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Alt 23-12-2004, 19:30   #18
vorstandsschreck
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Zehn-Punkte-Programm lückenhaft umgesetzt

Rückzieher bei Managerhaftung: „Bundesregierung knickt ein vor Unternehmenslobby“

16. November 2004 – Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) haben eine kritische Bilanz des Zehn-Punkte-Programms der Bundesregierung zum Anlegerschutz gezogen.

Sie riefen die Koalition auf, die noch ausstehenden Punkte zügig umzusetzen. vzbv-Vorstand Prof. Dr. Edda Müller kritisierte den Rückzieher der Bundesregierung bei der persönlichen Haftung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern gegenüber Anlegern für vorsätzliche oder grob fahrlässige falsche Information des Kapitalmarktes. „Mit diesem Einknicken gegenüber der Unternehmenslobby wird man das Vertrauen der privaten Anleger nicht zurückgewinnen können,“ so die vzbv-Chefin.

Der vzbv und die SdK erinnerten an das Ziel des Anlegerschutzprogramms, das Leistungspotential des deutschen Kapitalmarkts besser auszuschöpfen:
„Im Zweifel können private Anleger ihre Rechte kaum durchsetzen. Deshalb verzichten sie aus Furcht vor unkalkulierbaren Risiken auf die Anlage in Aktien,“ so Edda Müller. „Das ist volkswirtschaftlich schädlich.“

Aus Sicht der beiden Organisationen enthält das Zehn-Punkte-Programm eine Reihe positiver Ansätze zur Verbesserung des Anlegerschutzes. Besonders positiv sei die angestrebte Ausdehnung der Haftungstatbestände für falsche oder unterlassene Informationen des Kapitalmarktes. Die Einführung einer persönlichen Haftung von Vorständen und Aufsichtsräten werde eine abschreckende Wirkung zeigen und als vertrauensbildende Maßnahme wirken. Auch die zumindest teilweise verbesserten Klageaussichten sind zu begrüßen. Diese Reformen waren im vom Bundesfinanzministerium vorgelegten Entwurf für das Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz vorgesehen. Der Gesetzentwurf sollte zusammen mit dem Gesetz zur Unternehmensintegrität und dem Kapitalanlager-Musterverfahrensgesetz ursprünglich am Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedet werden. Er wurde jedoch vom Finanzministerium auf unbestimmte Zeit zurückgezogen. „Man darf solche Dinge nicht nur ankündigen, sondern muss auch die Standfestigkeit haben, sie durchzusetzen“, sagte dazu der SdK-Vorsitzende Klaus Schneider.

„Von dieser „Rückrufaktion“ dieser Gesetzesinitiative geht ein fatales Signal an Anleger, an den Kapitalmarkt und an die Verantwortlichen in Unternehmen aus“, sagte vzbv-Vorstand Edda Müller. Die Marktteilnehmer müssten sich auf durchgehend zuverlässige Kapitalmarktinformationen verlassen können, die Grundlage jeder Investitionsentscheidung und jeder zuverlässigen Preisbildung sind. Außerdem seien Rahmenbedingungen unerlässlich, die bei unrichtigen oder unvollständigen Informationen dem Anleger die Durchsetzbarkeit seiner Ansprüche garantieren.

Maulkorb für Manager?

vzbv und SdK erinnerten an das Ziel der verschärften Haftung für Falschinformationen. Es gehe nicht darum, Managern einen Maulkorb anzulegen. Vielmehr gehe es einzig und allein darum sicherzustellen, dass der Kapitalmarkt nicht auf unverantwortliche Weise mit falschen Informationen versorgt werde. Vorstände und Aufsichtsräte sollten auch ausschließlich für vorsätzlich beziehungsweise grob fahrlässige Falschinformationen haften. „Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass verantwortliche Personen in einem Unternehmen sich hier gewissenhaft verhalten“, so SdK-Chef Schneider. Der heftige Widerstand gegen die Regelung sei bezeichnend.

Das Fazit zur bisherigen Umsetzung des Zehn-Punkte-Programms insgesamt fällt nüchtern aus. In wesentlichen Punkten bleiben die bislang realisierten Maßnahmen hinter den angestrebten Zielen zurück oder führen sogar zu einer Verschlechterung der Rechte von Anlegern. Wichtige Probleme wurden bisher überhaupt nicht aufgegriffen. Zu den Kritikpunkten von vzbv und SdK zählen:




die zu kurzen Verjährungsfristen bei den Schadensersatzansprüchen geschädigter Kapitalanleger,

die fehlende Aufsicht und Kontrolle des Grauen Kapitalmarktes,

die Intransparenz der Arbeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht,

das Problem unangemessen hoher Vorstandsbezüge.


Als gravierenden Rückschritt bezeichnete der SdK-Vorsitzende Klaus Schneider die Beschränkung der Aktionärsrechte im geplanten Gesetz zur Unternehmensintegrität. Die Einschränkung des Fragerechts in den Hauptversammlungen sei ein Angriff auf die Grundrechte von Aktionären. „Hier werden den Aktionären mehr Rechte genommen als gegeben“, so Schneider.

Problemfall Verjährung

Bei der Durchsetzung von Anlegerrechten vor Gericht bilden die gesetzlichen Verjährungsfristen den Dreh- und Angelpunkt: Sie entscheiden, ob Anlegerrechte lediglich auf dem Papier bestehen oder notfalls auch vor Gericht erstritten werden können.

