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Alt 14-06-2006, 20:46   #496
Starlight
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Milliardenbetrug nach Katrina

Datenklau und Kreditkartenbetrug sind längst alltäglich geworden, doch wird am Mittwoch ein außergewöhnlicher Fall enthüllt: Opfer ist die US-Regierung – aus eigener Schuld. Unzureichende Sicherheitsmaßnahmen und Pfusch bei der Ausgabe von Kreditkarten an Hurrikan-Opfer haben einen Milliarden-Betrug möglich gemacht.

Ganz überraschend ist es nicht, dass die Rechnungsprüfer in Washington nun ein Dreivierteljahr nach den verheerenden Unwettern zwischen Florida und Louisiana eine Reihe dramatische Fehler im System aufdeckten. Immerhin war längst bekannt, wie unvorbereitet Washington auf die Hurrikans war, wie wenig Priorität die Rettungsaktivitäten in New Orleans und Biloxi hatten und dass es an Fachleuten mangelte, nachdem die Bush-Regierung Schlüsselpositionen in den zuständigen Ministerien mit guten Freunden besetzt hatt, die größtenteils fachfremd waren.

Doch scheint nun auch die eine Maßnahme gründlich schief gegangen zu sein, auf die Präsident Bush und seine Leute im Katastrophendienst FEMA letztlich noch stolz waren: die Soforthilfe für Hurrikan-Opfer, denen man unbürokratisch Kreditkarten über 2000 Dollar austeilte, damit Vertriebene Kleidung, Lebensmittel oder andere Gegenstände des täglichen Bedarfs kaufen konnten.

Dass diese Maßnahme Betrug möglich machen würde, war von Anfang an klar. Doch wie groß das Ausmaß sein würde, überrascht am Mittwoch auch die Experten. Bis zu 1,4 Milliarden Dollar sollen veruntreut worden sein, das meiste davon in kleinen Beträgen von einzelnen Opfern. Da wurde ein Scheidungsanwalt über die Notkarte bezahlt, manche kauften Schmuck, eine Familie buchte Urlaub in der Dominikanischen Republik. Dass große Beträge für Porno-Artikel ausgegeben wurden, dürfte die Konservativen in der Hauptstadt besonders grämen. Auch die 600 Dollar, die ein Katrina-Geplagter im Strip-Club ausgegeben hat, waren ursprünglich für andere Aufwendungen vorgesehen.

Ein weiteres Problem im Zusammenhang mit den Kreditkarten als Soforthilfe, war, das Opfer mit betrügerischen Aussichten recht leicht falsche Sozialversicherungsnummern vorschieben und mehrere Karten ergattern konnten. Geprüft wurden die Anträge nur flüchtig.

Ganze 750 Kreditkarten sind unterdessen komplett verloren gegangen. J.P. Morgan als betreuende Bank kann deren Verbleib bis heute nicht nachvollziehen, damit sind 1,5 Millionen Dollar verschwunden.

Doch nicht alle Betrügereien liefen über die Kreditkarten, auch andere finanzielle Entschädigungen waren fehlgeleitet. Das ist umso schwerwiegender, weil dies – anders als schwer zu überwachende einzelne Transaktionen – durchaus hätte kontrolliert werden können. So aber konnten Tausende von Betroffenen Hotelkosten abrechnen, obwohl sie von der FEMA bereits kostenlos untergebracht waren, allein tausend Gefängnisinsassen rechneten nicht entstandene Wohnkosten ab.

Andere Hurrikan-Opfer gaben zerstörten Grundbesitz an, den es nicht gab. Ein Mann ließ sich 2360 Dollar auszahlen, obwohl er als Wohnsitz einen fantasievoll einen Friedhof angegeben hatte. Einem eingeschleusten Agenten des Rechnugnshofes gelang es, für ein leerstehendes Baugelände Reparaturen an einem beschädigten Haus geltend zu machen – obwohl lokale Behörden der FEMA angezeigt hatten, dass die Adresse nie bebaut war.

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Alt 15-06-2006, 20:44   #497
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Sorge um die Hightechs

Den zweiten Tag in Folge legen die US-Indizes am Donnerstag zu, und dazu scheint auch noch die Sonne. Da würde sich mancher gerne dem totalen Optimismus hingeben, doch das fällt schwer. Eine genaue Marktanalyse belegt, dass es sich bei den jüngsten Kursgewinnen nur um eine technische Erholung handeln kann.

Denn die fundamentalen Probleme bleiben dem Markt erhalten. Die Angst vor schwächerem Wirtschaftswachstum, Inflation und steigenden Zinsen hat Anleger nachhaltig verschreckt. Und da sie mit ihrer Prognose wohl richtig liegen, kündigen sich weitere Verluste an den US-Märkten an. Eine Zinsanhebung auf 5,25 Prozent im Juni-Meeting der Notenbank steht für die Wall Street so gut wie fest, die Chancen auf eine weitere Anhebung auf 5,5 Prozent im August steht laut den Fed-Futures bei 75 Prozent.

Und trotz aller gesamtkonjunkturellen Schwäche gibt es doch einen Sektor, um den sich Anleger zur Zeit besonders Sorgen machen: die Hightechs. Die Nasdaq ist in den letzten Wochen deutlich steiler gefallen als die übrigen Indizes, zwölf Prozent sind dem Index allein im vergangenen Monat abhanden gekommen, womit eine Korrektur definiert ist.

Ein Ende des Abwärtstrend ist für viele Analysten nicht in Sicht, obwohl die zweite Jahreshälfte für die Branche traditionell besser verläuft als die erste. Das liegt nicht zuletzt am Beginn des neuen Schuljahres und dem Weihnachtsfest. Letzteres liegt zwar noch in weiter Ferne, ist in die Umsatzpläne der Elektronik-Einzelhändler aber ebenso eingerechnet wie in die Prognosen der PC-Hersteller, der Chip-Branche und sämtlicher Zulieferer.

Allein, viele von diesen Unternehmen könnten in den nächsten Monaten eine Enttäuschung erleben. Das Wachstum im PC-Sektor, der zusammen mit seinen direkten Zulieferern immerhin 40 Prozent des Hightech-Marktes ausmacht, ist zuletzt dramatisch abgeflacht. Im ersten Quartal des laufenden Jahres lag das Wachstum nur bei 5,3 statt bei erwarteten 6,7 Prozent, noch dramatischer sieht es bei den Laptops aus.

