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Alt 02-06-2005, 12:59   #2452
Benjamin
TBB Family
 
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Beiträge: 10.374
Hallo Jörg,

toller Beitrag von Dir, geht in die Richtung, die ich auch vertrete.

Ein paar Anmerkungen:

"long" positionieren : Habe ich schon gemacht, kleiner Betrag als Positionstrade bei EUR/USD.

USA als Vorreiter für alle Märkte: Das ist meiner Meinung nach ein Denkmuster, das im Laufe der nächsten wenigen Jahre ausläuft. Dann wird zunehmend interessant sein, was die Asiaten, vor allen Dingen China, machen.

Mit dem Abkoppeln der asiatischen Währungen vom US-Dollar wird die Sache einen Meilenstein bekommen: Die USA werden immer weniger ihren moralisch-wirtschaftlich-militärischen Führungsanspruch durchsetzen können.
Meilenstein darf dabei nicht als kurzer Zeitpunkt verstanden werden, bei dem ganz plötzlich epochale Dinge in die Kameras gesagt werden, sondern es läuft bereits jetzt der Prozess, der nur bestimmte Zwischenschritte produzieren wird, die für sich jeweils ein Medienereignis sein werden.

Der Weg ist bereits jetzt vorgezeichnet und imo völlig unumstößlich (auch wenn sich das jetzt sehr ideologisch anhört), man denke nur rein logisch bzw. ökonomisch eine Weile darüber nach: Wenn die Asiaten sich aus dem "Dollar-Raum" verabschieden und damit ein bedeutendes Zeichen setzen werden, dass sie wirtschaftlich den Kinderschuhen entwachsen sind, dann wird der Dollar massiv abwerten - ganz sicher.

Wenn das gegen Ende 2005 und dann vor allen Dingen in 2006 passiert, dann wird eine ganze Lawine von Dingen ausgelöst bzw. verstärkt werden: Zinsen steigen (weiter), überschuldete Haushalte kaufen weniger, Aktienkurse fallen, usw.. Da mögen zwar Stützeffekte beim US-Export auftauchen, aber der zinsbedingte Einbruch beim Konsum und bei den Dienstleistungen wird imo enorm werden und durch diese Effekte beim Export nicht ausgeglichen werden.

Die Leute werden dann in den USA selber immer mehr sparen müssen: Die Kredite sind zu teuer, Tilgungszahlungen werden steigen, Immobilienpreise werden fallen. Die kleinen Leute wird es am stärksten treffen.

Sparen muss die US-Wirtschaft , denn trotz Exportunterstützung, kurzfristiger Gewinnschwemme und Schuldenabbau wird sich ein Finanzloch auftun, das rasch immer größer werden wird: Die Energiekosten. Bislang fast ohne Steuern belegt ist Energie in den USA viel zu billig und wird falsch erzeugt: Mit Öl. Die US-Infrastruktur zur Ölverarbeitung + das US-Stromnetzt sind entsprechend veraltet, die Branchenstrukturen im US-bundesstaatlichen Gewirr unkoordiniert. Und dann wird in nicht mehr ferner Zukunft sowohl der Ölpreis steigen als auch der Dollar fallen, mit dem die USA das Öl bezahlen müssen: Doppelt negativer Effekt! Und die strukturellen Anpassungsmaßnahmen brauchen Jahre zur Umsetzung. Enjoy now and pay later - das wurde hier halt einfach zu lange gemacht, bald kommt die Rechnung dafür.

Sparen muss auch der US-Staatshaushalt - die Steuern werden nämlich sinken, und das bei steigenden Zinsen - und damit Tilgungszahlungen - auf die enormen Schulden der öffentlichen Hand.

Fazit: Anfang 2006 beginnt in den Medien, die "Amageddon is comming"-Stimmung allüberall durchzubrechen. US-Anlagen werden nicht mehr begehrt sein auf den Kapitalmärkten: Kursrutsch.

Eine Auswirkung: Bush wird kein Geld mehr haben für seine Rolle als Weltführungsmacht, sorry. Eine ganz klare Sache. Die Leitfiguren auf der wirtschaftlichen wie auch der militärischen Ebene werden zunehmend in Asien sitzen - ebenso auch die Leitbörsen. Bis dahin wird es sicherlich keine 5 Jahre mehr brauchen, denn die Geschwindigkeit, mit der sich diese US-Strukturdefizite entladen können, könnte viele Marktteilnehmer überraschen. Die Weltbank + Greenspan + diverse Analysten der Banken haben seit vielen Monaten eindringlich und immer wieder vor einer derartigen Entwicklung gewarnt: Dem Risiko, dass Anleger und die ausländischen Staatsbanken eines schönen Tages es nicht mehr als vorteilhaft ansehen könnten, dieses unglaubliche Doppeldefizit zu finanzieren. Eine abrupte Verwerfung sei möglich.