Von der Verschiebung des Kapitalmarktinformationshaftungsgesetzes betroffen ist auch die vorgesehene Anpassung der Verjährungsfristen für Aufklärungs- und Informationsfehler in der Anlageberatung und -vermittlung. Der zurückgezogene Gesetzentwurf zeigte hier eine positive Linie auf: Die relative Verjährungsfrist sollte von einem Jahr ab Kenntnis auf drei angehoben, die absolute Verjährungsfrist von drei auf zehn Jahre verlängert werden. Diese Fristen gelten inzwischen einheitlich für das gesamte Zivilrecht, nur der Bereich der Kapitalanlagen ist bisher noch ausgenommen. Dabei ist Deutschland mit seinen kurzen Verjährungspflichten international eine Ausnahme.

Statt die Verjährungsfristen zugunsten geprellter Anleger zu verbessern, hat das bereits verabschiedete Anlegerschutzverbesserungsgesetz sie dagegen sogar verkürzt. Bei falschen Angaben in Prospekten und bei falscher oder unterlassener Kapitalmarktinformation gelten jetzt Fristen von nur einem Jahr beziehungsweise drei Jahren. „Diese Fristen sind viel zu kurz, um dem Anleger eine reelle Chance auf gerichtliche Durchsetzung seiner Schadensersatzansprüche einzuräumen“, so Edda Müller. „Sie sind somit geradezu eine Einladung, die Anlegerrechte zu missachten.“

Der Bundesrat hatte eine Überprüfung der Verjährungsvorschriften wiederholt angemahnt. Mehrere Anläufe zu einer Verbesserung für den Anleger scheiterten jedes Mal im Gesetzgebungsverfahren, weil die Bundesregierung dem Druck der Anbieterseite nachgab. Es stellt sich die Frage, warum die Verkäufer von Wertpapieren weiterhin wesentlich kürzer haften sollen als die Vertreter anderer beratender Berufe wie etwa Rechtsanwälte oder Steuerberater.

Unkontrollierte Kapitalvernichtung am Grauen Markt

Im Gegensatz zum Aktienmarkt unterliegt der Graue Kapitalmarkt keiner staatlichen Kontrolle. Wegen dieser fehlenden staatlichen Regulierung ist der Graue Kapitalmarkt ein beliebter Tummelplatz für unseriöse Anbieter. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums belaufen sich allein die amtlich festgestellten Schäden auf fünf Milliarden Euro jährlich. Gerade im Hinblick auf die von der Politik propagierte private Altersvorsorge kommt es zunehmend zu Schnellschüssen bei Kapitalanlagen. Viele Anleger haben Angst, dass ihr Geld für den Lebensabend nicht reicht. Dies macht Betrügern das Spiel leichter.

Daher darf der Gesetzgeber seine Maßnahmen zur Bekämpfung des Grauen Kapitalmarktes nicht allein auf Regelungen zu Verkaufsprospekten beschränken. Vielmehr ist auch dieser Markt in wesentlich größerem Maße der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu unterstellen.

Intransparenz der BaFin schadet Anlegern

Geschädigte Anleger haben keine Möglichkeit, die bei der BAFin vorliegenden Ermittlungsergebnisse zu den Hintergründen ihres Schadensfalls zu erhalten. Die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen vor Gericht wird dadurch erheblich erschwert. Der heutige Zustand birgt nach Ansicht von vzbv und SdK einen doppelten Widerspruch: Vom Verbraucher werden auf Grund der Beweislastverteilung Informationen verlangt, die nur die BaFin kennt. Andererseits verlangt aber das Gericht den Beweis von Umständen, die den Behörden längst bekannt sind.

Angemessenheit und Transparenz der Vorstandsbezüge

Die im Zehn-Punkte-Programm angesprochene Angemessenheit und Transparenz der Vorstandsbezüge bezeichneten vzbv und SdK als „ungelösten Problemfall.“ Die Vorstandsgehälter steigen weiterhin auch dann, wenn die Aktienkurse fallen, die angekündigten Unternehmensziele verfehlt werden, wenn Arbeitnehmer entlassen werden oder Lohnkürzungen hinnehmen müssen. Dem sollte durch eine gesetzliche Pflicht zur Offenlegung der Vorstandsbezüge entgegengewirkt werden.

Weitere Maßnahmen in Zusammenhang mit der Angemessenheit und Transparenz der Vorstandsbezüge wurden bisher vom Gesetzgeber völlig vernachlässigt. So wurde bisher keine persönliche Haftung des Aufsichtsrates bei unangemessenen Aktienoptionsprogrammen, keine Verpflichtung zur Rückzahlung überzogener Abfindungen und Vergütungen aufgrund falscher Bilanzen und keine Pflicht zur Ausweisung der Versicherungen zum Schutz vor Haftungsansprüchen eingeführt.


Zum „Outsourcing“ der Gesetzgebungsarbeit

Im Zusammenhang mit dem Zehn-Punkte-Programm wurde bekannt, dass die Bundesregierung bei der Gesetzgebungsarbeit offenbar eine Art „Outsourcing“ betreibt. So wurde beispielsweise das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) in wesentlichen Teilen von Partnern zweier Rechtsanwaltskanzleien erarbeitet und ausformuliert. So fragwürdig dies ganz grundsätzlich ist: Die Kanzleien waren offenbar auch inhaltlich nicht unvoreingenommen: Die beteiligten Kanzleien hatten unter anderem Unternehmen in Zivilverfahren vertreten. Der vzbv und die SdK halten dies für außerordentlich bedenklich. Die Gesetzgebungsarbeit darf auch nicht teilweise in die Hände Dritter gelegt werden. Die notwendige Unabhängigkeit des Gesetzgebungsverfahrens wird hierdurch eklatant beschnitten.

Quelle: Manager Magazin 5/2004
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MfG.
Vorstandsschreck



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Ach, und....... lerne das Eine vom Anderen zu unterscheiden.
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