Das hängt mit schwachen IT-Ausgaben der Unternehmen einerseits zusammen, die für eine Phase schwachen Wachstums typisch ist. Andererseits schieben die Analysten einen Teil der Schuld auch Microsoft zu. Der Softwareriese hat den Start seines Vista-Betriebssystems nun mehrfach verschoben, und vor 2007 ist mit dem Programm nicht zu rechnen. Damit dürfte mancher private Kunde wie auch manches Unternehmen die Umstellung auf neue Rechner noch einmal aufschieben.

Wie weit, das ist offen. Entsprechend machen Branchenexperten ihren Kunden zunächst einmal keine Hoffnung. Jeder Rallye sollte als eine gottgesandte Verkaufschance betrachtet werden, meint RBC Capital, wo man von der ganzen Intel/PC-Schiene rigoros abrät.

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Alt 16-06-2006, 21:13   #498
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Der Haussetrend steht zur Disposition

Von Mark Arbeter, technischer Chefanalyst bei S&P

...

http://www.faz.net/aktuell/finanzen/...n-1258825.html
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Alt 16-06-2006, 21:26   #499
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Bill Gates geht… und Ballmer?

Der reichste Mann der Welt hat es satt, weiterhin von früh bis spät im Büro zu sitzen. Bill Gates will sich über die nächsten zwei Jahre langsam aus dem Alltag bei Microsoft ausklinken, er wird sich künftig verstärkt seiner Stiftung widmen. Die Wall Street ist nicht geschockt. Im Gegenteil: Man wartet auf eine weitere Personalie.

„Bill Gates ist unersetzlich“, meinen die Analysten von Pacific American Securities, „ganz im Gegensatz zu vielen anderen CEOs.“ Er habe stets das geschickteste Händchen gehabt, wenn es um die Verbindung von Hightech und geschäftlicher Strategie ging. „Würde Microsoft ihn komplett verlieren, wäre das nicht gut.“ Doch darum müssen sich Anleger wohl nicht sorgen. Zwar notiert Microsoft im Freitagshandel etwas schwächer, doch nimmt der Markt erleichtert zur Kenntnis, dass der Gründer des Software-Giganten seine Tätigkeit einerseits über zwei Jahre hinweg ausklingen lassen und andererseits den Aufsichtsrat weiterhin führen will.

Zudem, das übersehen Insider nicht, hat auch unter Gates zuletzt nicht alles so reibungslos funktioniert, wie die Börse sich das gewünscht hätte. Dass das lange angekündigte Betriebssystem Vista noch immer nicht auf dem Markt und mittlerweile sogar auf 2007 verschoben ist, muss zumindest teilweise dem obersten Software-Strategen zugeschrieben werden.

Auch dass Gates als wichtigster Stratege und Architekt seines Unternehmens die Internet-basierten Programm komplett überging, die jetzt Google und Yahoo massiv wachsen lassen, ist unumstritten.

Mit schuld an allem ist aber auch CEO Steve Ballmer, der sich trotz allem am Donnerstagabend über uneingeschränktes Lob von Bill Gates freuen konnte. „Steve hat in seiner Zeit als CEO viel erreicht und war nach allen Maßstaben erfolgreich“, so Gates – dem nun nicht jeder zustimmt. Allein ein Blick auf die Aktie stimmt nachdenklich. Als Steve Ballmer im Jahr 2000 das Ruder übernahm, notierte MSFT nahe einem Allzeithoch von 60 Dollar, heute ist das Papier noch etwas mehr als ein Drittel wert.

Das liegt einerseits an finanziellen Abenteuern und hohen Kosten, andererseits an einem verunglückten Ausflug in Unternehmenssoftware, mit dem Ballmer dem Konkurrenten Oracle Marktanteile wegnehmen wollte – was nicht klappte.

Microsoft-Kenner rechnen damit, dass Ballmer schon bald seinem Freund Gates in den Ruhestand folgen wird. Drei potenzielle Nachfolger stehen in den Startlöchern, darunter Robbie Bach, der Chef-Entwickler der Xbox, der bisherige Windows- und MSN-Chef Kevin Johnson und Kevin Turner, den man jüngst bei Wal-Mart abgeworben hat.

Ballmer und Gates zu verlieren, sei wiederum nicht ganz einfach für Microsoft, meinen Analysten, doch bräuchte das Unternehmen einen klaren Strich vielleicht viel mehr als Kontinuität mit einem zuletzt erfolglosen Team. Ein neuer CEO könnte die Motivation der Microsoftler heben und das Unternehmen aus der Krise führen.

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Alt 19-06-2006, 20:32   #500
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Vorsicht vor Ethanol-Aktien

Die Sonne ging auf – und schnell wieder unter. Nach nicht einmal einer Woche an der Börse machen sich Anleger Gedanken um den Ethanol-Erzeuger VeraSun, der sein IPO mit einer dicken Rallye feiert und dann unter den Ausgabekurs rutschte. Letzteres geschah zurecht, warnen Analysten. Der Sektor sei nicht so sicher wie manche denken.

Das haben die ersten Einsteiger nun schon bemerkt. Erst Mitte vergangener Woche startete VeraSun einen Dollar über der eigentlich angestrebten Emmissionsspanne bei 23 Dollar in den Handel. Binnen weniger Stunden schoss das Papier auf mehr als 30 Dollar. Dann wurde es manchem mulmig, und zu Beginn der neuen Woche kostet die Aktie nur noch zwischen 25 und 26 Dollar.

Das wiederum ist kein gutes Omen für Hawkeye Holdings und Aventine Renewable Energy, zwei weitere Ethanol-Riesen, die in den nächsten Tagen erstmals Aktien ausgeben wollen. Denselben Hype, der VeraSun so steil hat steigen lassen, werden sie wohl kaum genießen können.

Das wiederum sollte auch nicht sein, mahnen Analysten, im Gegenteil: Vor allem Privatanleger sollten sich nicht allzusehr in den Ethanol-Sog ziehen lassen; die Branche habe nicht die rosigen Zukunftsaussichten, die mancher sich vorstellt.

Der aktuelle Boom nämlich, der Ethanol in alle Munde gebracht hat, sei kein dauerhafter Faktor. Das stimmt. Denn dass einige Staaten den möglicherweise krebserregenden Kraftstoffzusatz MTBE verboten haben, hat zu einer drastisch höheren Nachfrage nach Ethanol geführt, die mit der bestehenden Infrastruktur kaum zu decken gewesen ist. Dies wiederum hat die Ethanolpreise in die Höhe getrieben, die Gallone kostet zwischenzeitlich 4,25 Dollar statt der noch zu Jahresbeginn üblichen 1,85 Dollar.

