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Alt 11-04-2005, 14:36   #67
621Paul
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Montag, den 11.04.05

Haben wir eigentlich überhaupt eine Chance, die Börse zu begreifen? Etwas verstehen oder begreifen zu können, setzt immer entweder das physische Anfassen (Be-Greifen) voraus – oder zumindest einen passenden Fundus von Begriffen.

Ich denke, dass wir schon bei den Grundbegriffen „Geld“, „Kredit“ und „Defizit“ so gründlich scheitern, dass wir uns jede weitere Diskussion über die Börse eigentlich ersparen können. Jeder versteht unter allem etwas anderes – so dass alle auf ewig aneinander vorbei säuseln. Aber letztlich ist das ja gut so, schließlich funktioniert die Börse nur dann, wenn es – trotz Konstanz und Identität aller Daten – unterschiedliche Meinungen gibt.

Über Geld oder Defizite möchte ich heute nicht reden. Am Wochenende sind mir zwei andere Begriffe aufgefallen: Globalisierung und Wildkirsche. Haben Sie schon einmal einen kirschparfümierten Tee getrunken? Erstaunlich, dass alle diese Teesorten, so künstlich sie auch immer sind, „Wildkirsche“ heißen. Weiß eigentlich überhaupt jemand, was eine Wildkirsche ist? Hat schon mal jemand so etwas gesehen oder angefasst? Ich nicht. Ich kenne nur zahme Kirschen. Wahrscheinlich ist eine Wildkirsche also genau das Gleiche wie ein Leistungsbilanzdefizit. Das kennen alle auch nur vom Hörensagen und niemand weiß so genau, was sich dahinter verbirgt und welche Auswirkungen es hat.

Dass wir in einer „globalisierten Welt“ leben, ist auch eine lustige Geschichte. „Global“ bedeutet, „auf die ganze Welt bezogen“. Und „globalisiert“? „Liberal“ ist „freiheitlich“ und „liberalisiert“ bezeichnet den Prozess, der dahin führt. Also bedeutet „globalisiert“ zu bewirken, dass die Welt sich auf sich selbst bezieht. In einer „globalisierten Welt“ zu leben heißt also in einer Welt zu leben, die darauf hingeführt wird, sich auf sich selbst zu beziehen.

Das klingt irgendwie nach dem Versuch von Schizophrenen, sich Auseinandergefallenes wieder zusammenzubasteln. So als ob die Welt nicht mehr mit sich selbst identisch war – und jetzt dorthin geprügelt werden muss. Vielleicht ist das ja auch – trotz aller Paradoxie – die richtige Erklärung. Der ums sich greifenden Schizophrenierung muss mit allen Mitteln entgegengewirkt werden. Wie unsinnig die Mittel dazu auch immer sein mögen. Der Papst hat uns das ja vorgelebt – und die Pilger leben es nach. Wir brauchen wieder ein stimmiges Weltbild!

berndniquet@t-online.de
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Wenn viele Anleger dasselbe glauben, dann muss dies noch lange nicht bedeuten, dass es stimmt oder wahrscheinlich ist. Das Gegenteil ist oft der Fall.
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