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Alt 07-07-2005, 20:35   #256
Starlight
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Die Börse trauert, der Dow Jones nicht

Wenn an den New Yorker Börsen überhaupt etwas von den Londoner Terror-Anschlägen zu sehen ist, dann vor allem draußen vor der Türe. Da haben sich Polizeiwagen aufgereiht, um das ohnehin bestens bewachte Gebäude zusätzlich zu sichern. Im Innern, auf dem Parkett, hat sich die Lage mittlerweile beruhigt, der Handel läuft wie gewohnt.

Wie gewohnt, das bezieht sich auch auf die Kursschwankungen. Gegen Mittag notiert der Dow-Jones-Index mit einem Minus von 30 Zählern, und das ist nun wirklich keine erschütternde Bilanz für einen Tag, der von einem der größten Terror-Anschläge der letzten Jahre geprägt ist. Im Gegenteil: Angesichts eines Minus von fast 200 Punkten, das die Dow-Futures im vorbörslichen Handel noch verzeichnet hatten, läuft es ausgesprochen gut an der Wall Street.

Wie kommt’s? Nun, streng genommen war nichts anderes zu erwarten. Man will ja – weder an der Börse noch in den Finanzmedien – kalt und herzlos klingen, doch ist unstrittig, dass die Anschläge wenig Folgen für Konjunktur und Unternehmen haben dürften. Ausnahmen gibt es natürlich. Die Aktien der Fluggesellschaften verlieren ebenso wie die Hotelpapiere, weil der Tourismus nach Terroranschlägen gewöhnlich zumindest für einige Zeit einbricht. Auch die Versicherer geben nach, da sie für Schäden aufkommen müssen.

Die negativen Reaktionen dieser Aktionen sind aber ebenso wenig markttypisch wie die positiven Reaktionen eines anderen Sektors: Die Aktien verschiedener Hersteller von Sprengstoffdetektoren sowie von Sicherheits- und Überwachungssystemen legen zu, lassen den breiten Markt aber unberührt.

Dass der breite Markt nicht stärker auf die Londoner Anschläge reagiert, ist auf die überschaubaren Folgen für die Wirtschaft zurückzuführen. Selbstmordattentäter leiten weder eine Rezession ein, noch lassen sie den Immobilien- oder Arbeitsmarkt einbrechen. Entsprechend ist es an diesem Donnerstag auch nicht das erste Mal, dass die Wall Street verhalten auf große Ereignisse reagiert.

Man nehme die jüngsten Terror-Anschläge seit dem 11. September 2001. Der Angriff auf das New Yorker World Trade Center und das Pentagon in Washington hatte die Börse bekanntlich richtig aus der Bahn geworfen. Nicht zuletzt die Tatsache, dass die Börsen nach dem Anschlag tagelang geschlossen und die amerikanischen Finanzmärkte weitgehend unerreichbar blieben, ließ den Dow binnen weniger Tage um fast 20 Prozent auf 7926 Punkte abrutschen. Nach einer kurzen Erholung ging der Abwärtstrend – gefördert eher von einer Rezession als von den Attentaten – weiter und kam erst mehr als ein Jahr später, am 10. Oktober 2002, auf ein Tief von 7533 Punkten.

In die folgenden Monate, als sich der Dow kontinuierlich nach oben arbeitete und schließlich wieder fünfstellig notierte, fielen die Terror-Anschläge in Indonesien am 12. Oktober 2002 und in Kenia am 28. November 2002, bei denen insgesamt 220 Menschen getötet wurden. Beide Anschläge hatten an der Wall Street keine Auswirkungen, die Erholung blieb intakt, ebenso wie bei den Anschlägen in Saudi-Arabien und Marokko im Mai 2003 und in der Türkei im November 2003.

Als jüngstes Beispiel für die maßvollen Reaktionen der Börse auf Terror gelten die Anschläge in Madrid, wo am 11. März 2004 zehn Bomben gezündet und 292 Menschen getötet wurden. Der Dow gab am Tag der Anschläge ganze 170 Punkte ab. Immerhin 110 Punkte machten die Blue Chips am nächsten Tage aber wieder gut, und rückblickend blieb auch damals der Handelstrend intakt.