So sind die Gewinnmargen für VeraSun und andere Ethanol-Vertreiber hoch. „In einem solchen Umfeld macht es für ein Unternehmen durchaus Sinn, an die Börse zu gehen“, meintMichael Judd, Ethanol-Experte von Greenwich Consultants. „Was es dem Anleger bringen soll, ist schwer zu sagen.“

Denn offensichtlich werden die Margen am Ethanol-Markt wieder einbrechen, sobald die Infrastrukur verbessert ist und die Nachfrage nach dem Treibstoffzusatz normal gedeckt werden kann. Neue Ethanol-Raffierien sind in Planung, durch deren Inbetriebnahme das Angebot explosiv steigen wird. Zur Zeit werden in den USA etwa 4,6 Milliarden Gallonen des Mais-Produkts verarbeitet. Ab nächstem Jahr könnten es 2 Milliarden Dollar mehr sein, wenn alle begonnen Werke planmäßig fertig werden.

Erst dann wird sich zeigen, mit welchen Margen die Ethanol-Branche langfristig planen kann. Erst dann lässt sich über eine langfrsitige Anlage nachdenken, wobei sicherlich viel für die Branche spricht. Immerhin setzen sich auch in den USA Umwetschutzgedanken durch, dass Ethanol sauberer verbrennt als MTBE, dürfte dem Zusatz eine Zukunft sichern. Anleger sollten daran nicht zweifeln, sie müssen sich nur über die faire Bewertung der Papiere im Klaren sein.

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Alt 21-06-2006, 20:44   #501
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Bier und Wein, das ist fein

Wie erfolgreich Anheuser-Busch sein wird, wenn man dieser Tage als Hauptsponsor der Fußball-WM versucht, das amerikanische Dünnbier auch im europäischen Ausland zu platzieren, ist offen. Doch der Absatz außerhalb der Staaten ist nicht das einzige Problem des Brauers, vielmehr sorgt man sich auch um die Trinker im eigenen Land.

Seit Jahren nämlich verlagert sich die Nachfrage der Kunden immer mehr von Bier auf Wein und Spirituosen. Sicher, es mag regionale Ausnahmen geben: In der Bier-Metropole Milwaukee ist der Gersten-… pardon: in den USA natürlich Mais-Saft noch immer Hauptnahrungsmittel. Und wo immer sich deutsch-amerikanische Einwanderer nidergelassen haben, hebt man lieber den Bierkrug als den Römer – zu verfolgen ist das zur Zeit bei zahlreichen deutsch-amerikanischen Festen entlang der US-Ostküste.

Doch diese Bier-Oasen können nicht darüber hinweg täuschen, dass der Bier-Anteil am amerikanischen Alkoholmarkt in den letzten zehn Jahren 5 Prozentpunkte verloren hat.

Wo der größte Brauer im Lande diesen Trend nicht ändern kann, passt man sich zumindest an. Wie Anheuser-Busch-Präsident und Gründer-Urenkel August Busch IV in einer Rede hat durchblicken lassen, ist man durchaus interessiert, im eigenen Haus und über das etablierte Lieferanten-System auch andere alkoholische Drinks zu vertreiben. Einen Anfang hat man ja vor einigen Jahren gemacht, als man das Malzgetränk Bacardi Silver in Kooperation mit dem puertoricanischen Rum-Riesen startete.

Experten rechnen damit, dass Anheuser-Busch entweder die Bacardi-Kooperation ausbauen und direkt im Rum-Geschäft mitspielen könnte, oder dass man ein Joint Venture mit der Destillerie Brown-Forman eingehen könnte, dem Haus von Jack Daniel´s.

Nicht nur für Anheuser-Busch wäre eine solche Kooperation günstig, auch eventuelle Partner könnten massiv profitieren. Wer nämlich das bislang sehr exklusive Vertreibernetz der Firma mit seinem 570 unabhängigen Großhändlern und tausenden von Trucks nutzen darf, kann auf steigenden Umsatz landesweit zählen – und Kosten senken. „Bisher hat Anheuser-Busch eine sehr restirktive Politik gegen Partner und Konkurrenten gefahren“, meint der Getränke-Analyst Mark Swartzberf von Stifel Nicolaus. „Jetzt schlägt man einen wärmeren Ton an.“

Bleibt die Frage, womit der Bud-Brauer und die künftigen Partner auf ihre kommenden Kooperationen anstoßen werden. Mit Bier geht das ja schlecht, vielleicht aber bald mit anderen Anheuser-Busch-Produkten.

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Alt 22-06-2006, 20:33   #502
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Nett ist das neue Böse

Im Prinzip ist es schon einmal schändlich, dass Gut und Böse heutzutage als Trends gehandelt werden. Doch gelten an der Wall Street und in Corporate America eben sehr eigene moralische Maßstäbe, man mag das begrüßen oder verurteilen.

Erfreulich ist aber, dass der aktuelle Trend zum Guten geht. Amerikanische Bosse würden seit einiger Zeit freundlicher, hat die Unternehmensberaterin Linda Kaplan Thaler ermittelt und in einem Buch niedergeschrieben, das im Herbst auf den Markt kommen wird. Die neue Freundlichkeit gehe in zwei Richtungen: So behandelten die Chefs ihre Mitarbeiter besser und präsentieren sich und das Unternehmen nach außen hin positiver.

Warum tun sie das? Die Antwort ist ernüchternd: Weil es sich auszahlt. In bar. Eine freundliche Atmosphäre im Unternehmen hält wegen kürzerer Kandidatensuche und längeren Vertragslaufzeiten die Personalkosten niedrig. Es gibt weniger Klagen vor Gericht, in denen sich Mitarbeiter ausgenutzt und schlecht behandelt fühlen. Die Nebenkosten sinken, da gut behandelte Mitarbeiter zufriedener und gesünder sind. Unter´m Strich bleibt die Erkenntnis: In freundlich geführten Firmen steigt die Produktivität.

Auf der anderern Seite klettert auch der Umsatz. Unternehmen mit einem positiven Image werden vom Kunden eher frequentiert, wie unter anderem Lee Scott von Wal-Mart nachgewiesen hat. Dessen Schmusekurs hat den noch vor zwei Jahren total verrufenen weltgrößten Einzelhändler vom frauenverachtenden Umweltsünder (fast) wieder zum verbraucherfreundlichen Schnäppchenmarkt verwandelt. Das mag sich bisher noch nicht ausgezahlt haben, könnte in der Zukunft aber zu weniger Bürgerprotesten gegen neue Supercenter und dadurch wieder zu mehr Wal-Mart-Umsatz führen.