Elliott-Szenarien für EUR/USD:

Nach Elliott läßt sich so ein Crash-Szenario erklären, indem man die erste mehrjährige Aufwertung bis 2004 als Welle 1 bezeichnet. Denn läuft nach meiner Erklärung jetzt die (C-Welle eines expanded Flats als) Korrekturwelle 2, siehe mein Chart-Posting von gestern. Wenn die zu Ende geht - imo im 4. Quartal 2005 - dann startet demnach die "beste" Welle eines Impulses, die Welle 3, und zwar rauf. Das Ende des mehrjährigen Impulses mit all seinen - bereits für sich sehr langen - Wellen wäre erst in vielen Jahren fällig mit EUR/USD-Kursen, die uns derzeit wirklich Angst machen können.

Alternatives Korrektur-Szenario : Weniger angsterfüllend, aber noch schlimm genug: Jenes beinahe 2-jährige expanded Flat (siehe den Chart in meinem Posting von gestern) wird insgesamt als B-Welle einer Korrektur runter bezeichnet. Dann würde sich die Fortsetzung in Form der C-Welle rauf anschließen.

Der Unterschied zwischen Crash- und Korrekturvariante liegt in der geringeren Gipfelhöhe dieser C-Welle im Vergleich zum "Mount Everest", der bei der Impulsvariante erklommen würde. Bei der Korrekturwellenvariante wäre es "nur" das "Matterhorn".

Aber kein Mißverständnis: Bis Ende 2005 ist noch Zeit! Bis dahin fühlen sich die US-Bürger + die US-Unternehmen zunehmend besser - sie genießen vermutlich die letzte Phase eines mehrjährigen Aufschwungs.



Elliott-Bewertung dieses Charts:

Sofern man Elliott-Muster auch auf diese Dinge anwenden kann/mag, dann leite ich folgendes ganz technisch ab: Im Moment läuft bei den Stellen in den USA ab Ende 2001 ein Impuls nach oben, der das Ende der korrektiven Unterwelle 4 kurz vor sich hat (Dreieck) oder bereits hinter sich gelassen hat (klassische abc-Korrektur). D. h. die letzte Impuls-Unterwelle 5 rauf käme noch oder hätte gerade begonnen.
Insofern stimmt das in etwa überein mit meinem obigen Chart von EUR/USD: Beide Charts schauen mir so aus, als ob gegen Jahresende 2005 einerseits das Top bei der US-Arbeitsmarktstatistik erklommen sowie der Boden bei EUR/USD erreicht sein wird. Mal sehen, ob das - wie 'elliottmäßig' zu erwarten - bei der US-Arbeitsmarktstatistik nach oben geht, was auch für satt steigende Aktienkurse sprechen würde.
Zitat:
ich werde mic deshalb entsprechend in den Indices short und im Euro long positionieren.
Bei den Indices wäre ich da sehr vorsichtig: Es könnte viel zu früh sein! Solange es bei der Inflation - und in Folge bei den Zinssätzen - nicht wirklich zu größeren Überraschungen kommt läuft die Show noch eine Weile einfach weiter. Es gibt Elliott-Leute, die sehen einen DAX von 5000. Wenn überhaupt jetzt shorten, dann die Anleihen-Futures. Der Bund-Future könnte heute am 2. Juni 05 ein Top gesehen haben. Da läuft bei mir jetzt ein ganz frischer Positionstrade, ebenso beim japanischen governm. Bond. Allerdings auch diese Shorts könnten noch verfrüht sein: Falls nämlich beim Bund nicht das 'letzte' Top eines EDT (Basis des Trades, aber mit dem Risiko, dass die 3. Welle des EDT zu kurz geraten ist und es sich somit gar nicht um ein EDT handelt sondern erst das Ende einer Unterwelle 3 der 5 erreicht worden wäre, wobei die 5 am 9. Mai begonnen hätte. Falls das stimmen sollte, dann käme beim Bund jetzt Seitwärtsgedaddel als 4 der 5 mit viel später einem leicht höheren Top (als das von heute) als 5.

Übrigens, nebenbei etwas ganz praktisches : Später im Jahr, wenn man den Euro wieder im Rahmen der Unterwelle 5 der C shorten will (siehe meinen Chart), dann kann man doppelt verdienen: Man sollte sich Produkte anschauen, mit denen man das Shorten gegenüber der türkischen Lira machen kann. Bei Shorts verkauft man dann Euros und kauft türkische Lira - und profitiert nicht nur vom Währungseffekt sondern auch noch von den ca. 17% Zinsen, die man in der Türkei bekommt.

Umgekehrt ist die türk. Lira schädlich beim Longtrade des Euros: Dann wirken die 17% gegen den Anleger. Also Finger weg von Euro-Longs gegenüber der türkischen Lira.

Geändert von Benjamin (02-06-2005 um 14:43 Uhr)
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