Letztlich wird es mit den Kursverlusten an diesem Donnerstag nicht anders sein. Auf einem später zu erstellenden Jahres-Chart werden sie nicht auffallen. 30 Punkte? – Ein pessimistischer Analyst kann auf dem Parkett mehr Schaden anrichten, von einem steigenden Ölpreis oder den Wirbelstürmen im Golf von Mexiko ganz zu schweigen.

Dass sich die Anschläge von London im Dow nicht widerspiegeln, soll indes nicht heißen, dass New York über die schrecklichen Geschehnisse einfach hinwegsieht. Im Gegenteil: Die Stimmung auf dem Parkett ist gedrückt. Nirgendwo sonst können die Menschen mehr nachvollziehen, was es bedeutet, wenn Terroristen zuschlagen und Menschen im direkten Umfeld getötet werden. An der Wall Street arbeitet niemand, der nicht ständig mit Erinnerungen an den 11. September 2001 konfrontiert wird. Keiner, der heute nicht in Gedanken bei den Opfern in London und bei allen Briten ist. Allein eine Trauerbezeugung im Dow verkneift man sich eben.

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Alt 08-07-2005, 21:15   #257
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Die große Angst vor „Dennis“

„Dennis“ schafft, was Alan, George und selbst Osama zuletzt nicht schafften: Er bewegt die Börse. Während die Indizes an der Wall Street zuletzt jeder Zinsanhebung, jeder Rede aus dem Weißen Haus und sogar den Bombenanschlägen auf London trotzten, zittert man jetzt vor einem Wirbelsturm, der die Öl-Produktion im Golf von Mexiko gefährdet.

Und was könnte es in diesen Tagen schlimmeres geben, als die Öl-Produktion zu beeinträchtigen. Amerika befindet sich mitten in der Hauptreisezeit, da nicht einmal ein Rekord-Benzinpreis von 1,85 Dollar pro Gallone Wochenendausflüge zu streichen vermag. Nach dem Sommer kommt mit dem Winter die Heizsaison, für die schon vorab manche Experten eine Öl-Knappheit prophezeihen. Gleichzeitig versucht ein chinesischer Konzern den Amerikanern den Produzenten Unocal wegzukaufen, während die Lage im Golf – wo immer noch der größte Teil der amerikanischen Öl-Importe gefördert wird – weiter alles andere als stabil ist.

Ausgerechnet in solchen Zeiten bläst „Dennis“ über das Karibische Meer, der Wirbelsturm hält am Freitag mit etwa 215 Stundenkilometern auf den Golf von Mexiko zu. Dort könnte er für Millionenschäden an Öl-Plattformen sorgen, lange bevor er irgendwann am Sonntag oder Montag zwischen Florida und Louisianna an Land gehen dürfte.

Wie hoch die Schäden sein könnten, glauben Experten recht genau beziffern zu können. Immerhin hatte erst vor einem Jahr der Hurrikan „Ivan“ eine ähnliche Route durch den Golf gewählt. Die Schadensbilanz damals: 7,25 Prozent der Jahresproduktion oder 43,8 Millionen Fass gingen den Unternehmen verloren. Auf die täglichen Kapazitöten umgerechnet könnte „Dennis“ 3,5 Prozent der Produktion oder 47 957 Fass pro Tag kosten. Dazu kommt ein wahrscheinlicher Wegfall von 10 Millionen Kubikmeter Gas oder 3,7 Prozent oder Produktion.

Welcher Sachschaden an den Plattformen entstehen könnte, ist vorab schwer einzuschätzen. Auf jeden Fall aber ist die Gefahr konkret: „Dennis“ hat bereits für die Evakuierung von 69 Plattformen gesorgt, die nach Einschätzung des Wetterdienstes und der betroffenen Unternehmen direkt gefährdet sein sollen.