Wichtig bei aller Freundlichkeit ist, so Expertin Kaplan Thaler, dass die Bosse ihren Stil konsequent durchziehen. Immerhin sprächen sich im Zeitalter der schnellen Google-Suche kleine Ausrutscher, Skandälchen und Betrugsfälle sofort global herum – dann leidet die Glaubwürdigkeit.

Wo Unternehmen lange Jahre gedacht hatten, dass nur eine strenge Hand Erfolg ins Unternehmen bringen und den Shareholder-Value mehren könnten, ist die neue Strategie für den modernen Boss klar: Es geht auch anders herum, und vielleicht noch erfolgreicher. Nett ist das neue Böse.

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Alt 23-06-2006, 20:52   #503
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Gourmets streiten um „Lobstergate“

Keiner weiß, wo der Markt zur Zeit hin will, die US-Börsen finden keine Richtung. Einzig positiver Aspekt: Langweilig wird es nicht. Was Anleger am wenigsten mögen, ist die Börse im Krebsgang – andere Krustentiere kommen besser an. Hummer zum Beispiel, beim Dinner nach einem gelungenen Deal.

So interessiert sich die Wall Street sehr für die kleine Meldung einer Supermarktkette, die den Kurs der Aktie nicht sehr bewegt, aber die Gemüter. Whole Foods Markets, unter Börsianern bekannt als einer der stärksten Performer im Einzelhandel, will künftig keine lebendigen Hummer mehr verkaufen, da diese in den Aquarien im Verkaufsraum nie artgerecht gehalten würden und zudem vor einem grausigen Tod im Kochtopf des Kunden stehen würden.

Für Whole Foods war die Entscheidung nicht leicht, künftig auf den frischsten aller Leckerbissen zu verzichten – allein, man bleibt damit dem Konzept treu, das die Kette so erfolgreich gemacht hat. Whole Foods ist nicht nur Supermarkt, sondern vor allem Marktführer im Bio-Bereich. Man vertreibt ökologisch korrekte Kost, hat vor Jahren bereits den Verkauf von Foie Gras eingestellt und Hühnereier gibt es ausschließlich aus Freilandhaltung. Auf der Website finden sich Tips zum Einstieg in einen vegangen Lebensstil.

Dass Whole Foods bisher lebende Hummer im Angebot hatte, hängt mit der langjährigen Unsicherheit über das Schmerzemfpinden der Krustentiere zusammen, die in diesen Tagen anhält. Hummer-Liebhaber, denen nichts über einen lebendig gekochten Leckerbissen geht, bestreiten vehement, dass der Hummer mit seinem rudimentären Nervensystem Schmerzen empfindet, die Tierschützer von PETA sehen das anders. Sie stützen sich auf aktuelle Studien aus Schottland und Norwegen, die schließlich auch das Management von Whole Foods überzeugt haben. Obwohl diesen eigentlich an einem gegenteiligen Befund gelegen hätte.

Dass Whole Foods nun auf den Verkauf von Hummern verzichtet, bringt der Kette nicht nur Lob ein. Und e sind nicht nur egoistische Gourmets, die sich beschweren, nein, das Thema ist ein Politikum geworden. „Ich finde diese Entscheidung idiotisch“, meint Hannah Pingree, die demokratische Abgeordnete aus North Haven im Bundesstaat Maine. In ihrem Wahlkreis leben hunderte von Hummerfischern, und die Politikern sorgt sich um die Branche.

Wirtschaftlich ist die Sorge berechtigt: Aus Maine kommen 85 Prozent der amerikanischen Lobster-Ernte, und das sind immerhin bis zu 350 Tonnen pro Jahr. Am Verkauf von Hummern hängen damit viele Arbeitsplätze, und entsprechend verstört reagieren auch andere Experten in den betroffenen Gegenden. Man bemühe sich so sehr um artgerechten Fang, betont Patrice McCarron von der Hummerfischer-Vereinigung. „Wir schützen Jungtiere und Weibchen, und jetzt kommt plötzlich der Supermarkt und will unser Produkt nicht mehr.“

Nun, ganz so schlimm ist es nicht. Whole Foods wird weiterhin Hummer im Angebot haben, nur nicht mehr den lebendigen mit Gummibändern um die Zangen. Im Tiefkühlregal wird man das leckerste Produkt aus Maine weiterhin finden, und nach neuesten Studien des Hummer-Werbeverbandes dürften sich die Umsatzeinbußen damit in Grenzen halten. Die meisten Amerikaner essen ihren Hummer nämlich ohnehin geschnitten und gemeinsam mit Nudeln oder anderen Gerichten – der Verzehr von frisch gekochtem Hummer am Stück macht nur einen kleinen Teil des Umsatzes aus.

Und dieser wiederum bricht ja nicht weg. Wer hat denn je seinen Hummer zuhause selbst ins kochende Wasser geworfen? Die meisten Gourmets genießen den Leckerbissen doch im Restaurant, und deren Einkäufer werden auch weiterhin die Lebendware auftreiben und zubereiten können – nur eben nicht bei Whole Foods, sondern auf dem Fischmarkt.

Damit dürfte die Entscheidung, keine Lebend-Hummer mehr zu verkaufen, die Branche nicht allzu sehr belasten. Doch auch bei Whole Foods dürften sich die Einbußen in Grenzen halten. Das konsequente Festhalten an ökologischen und tierschützerischen Aspekten dürfte die Ausnahmestellung des Unternehmens in der Branche unterstreichen und für einen weiteren Kundenschub führen.

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Alt 27-06-2006, 18:23   #504
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GMail, GPack, GBuy… GEverything

Angriff ist die beste Verteidigung, sagt man sich bei Google. Fast regelmäßig einmal die Woche stellt der Online-Konzern ein neues Produkt vor, mit dem man in neue Märkte eindringt und etablierten Konzernen Marktanteile abgräbt. Neuestes Opfer ist das Auktionshaus Ebay, dessen Bezahlsystem PayPal bald mit GBuy konkurrieren muss.

Das wird Ebay umso härter treffen, als man mit PayPal bislang so etwas wie ein Monopol hatte. Der Bezahldienst war der einzige im WWW, über den Kunden Geld versenden konnten, ohne finanzielle Daten wie Kreditkartennummer und Institute preisgeben zu müssen. Hatte PayPal einmal diese Daten, ließen sich Zahlungen auf allen möglichen Einkaufsseiten per Passwort erledigen.

