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Alt 26-04-2005, 19:19   #206
Starlight
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Kritik am einseiten Kampf gegen das Defizit

Der Chemiker Du Pont ist zwar einer der größten der Branche, und seine Aktie ist im Dow-Jones-Index notiert. Doch gehört das Papier im alltäglichen Handel nicht gerade zu den meist betrachteten. Am Dienstag ist das anders. Du Pont illustriert wie kein anderer Wert, wie sehr Unternehmen und Konjunktur zusammenhängen - und wie problematisch das sein kann.

Dass Du Pont die Ertragserwartungen der Analysten im abgelaufenen Quartal nicht erfüllt hat, dürfte den Markt eigentlich nicht auf ganzer Breite drücken. Tut es aber, weil Du Pont für die schwachen Zahlen einen Grund nennt, der Anleger zusammenzucken lässt: Die Rohstoffpreise sind gestiegen. Das kommt nicht überraschend, wenngleich sich der Konzern nicht nur auf das ohnehin von allen Börsianern verfolgte Öl bezieht. Denn schon in der vergangenen Woche haben die stark angestiegenen Produzentenpreise für Panik auf dem Parkett gesorgt.

Mit dem Dow-Wert Du Pont sollte am Dienstag eigentlich der Focus der Anleger auf Corporate America gerichtet sein. Ausgerechnet dank Du Pont blickt nun aber doch wieder jeder auf die Konjunktur, zumal noch weitere Daten veröffentlicht wurden oder in den nächsten Tagen anstehen:

Da wäre zum einen das Verbrauchervertrauen, das am frühen Dienstagmorgen erneut mit einem deutlichen Abschlag gemeldet wurde und weiter nur im zweistelligen Bereich liegt. Da wären aber vor allem auch die Verbrauchereinnahmen und -Ausgaben, über die die Wall Street am Freitag erfahren wird, oder die Bestellungen langlebiger Güter am Mittwoch.

Zum Wochenende schließlich gibt es einen Blick auf die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts im ersten Quartal. Eine erste offizielle Schätzung soll auf ein Wachstum von 3,5 Prozent lauten. Das wäre schwächer als im vierten Quartal des Vorjahres.

Alle diese Zahlen - und vor allem sämtliche Daten im Zusammenhang mit dem BIP - dürften von Anlegern und Analysten in alle Richtungen interpretiert werden, nicht zuletzt mit Blick auf das wachsende Defizit Amerikas. Das hatten zuletzt auch Fed-Chef Alan Greenspan und Finanzminister John Snow wieder angesprochen. Die Lösungswege, die beide Experten vorschlagen, stoßen indes nicht nur auf positives Echo.

So sehr es Zeit wurde, dass ein zumindest offiziell unabhängiger Beobachter wie Greenspan die anhaltend hohen Ausgaben der US-Regierung anprangert, so unzufrieden ist der New Yorker Volkswirt Irwin Kellner mit den Lösungsansätzen. Greenspan, ebenso wie Snow, sähen weiterhin nur einen Weg, das hohe Defizit in den Griff zu bekommen: durch niedrigere Ausgaben.

Nicht minder effektiv wäre es jedoch, die Einnahmen des Staates - Steuern und Anleihen - anzukurbeln. Dass Kellners Vorschlag eigentlich mehr Sinn macht als die Ansätze von Greenspan und Snow, zeigt ein Blick zurück auf die Haushaltsstatistik der letzten Jahrzehnte. Danach liegen die Staatsausgaben von zur Zeit rund 20 Prozent des BIP im historischen Durchschnitt. Die Staatseinnahmen hingegen liegen mit 16 Prozent des BIP deutlich unter den Vergleichswerten der letzten Jahre.

Dass dieses Problem zwei Seiten hat, ist eigentlich offensichtlich. Dass sich Finanzminister Snow dennoch stur gegen die Wiedereinführung der 30-jährigen Staatsanleihen stellt, hält Kellner ebenso für falsch wie Greenspans Konzentration allein auf die Kostenseite.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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