„,Dennis’ ist jetzt ein Hurrikan der vierten Kategorie mit realen Risiken“, fasst Jason Schenker zusammen, der Öl-Analyst der Wachovia Bank. „Die Preisverschiebungen in den nächsten Tagen dürften damit fast ausschließlich wetterbedingt sein.“

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Alt 11-07-2005, 22:49   #258
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Indexprognosen - viele Analysten liegen daneben

...

http://www.faz.net/aktuell/finanzen/...n-1253012.html
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Alt 12-07-2005, 19:29   #259
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Zwischen Arbeitszeit und Freizeit

Es mag keine wirklich neue Nachricht sein, dass immer mehr Berufstätige im Büro gerne Zeit mit privaten Dingen verbringen. Der eine bucht den Urlaubsflug, der andere schreibt E-Mails an Freunde – wer weiß, vielleicht lesen Sie ja auch diesen Bericht während der Arbeitszeit, obwohl er mit dem Kerngeschäft eigentlich nichts zu tun hat.

Eine Untersuchung von AOL und Salary.com hat sich jetzt genauer mit dem Ausmaß der Zeitverschwendung beschäftigt, mit höchst interessanten Ergebnissen. Zunächst die gute Nachricht: Arbeitgeber rechnen durchaus damit, dass Arbeitnehmer bis zu eine Stunde täglich mit privaten Dingen vertun. Die schlechte Nachricht: In Wahrheit sind es mehr als zwei Stunden, die drauf gehen – jedenfalls in den USA.

Was die Amerikaner mit ihrer Zeit anfangen, ist höchst unterschiedlich – und manchmal dreist: Dass die überwiegende Mehrheit im Netz surft, emailt, Urlaub bucht und bei Ebay mitsteigert, mag ja ebenso angehen wie der Plausch mit Kollegen. Dass zahlreiche Angestellte allerdings das Büro verlassen, um schnell einkaufen zu gehen (Nummer fünf auf der Liste der Tätigkeiten), dürfte manchen Chef ärgern.

Nicht zu unterschätzen sind einfaches Zu-spät-kommen oder Früher-gehen, da sich ein paar Minuten täglich zu einem größeren Betrag summieren. Und gleich doppelt ärgerlich dürfte es für manchen Chef sein, wenn sich Mitarbeiter während der Arbeitszeit der Job-Suche widmen und Bewerbungen für andere Stellen schreiben.

Das ganze ist umso ärgerlicher, als die außerplanmäßigen Aktivitäten der Angestellten ganz schön ins Geld gehen. Allein die 1,09 Stunden, die Unternehmen ihren Mitarbeitern eigentlich nicht für private Tätigkeiten eingeplant haben, kostet die US-Wirtschaft jährlich 759 Milliarden Dollar.

Folgen dürfte die Zeitverschwendung dennoch nicht haben. Im Gegenteil: Experten wie Bill Coleman von Salary.com sind überzeugt, dass es Unternehmen sogar nutzt, wenn sich Angestellte hin und wieder eine Pause gönnen. Schließlich müssen gute Arbeiter hin und wieder ihre Batterien aufladen. Internet-Surfing hat zudem noch nie geschadet, wenn sich der Zeitvertreib auf Nachrichten und bestimmte berufsnahe Themen bezieht. Und der Kollegen-Plausch im Flur stärkt die Unternehmenskultur und den Zusammenhalt der Truppe.

Ob die positiven Effekte des alltäglichen Schlendrian die hohen Kosten ausgleichen, lässt die Untersuchung offen – mancher Erfolg dürfte auch schwer zu beziffern sein.

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Alt 13-07-2005, 20:51   #260
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Der „bizarre“ Fall Ebbers

„Völlig bizarr“ findet Bernie Ebbers, was in den letzten drei Jahren über ihn eingebrochen und am Mittwochmorgen in New York zu Ende gegangen ist. Der einst gefeierte CEO des Telekomriesen WorldCom ist zu einer Haftstrafe von 25 Jahren verurteilt worden. Für den fast 65-Jährigen kommt das einer lebenslangen Strafe gleich.

„Völlig bizarr“ finden indes nur wenige Prozessbeobachter, was da mit Ebbers geschehen ist. Immerhin steht der einstige Musterjunge der Wall Street hinter dem größten Bilanzbetrug in der Geschichte von Corporate America. Hinter der 21-Milliarden-Pleite seines Unternehmens steht selbst Enron zurück. Doch von vorne:

Ebbers Karriere begann 1992 mit der Gründung eines Ferngesprächsanbieters, aus dem drei Jahre später WorldCom wurde. Weitere zwei Jahre später wurde MCI übernommen, eine geplante Akquisition von Sprint verhinderten die Kartellbehörden. Dennoch wuchs WorldCom so schnell wie kaum ein Unternehmen in der ohnehin explosiven zweiten Hälfte der Neunzigerjahre. 1999 notierte die Telekom-Aktie auf einem Allzeit-Hoch von 64,50 Dollar.