Ganze 11,3 Prozent des Geldverkehrs im Internet laufen zur Zeit über PayPal, damit hat sich Ebay ein gutes Stück vom Kuchen abgeschnitten. Doch nun hält Google die Gabel in der Hand und will mitfuttern. Den zeitlichen Rückstand auf Ebay dürfte man schnell wett gemacht haben. Denn während Ebay-Kunden nach gewonnenen Auktionen fast zwangsläufig zu PayPal gelandet werden, kann Google über seine Suchmaschine alle anderen Internet-Shopper bedienen. Wer auf Google – oder der Einkaufstochter Froogle – nach Waren sucht, bekommt gleich angezeigt, welcher Anbieter GBuy akzeptiert. Ein Klick, und der Kunde landet im Bezahldienst der Suchmaschine, die zudem einen weiteren Vorteil hat:

„Ich werde auf jeden Fall über Google bezahlen“, zitiert das Wall Street Journal am Dienstagmorgen einen Internet-Shopper, der nicht nur die Technologie von Google schätzt, sondern auch die Neutralität des Unternehmens. Anders Ebay nämlich verkauft Google keine Ware selbst und betreibt auch keinen eigenen Marktplatz.

Was Google unterdessen zumindest am Anfang behindern könnte, sind die Kosten für GBuy. Nach ersten Verlautbarungen sollen Verkäufer eine Gebühr von 2,2 Prozent plus 30 Cent an den Bezahldienst richten. Damit verlangt man mehr als PayPal, wo 1,9 Prozent plus 30 Cent pro Transaktion fällig werden. Ebenso wie zahlreiche Ebay-Händler aus Kostengründen PayPal nicht akzeptieren, dürften einige Online-Läden sich gegen GBuy wehren und – wenn überhaupt – den günstigeren von zwei Konkurrenten wählen.

Wie schnell und wie weit Google in den Markt von PayPal und Ebay eindringen kann, ist damit natürlich offen. Klar ist aber, dass das Unternehmen, das einst als einfache Suchmaschine begonnen hat, immer aggressiver wächst. Nachdem man Yahoo und andere Suchmaschinen schon vor Jahren entthront hat, hat sich Google zuletzt mit sämtlichen Internet- und Softwarefirmen angelegt, deren Produkte man irgendwie nachahmen könnte.

So hat Google längst seinen eigenen kostenlosen Email-Dienst, eine Bildertauschseite wie zuvor Yahoo, und seit neuestem einen eigenen Multimedia-Spieler in einer kostenlos herunterladbaren Arbeitsleiste. Dem Computerriesen Microsoft macht Google mit eigenen Textverarbeitungs- und Tabellenprogrammen Konkurrenz, die einst unersetzliche Teile im Windows-Office waren und heute kostenlos im Netz stehen.

Andere Programm, Hilfsprogramm wie Bildschirmschoner und Virenschutz, hat man bereits vor einem Jahr im GPack zusammengefasst und damit einer Vielzahl kleinerer Anbieter Umsatzchancen entzogen.

Auch Apple kommt nicht ungeschoren davon: Seit einigen Wochen stellt Google Video-Kontent ins Netz, der entweder von Werbung finanziert wird (Musikvideos) oder für 1,99 Dollar gekauft werden kann (TV-Sendungen wie „CSI“). Damit wildert man ganz klar in dem Revier, das bisher iTunes bestellt hat.

So schafft sich Google keine Freunde, ist aber zweifelsohne auf Expansionskurs und scheint nicht aufzuhalten zu sein. Anleger begrüßen das. Zwar präsentiert sich Google im Dienstagshandel nicht von der allerbesten Seite, doch steht man im Vergleich zu anderen Internet-Aktien solide im Markt.

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Alt 28-06-2006, 20:54   #505
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Amerika soll „Smart“ werden

Dass Dr. Dieter Zetsche am Dienstag in New York den prestigeträchtigen Vernon A. Walters-Award der Atlantik-Brücke ohne stehende Ovationen entgegennehmen musste, hatte nur einen Grund: Zu viele lange Reden, Laudatio und Preisverleihung waren vor den Hauptgang gelegt worden, das Publikum war erschöpft. Zu tosendem Applaus reichte die Kraft dennoch.

Der CEO von DaimlerChrysler galt vielen Gästen bei der jährlichen Gala der deutsch-amerikanischen Atlantik-Brücke als der verdienteste Träger in der langjährigen Geschichte des Preises, der nach dem früheren amerikanischen Botschafter in Deutschland benannt ist. Kein Wunder, ist Zetsche doch CEO des einzig wirklich deutsch-amerikanischen Konzerns. Zudem war er es, der den lange umstrittenen Merger zwischen dem sehr deutschen Unternehmen Daimler und dem sehr amerikanischen Unternehmen Chrysler überhaupt erst funktionierten machte.

Das war nicht einfach, wie Laudator Joseph Califano erinnerte. Der frühere US-Gesundheitsminister, den Lee Iacocca in den Achtzigern in den Chrysler-Vorstand berief, und der den Merger und die Bemühungen Zetsches aus nächster Nähe miterlebte, fand den treffenden Vergleich: „Daimler und Chrysler passten zusammen wie Apfelkuchen und Sauerkraut. Kritikern in Deutschland und den USA hat die Sache nicht geschmeckt.“ Zu unterschiedlich sei die Unternehmenskultur beider Firmen gewesen, und entsprechend skeptisch sei der Vorstand gewesen, als „dieser Mann aus Stuttgart mit seinem Walross-Bart“ ankam und sich als der neue Chef vorstellte.

Heute ist man bei Chrysler voll des Lobes über den Chef. Zetsche hat in den letzten Jahren nicht nur die zweite Auferstehung des legendären US-Herstellers verantwortet, sondern dabei vor allem stets die amerikanische Komponente der Konzernführung beachtet und perfekt in die des deutschen Partners integriert. Das klappte vor allem, weil Zetsche bereits vor Amtsantritt in Detroit Amerika-Erfahrung hatte, Land und Leute kannte und verstand.

Genaue Kenntnis der amerikanischen Seele ist auch Voraussetzung für das neueste Projekt von Zetsche. Einen Tag nach Entgegennahme des deutsch-amerikanischen Preises machte das Unternehmen am Mittwoch offiziell, was bereits in den letzten Wochen durchgesickert war: Der Smart soll die USA erobern. Das ist umso spannender, als der Kleinstwagen auf deutschem Mist gewachsen ist und zwischen New York und Los Angeles gegen die gleichen Kulturdifferenzen ankämpfen muss, denen sich Daimler bei Chrysler gegenüber sah.

Amerikanern nämlich ist das Auto allgemein mehr als nur ein Transportmittel. Im Land von Pickup-Truck und SUV ist größer immer noch besser, der kleine Hüpfer mit gerade einmal 2,5 Metern Länge und 1,5 Metern Breite sorgt beim US-Publikum in allererster Linie für Gelächter.

