesentlichen stützt sich Gabriel bei seinen Einschätzungen auf die Erfahrungen aus zwei Turnieren. Bei der EM 1996 in England, dem "Mutterland des Hooliganismus", sei mit dem Schlimmsten gerechnet worden. Doch die Organisatoren hätten sich für ein "mutiges Konzept" entschieden und Fan-Begegnungen zugelassen: "Alles blieb friedlich", resümiert Gabriel. Vier Jahre später, bei der EM in Holland und Belgien, hätten die Behörden eine andere Linie gefahren. Vor allem in den belgischen Austragungsorten habe das Motto "null Toleranz" gegolten, bei jeder Kleinigkeit schritt die Polizei ein. "Die Stimmung war schlecht, und am Ende gab es 1400 Festnahmen, aber keine einzige Verurteilung."

In die WM-Vorbereitung ist die KOS einbezogen; geplant sind zahlreiche Initiativen. "Es gilt, dem in der Fanszene weit verbreiteten Gefühl, nicht gewollt und ausgeschlossen zu sein, entgegen zu arbeiten", sagt Gabriel. Einfach dürfte das nicht werden. Beliebt unter den Anhängern in den Stehkurven ist derzeit ein T-Shirt, auf dem das WM-Maskottchen hinter Gittern zu sehen ist. Darunter heißt es: "Die Welt zu Gast - fühl dich wie im Knast!" q: eintracht.de
__________________
Ciao Stefano

Ich wurde nicht gefragt...ob ich geboren werden wollte...
Ich werde nicht gefragt...ob ich sterben will...
also lasst mich LEBEN...wie ich es will...!
Stefano ist offline   Mit Zitat antworten