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Alt 01-03-2004, 18:28   #7
PC-Oldie-Udo
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01. März 2004

Raucher als Eichels Rettung?

Tabaksteuer um 1,2 Cent erhöht


Wenn am Montag die erste Stufe drei weiterer Tabaksteueranhebungen in Kraft tritt, sollten verärgerte Raucher im Nachhinein froh sein, dass das 17. Jahrhundert längst Geschichte ist. Denn damals stand das Rauchen in vielen Ländern unter Strafe, es drohten Gefängnis, in Teilen Deutschlands, in Persien und Russland sogar das Schafott. Doch dauerte es nicht lange, und die Regierenden bedienten sich der Genusssucht als Einnahmequelle.

Allein 2003 strich der Bund nach Angaben des Finanzministeriums 14,1 Milliarden Euro an Steuern auf Zigaretten, Zigarren und Pfeifentabak ein, 300 Millionen Euro mehr als ein Jahr zuvor. Dem waren zwei Tabaksteuererhöhungen jeweils zu Jahresbeginn 2002 und 2003 um je einen Cent pro Zigarette vorausgegangen, die der Finanzierung von Antiterrormaßnahmen nach den Anschlägen vom 11. September 2001 dienen sollten. Der Protest der Zigarettenindustrie verhallte ungehört, und auch die nächsten drei Drehungen der Daumenschrauben konnte sie nicht verhindern: Anhebung der Tabaksteuer um jeweils 1,2 Cent zum 1. März, 1. Dezember und zum 1. September 2005.



Weniger Raucher, mehr Geld und sinkende Kassenbeiträge?

Der Staat will mit diesem, vom Bundestag mit großer Mehrheit gefassten Beschluss drei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Erstens erwarten Politik und Wissenschaft, dass der höhere Preis aus vielen Rauchern Nichtraucher macht, zweitens braucht Finanzminister Hans Eichel dringend die Mehreinnahmen, um sie, drittens, zur Finanzierung versicherungsfremder Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung einzusetzen und damit die Kassenbeiträge weiter zu senken.

Ob freilich die erhofften Mehreinnahmen in Milliardenhöhe auch tatsächlich fließen werden, steht in den Sternen. Experten bezweifeln, dass die zur Stützung des Gesundheitssystems in die Finanzplanung eingestellten Summen von einer Milliarde Euro im Jahr 2004, 2,5 Milliarden 2005 und 4,2 Milliarden Euro 2006 auch nur annähernd von den Tabaksteuermehreinnahmen gedeckt werden können.

Auch die Annahme, das Rauchverhalten werde sich auf Grund höherer Preise kurzfristig signifikant ändern, halten die Experten für blauäugig. Aus einer vom Gesundheitsministerium veranlassten Studie über die Veränderung des Raucherstatus im Jahr 2002 geht hervor, dass der neu erhobene Terror-Cent je Zigarette am Verhältnis von Rauchern zu Ex-Rauchern und Nichtrauchern "keine bedeutsamen" Veränderungen bewirkte.


Schmuggel ernstes Problem

Auch dass die Zahl der in Deutschland verkauften und versteuerten Zigaretten 2003 gegenüber 2002 nach Angaben der Zigarettenindustrie von 145,1 Milliarden auf 132,6 Milliarden gesunken ist, lässt nicht automatisch den Schluss zu, dass weniger geraucht wurde. In Großbritannien, wo die Schachtel Zigaretten wegen drastischer Steuererhöhungen mittlerweile sieben Euro und mehr kostet, ist parallel zur Preisanhebung der Schmuggel ein immer ernsteres Problem: Seit der deutlichen Verteuerung der Zigaretten auf der Insel stellt der britische Zoll Jahr für Jahr mehr als eine Milliarde Glimmstängel sicher, nach deutschen Zollangaben nur ein Bruchteil der illegal ins Land geschleusten Zigaretten und das Doppelte der in Deutschland sichergestellten Schmuggelware.

Das Hauptdilemma sehen die Experten freilich in den jährlich 110.000 Rauchertoten allein in Deutschland und in den 20 Milliarden Euro, die Raucherkrankheiten kosten. Wäre der Staat konsequent, würde er das Rauchen verbieten, denn die gesellschaftlichen Minderausgaben überwögen die Tabaksteuereinnahmen bei weitem. Dass er das nicht tut, ist auf die Erfahrungen vor 400 Jahren zurückzuführen, als auch Kerker und Todesstrafe den Tabak nicht
verdrängen konnten. Und so bleibt es wohl auch künftig dabei, dass der Staat die Raucher rauchen lässt und schlechten Gewissens weiter kassiert.

(N24.de, AP)
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Es grüßt euch
Udo

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