Doch sind Zetsche und sein Smart-Importeur Roger Penske von der United Auto Group sicher, dass vielen das Lachen im Halse stecken bleiben wird. Aufgrund steigender Spritpreise dürften manchen die 75 Meilen begeistern, die Smart-Fahrer im Optimal-Fall aus einer Gallone Sprit herausholen können – drei Mal so viel wie die meisten US-Modelle schaffen.

Die steigenden Öl- und Benzinpreise spielen dem Smart also in die Hände, doch muss man auch in anderen Bereichen Imagearbeit betreiben. Die Sicherheit des Hüpfers, die trotz verstärktem Chassis und einem ausgeklügelten Airbag-System alles andere als offensichtlich ist, muss beim Kunden ankommen, ebenso die Tatsache, dass der Kleine durchaus zum Transport von Einkäufen ausreicht.

Das größte Problem indes wird sein, praktisches Denken beim US-Kunden dominant zu verankern. Wer mit dem Auto Männlichkeit und Potenz verbindet, wird am Smart schulterzuckend vorbeilaufen. In den Ballungszentren New York, L.A., San Francisco und Seattle aber, die der Smart ab Ende 2007 zuerst ansteuern wird, dürfte sich ein Sinneswandel am ehesten herbeiführen lassen.

Zumal der Preis von 15 000 Dollar durchaus für den Kleinen spricht, der sich in einem Testlauf in Kanada bereits bewährt hat. Statt der anpeilten 2000 wurden im Testzeitraum 4000 Wagen abgesetzt, und solche Zahlen lassen die Smart-Partner Zetsche und Penske optimistisch in die Zukunft blicken.

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Nach der Fed ist vor der Fed

Die Notenbank hat den US-Leitzins um 25 Basispunkte auf 5,25 Prozent angehoben. Dieser 17. Zinsschritt in Folge war am Markt erwartet worden. Wichtiger für Anleger: Eine neue Formulierung in der Presseerklärung lässt erkennen, dass eine weitere Zinsanhebung im August alles andere als zwingend ist.

Zwar könnten weitere zinspolitische Eingriffe zur Stabilisierung der US-Wirtschaft durchaus möglich werden, gesteht der Offenmarktausschuss um Ben Bernanke ein. Immerhin sei ein gewisses Inflationsrisiko nicht von der Hand zu weisen, was am besten an hohen Rohstoffpreisen abzulesen sei und an dem Umstand, dass zuletzt auch die Kerninflation etwas zugenommen habe.

Wann und wie stark man solche Schritte vornehme, soll hingegen verstärkt von dem sich stets wandelnden Ausblick für Inflation und Wirtschaftswachstum anhand der in nächster Zeit anstehenden Konjunkturdaten abhängig sein. Ein weiterer Zinsschritt um 25 Basispunkte auf 5,5 Prozent im August-Meeting der Fed ist damit wohl nicht ausgeschlossen, aber zumindest weniger wahrscheinlich als Experten gemessen an den Fed-Futures bisher erwartet hatten.

Die Märkte reagierten euphorisch auf diese Nachricht: Die Blue Chips verdoppelten binnen weniger Minuten ihre Tagesgewinne und stehen stabil im dreistelligen Plus. Die Zinsen für zehn- und dreißigjährige Staatsanleihen sind indes drastisch eingebrochen.

Auffallend ist kurz nach der Fed-Sitzung aber erneut, wie wenig neue Information doch seitens der Notenbanker kommt. Das Kommittee fasst auch nach intensiver zweitägiger Sitzung nur zusammen, was jeder halbwegs interessierte Marktbeobachter seit Wochen und Monaten weiß: Der Immobilienmarkt kühlt ab, das Wirtschaftswachstum ist schwächer als in den vergangenen Quartalen, bisherige Zinsschritt wirken sich nur zeitverzögert aus.

Das alles wusste man schon vorher, und so lässt sich am Ende auch nach der lange erwarteten Fed-Entscheidung nur eine Vorhersage mit Sicherheit treffen: Auf dem Parkett und in den Tradingrooms wird die Diskussion um die weitere Zinspolitik in der nächsten Woche mit derselben Intensität weitergehen mit der sie dem Handel in den letzten Wochen die Orientierung genommen hat.

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Alt 30-06-2006, 21:02   #507
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Superman hilft Corporate America

Die Welt braucht Helden: Das Schicksal der Wall Street hängst an Ben Bernanke, der deutsche Fußball verlässt sich ganz auf Jürgen Klinsmann. Für alle anderen ist Superman zuständig, der ab diesem Wochenende gegen das Böse kämpft – und für die Umsätze bei Warner Brothers, Burger King, PepsiCo, Duracell und vielen anderen.

Ob Superman seiner Aufgabe gerecht werden und Corporate America durch flaue Sommerwochen tragen kann, ist allerdings nicht unumstritten. Der Held mag durch Mauern blicken und fliegen können, übermenschliche Kräfte haben und unverwundbar sein. Doch ob er ein Vierteljahrhundert nach seinem größten Leinwandabenteuer noch einmal zig Millionen Fans ins Kino locken kann, ob er den Cola-Verkauf oder die Nachfrage nach Alienware-Notebooks und Klamotten von Belstaff ankurbeln kann, ist nicht sicher.

Manche Analysten sind von vorab pessimistisch: Der Marken- und Marketingspezialist Rob Frankel sieht für die meisten offiziellen Superman-Partner schwarz. „Superhelden haben viel von ihrer einstigen Wirkung verloren“, meint er und schreibt das nicht zuletzt dem Promi-Overkill der letzten Jahre zu. Es kaufe keiner mehr eine Handtasche, nur weil irgendeine Sängerin diese trage, meint Frankel, und so werde das Superman-Logo auch kaum einen Kunden überzeugen, ausgerechnet einen Fernseher von Samsung oder Motoröl der Marke Quaker State zu kaufen.

Von allen Promotionen dürfte am Ende nur einer profitieren: Superman selbst, dessen auf allen möglichen Produkten und Broschüren gegenwärtiges Konterfei vielleicht doch den ein oder anderen Fan ins Kino lockt. Das wiederum freut das Management bei Time Warner, dem Mutterkonzern von Warner Bros., die „Superman Returns“ als teuersten Streifen aller Zeiten produziert hat und damit ein großes Risiko eingegangen ist.

260 Millionen Dollar hat das zweieinhalbstündige Spektakel gekostet, dessen Spezialeffekte noch atemberaubender sein sollen als alles bisher dagewesene. Dass Superman nun aber durch explodierende Flugzeuge fliegen und sonstige Tricks in Farbe und Stereo aufführen kann, heißt noch lange nicht, dass Warners Kalkulation aufgeht. Da die Ticketumsätze zwischen Warner und den Kinos geteilt werden, müssen immerhin mehr als 500 Millionen Dollar eingespielt werden – mehr schaffte bisher nur „Titanic“.

Erschwerend kommt hinzu, dass Warner nicht allzusehr auf das Ausland bauen kann. Superhelden laufen dort schlechter als in den Staaten, und während jüngste Kinohits wie „Da Vinci Code“ oder „Terminator 3“ mehr als die Hälfte ihrer Fans in Europa fanden, dürfte das Interesse an Clark Kent und seinen Abenteuern dort verhältnismäßig gering sein.

Ganz hoffnungslos ist das Unternehmen dennoch nicht. „Superman ist immerhin der größte Held aller Zeiten“, beruhigt der Kino-Analyst Gitesh Pandya von Boxofficeguru.com. „Er dürfte deutlich besser laufen als die Konkurrenz.“ Tatsächlich sind die Ticket-Vorbestellungen viel höher als zuletzt bei „Batman Begins“ und „X-Men“. Die Zeichentrickkisten aus Disney/Pixar´s „Cars“ dürfte man ohnehin in der ersten Woche überholen.

Dass Superman von allen Helden der bekannteste ist, macht auch dem Zweifler Frankel ein wenig Hoffnung. Wenngleich die Umsätze mit Kino-Merchandise schwächer wären als vor ein paar Jahren, dürfte Superman doch noch am ehesten die Geldbeutel der Verbraucher öffnen. „Mindestens drei Generationen kennen Superman“, meint Frankel. „So wollen nicht nur die Kids entsprechende Artikel kaufen, sondern auch Vater und Großvater, die bezahlen müssen, freuen sich mit.“

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Alt 06-07-2006, 20:56   #508
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Tabak-Konzerne atmen auf

Eine Entscheidung in letzter Minute lässt am Donnerstag die Tabak-Aktien klettern. Wenige Stunden vor Beginn der Sommerpause hat der Oberste Gerichtshof von Florida ein 145-Milliarden-Urteil gegen Altria und andere Branchenriesen revidiert, die mehr als zehn Jahre lang auf einen endgültigen Schiedsspruch gewartet hatten.

Mit dem Urteil vom Donnerstagmorgen dürfte der „Fall Engle“ ein Ende gefunden haben. Mit mehr als zehn Jahren ist er damit einer der langwierigsten Schadenersatzprozesse in der Rechtsgeschichte der Vereinigten Staaten. Einer der meist diskutierten ist er ohnehin, nicht zuletzt wegen des grotesk überzogenen Streitwerts von zuletzt 145 Milliarden Dollar.

Genau diese rekordverdächtige Zahl ist nun vom Tisch – zur Erleichterung der Tabakbranche und zahlreicher Anleger. Denn hätten Altria und die übrigen Beklagten, darunter Reynolds American, Lorillard, Loews und die Vector-Tochter Liggett, diese Summe tatsächlich zahlen müssen, wäre nicht weniger als die Existenz manches Konzerns gefährdet gewesen.

Die Richter am Obersten Gerichtshof im Bundesstaat Florida haben die Rekord-Summe vor allem aus diesem einen Grund endgültig abgelehnt: weil sie „nach Auslegung des Gesetzes als exzessiv zu bezeichnen“ wäre.

Nichts dass indes der Streitwert alleine den „Fall Engle“ umstritten gemacht hätte. Seit Jahren wird heiß debattiert, ob die Sammelklage des Arztes Howard Engle überhaupt in dieser Form hätte zugelassen werden dürfen. Engle und fünf weitere Kläger hatten die Zigarettenbranche zunächst „im Namen aller Raucher in Amerika“ verklagt, da die Unternehmen über die Schädlichkeit ihrer Produkte gelogen hätten.

Von den tatsächlichen Marketingmethoden der nicht eben geliebten Branche einmal abgesehen, zeigte sich recht schnell, dass eine Sammelklage für alle Raucher nicht zulässig wäre. So wurde der „Fall Engle“ schließlich für 700 000 Raucher in Florida eingereicht, was ein Berufungsgericht zuletzt vor drei Jahren erneut als unzulässig beurteilte. Die einzelnen Schiksale der Kläger seien viel zu unterschiedlich, als dass Grund zu einer Sammelklage gegeben sei.

Dieses Argument indes, ebenso wie alle anderen Kritikpunkte an Klage und Urteil, hatten bis zuletzt keinerlei Klarheit darüber gebracht, ob Altria & Co. nun zahlen müssten – und wieviel. Erst mit dem jetzigen Schiedsspruch steht fest, dass die 145 Milliarden Dollar vom Tisch sind, was den Unternehmen ermöglicht, Bar-Reserven von zig Millionen Dollar aufzulösen und zu investieren. Branchenriese Altria indes denkt schon einen Schritt weiter und könnte endlich die Pläne umsetzen, nach denen das weit verzweigte Konglomerat in bis zu drei eigenständige Unternehmen aufgeteilt werden soll.

Anleger reagieren entsprechend euphorisch auf die Nachricht aus Florida; sämtliche Tabakaktien stehen dick im Plus.

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Alt 07-07-2006, 21:04   #509
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Gefährlicher Lauf mit den Bullen

Ray Ducharme ist 31 Jahre alt und wird vermutlich den Rest seines Lebens im Rollstuhl verbringen. Der New Yorker gehört zu den vielen Idioten, die jedes Jahr in Pamplona mit den Bullen rennen und zum Teil lebensgefährlich verletzt werden. An der Wall Street ist es nicht ganz so gefährlich mit den Bullen zu rennen – doch lauern auch hier Gefahren.

Im Grunde sind die Parallelen zwischen New York und Pamplone nicht zu übersehen. Sowohl an der Wall Street als auch in der spanischen Provinz lassen sich Leute auf ein Spiel ein, dessen Ausgang sie nur minimal beeinflussen können. Stärker als der angetrunkene Läufer in rot-weiß ist schließlich der Bulle, mächtiger als der Zocker ist der Markt in einer ganzen Masse.

Getrieben werden die Spieler von einem niedrigen Instinkt: der Jüngling in Pamplona von Übermut und dem einfachen Drang, sich zu beweisen. Man will halt Mann sein, die Mädchen beeindrucken, die indes meist distanziert bis schockiert auf das riskante Spiel reagieren. Den Investor derweil treibt die Gier, ebenso wie die Hochmut eine Todsünde – beide werden mitunter bestraft. Dann wird der Jüngling in Pamplona zertrampelt, und wer an der Börse unter die Räder kommt, wird sich nicht viel besser fühlen.

Natürlich sind es stets die Unerfahrenen, die Forschen, die beim Rannen mit den Bullen – in Pamplona und New York – den Kürzeren ziehen. Unter fünf Schwerverletzten bei der diesjährigen Stierhatz sind allein zwei Amerikaner, ein Kanadier und ein Brite. Spanier erwischt es kaum, obwohl die in der Mehrheit sind, denn die kennen sich aus mit den wilden Tieren und schätzen die Gefahr richtig ein. Vielleicht trinken sie vor dem Rennen auch weniger Sangria als die risikofreudigen Touristen.

Auch in New York muss man die Bullen gut kennen, um mitlaufen zu könenn. Wer den Markt nicht vesteht und seine Tücken übersieht, der kommt unter die Räder. Zur Zeit baut sich eine Situation auf, die für manchen Unvorsichtigen gefährlich werden könnte. Zwischen den Diskussionen um Arbeitsmarkt und Zinspolitik, zu Beginn der Ertragssaison und inmitten der Krisen in Irak, Iran und Nordkorea übersieht mancher, dass die amerikanischen Aktienmärkte auf ungewöhnlich hohem Niveau handeln. Die Kurseinbrüche von Mai und Juni mögen nicht unvergessen sein, doch sind sie zumindest halb aufgeholt, eine wirtkliche Korrektur hat man nicht gesehen.

Das wiederum ist ungewöhnlich. Historisch betrachtet sehen Dow & Co. in Aufschwungphasen einmal jährlich eine Korrektur um mindestens zehn Prozent, eine solche ist zur Zeit überfällig. Sie wird nicht ausbleiben. Die Frage ist nur, wer den Trend rechtzeitig erkennt und einen Schritt zur Seite machen kann, und wer vom Markt überrollt wird.

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Alt 10-07-2006, 20:52   #510
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Was macht eigentlich… Ken Lay?

Fast eine Woche ist es her, dass die Wall Street vom Tod Kenneth Lay´s erfuhr. So überraschend die Nachricht kam, so umstritten ist sie bis heute. Kein Wunder: Für den einstigen Mulltimillionär und Bush-Freund kam der Tod als willkommene Alternative zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe. Das regt die Verschwörungstheoretiker an.

„Bevor ihr den Sarg des Betrügers ins Grab senkt, schaut nach ob er auch drin ist“, titelte die New York Post, und im Internet wird überhaupt mehrheitlich am Schicksal des ehemaligen Enron-Chefs gezweifelt. An einen natürlichen Herzinfarkt will kaum einer glauben. Die meisten Blogger vermuten einen Suizid, und andere sehen Lay gar mit einem Cocktail in der Hand in irgendeinem karibischen Paradies – neben ihm sitzt dann vermutlich Elvis.

Doch Spaß beiseite: Ganz unmöglich wäre es für einen Mann mit Ken Lay´s Beziehungen wohl nicht, seinen Tod vorzutäuschen. In Aspen, Colorado, dürfte das sowieso leichter fallen als in der texanischen Business-Metropole Houston, wo der Stammsitz von Enron war. In Aspen ist die High Society überschaubar, die Chefärzte kennen ihre prominenten Patienten.

Unterstützung auf höchster Ebene wäre Lay zudem sicher, so dass eine rasche Ausreise aus den USA wohl kein Problem wäre. Das Weiße Haus dürfte wohl ein Interesse daran gehabt haben, den Mann loszuwerden. Noch ein weiterer Krimineller im engsten Umfeld des Präsidenten begünstigt dessen ohnehin schweren Stand beim Wählervolk sicher nicht. Mit dem Tod wiederum kam Ken Lay als Unschuldiger davon. Laut Gesetz endet ein Verfahren beim eines Angeklagten mit dessen Unschuld, so lange nicht alle Rechtsmittel erschöpft waren. Bei Ken Lay ist genau dies der Fall.

Dass also Washington ein Interesse an einem „Tod“ von Ken Lay gehabt haben könnte, bringt indes manchen Blogger auf ganz andere Gedanken: „Die CIA hat ihn umgebracht“, murmelt ein Diskussionsteilnehmer im CNN-Forum, „wahrscheinlich mit Gift.“

Das indes ist weit hergeholt. Naheliegender ist der Gedanke, den nicht nur professionelle Verschwörungstheoretiker durchspielen, sondern fast jeder vernünftige Beobachter – nicht zuletzt die dafür bereits gescholtene Internet-Enzyklopädie Wikipedia: Selbstmord. Abgesehen davon, dass sich ein Herzinfarkt recht leicht herbeiführen und mit Hilfe eines nahestehenden Arztes noch leichter vertuschen ließe, hätte Ken Lay manchen guten Grund für ein vorzeitiges Dahinscheiden gehabt.

Einerseits bleibt ihm ein trauriger Lebensabend hinter Gittern erspart. Unter zwanzig Jahren wäre Lay bei der Verkündigung des Strafmaßes im Oktober auf keinen Fall weggekommen, nach einem illustren Leben unter den oberen Zehntausend sind das bittere Aussichten. Andererseits stand Lay´s Familie vor dem Ruin. Mit seinem plötzlichen Tod gehen Werte, die im Zusammenhang mit hunderten ausstehender Zivilklagen eigentlich hätten gepfändet werden sollen, in den Nachlass über – sie gehören damit nicht mehr Lay, sondern der Familie. Was und wieviel jetzt noch gepfändet werden kann, ist zur Zeit ungeklärt.

Unklar ist auch, wieviel Ken Lay noch hatte. Am Hungertuch nagen werden die Hinterbliebenen aber wohl nicht. Selbst nach dem Zwangsverkauf mehrerer Immobilien blieben dem Enron-Gründer zuletzt die Villa in Aspen, in der er starb, sowie eine Wohnung in Houston, die auf 10 Millionen Dollar geschätzt wird und mit Möbeln für weitere 2 Millionen Dollar ausgestattet sein soll. Außerdem soll Lay Anteile an einem Goldman-Sachs-Fond gehalten haben, die bis zu 6,3 Millionen Dollar wert sein könnten.

Die wahren Hintergründe von Ken Lay´s plötzlichem Ableben werden wohl im Dunkeln bleiben. Erinnern wird man sich auf jeden Fall aber sehr lange an den Mann, der hinter dem größten Wirtschaftsbetrug in der Geschichte der USA gesteckt und Tausende Angestellte um ihre Ersparnisse gebracht hat.

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