Dann kam die Jahrtausendwende, dann der Einbruch der Aktienmärkte und für WorldCom war der Erfolg so schnell vorbei wie er gekommen war. Im Sommer 2001 kündigte das Unternehmen die ersten 6000 Entlassungen an, ein Jahr später sollten weitere 17 000 Mitarbeiter gehen. Im Juni 2002 notierte die WorldCom-Aktie unter 1 Dollar, CEO Bernie Ebbers trat zurück und die Börsenaufsicht SEC reichte eine Betrugsklage ein. Wenige Tage später, im Juli 2002, meldete WorldCom mit einem Schuldenberg von 21 Milliarden Dollar Konkurs an.

Auf dem Weg ins Aus verloren Zehntausende von Mitarbeitern nicht nur ihren Job, sondern ihre gesamte Rentenersparnisse, weitere Opfer gab es an der Wall Street. Die ehemaligen Mitarbeiter sind am Mittwoch froh, Ebbers auf dem Weg ins Gefängnis zu sehen. „Es ist Zeit geworden, dass Bernie für seine Fehler zur Verantwortung gezogen wird“, urteilt Robert Hudspeth, ein ehemaliger Manager unter Ebbers. Und auch Henry Bruen, der vor Gericht mehrfach als Stimme der ehemaligen Angestellten aufgetreten war, meint: „Bernie Ebbers und Scott Sullivan haben meine Karriere ruiniert.“ Bruen, einer der Top-Verkäufer bei WorldCom hat noch immer keinen Job, sein ehemaliger Finanzchef Sullivan ist längst schuldig gesprochen worden und wird sein Strafmaß Anfang August erfahren.

„Völlig bizarr“ findet Ebbers dennoch, was er in jüngster Zeit durchmachen musste. Geäußert hat er das zuletzt am Dienstag auf seinem Flug nach New York, den er bizarrerweise in der Touristenklasse absitzen musste. Statt dem üblichen Erste-Klasse-Dinner knabberte Ebbers an Kartoffelchips und Schokoladenrosinen – und beklagte sein Schicksal. Das sieht unter anderem vor, dass auch Ebbers Familie künftig nicht auf das ergaunerte Vermögen des Ex-Börsenstars zurückgreifen kann. Mehr als 45 Millionen Dollar musste Ebbers zur teilweisen Beilegung zahlreicher Zivilklagen abdrücken, seiner Frau bleiben ein kleines Haus im Bundesstaat Mississippi – die größere Residenz ist auch weg – und 50 000 Dollar.

„Bizarr“ auch, dass das New Yorker Gericht vieles nicht berücksichtigen wollte, was Ebbers eine Strafmilderung hätte einbringen sollen. Chef-Verteidiger Reid Weingarten verweist darauf, dass der Prozess eigentlich in Mississippi hätte stattfinden sollen – eine lokale Geschworenen-Jury hat erst vor kurzem den ehemaligen HealthSouth-CEO Richard Scrushy freigesprochen, nachdem man persönliche Gefühle gegenüber dem praktizierenden Christen höher eingestuft hatte als stapelweise Beweise über seinen Milliarden-Betrug.

Auch, so Weingarten, habe das Gericht nicht berücksichtigt, dass Ebbers einst viel Geld an wohltätige Zwecke gespendet und außerdem 169 Freunde gefunden habe, die in der Woche vor der Verkündigung des Strafmaßes Bittbriefe an das Gericht geschickt hatten. Auch Ebbers’ Alter und seine angeschlagene Gesundheit hätte die Verteidigung gerne berücksichtigt gesehen.

Ebbers mit bescheidenen 64 Jahren und einem schwachen Herzen hingegen eine milde Strafe zuzusprechen wäre angesichts seiner Taten wirklich „bizarr“ gewesen.

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Alt 14-07-2005, 20:52   #261
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Öl beschäftigt alle Instanzen

Öl, Öl, Öl... selbst mitten in der Ertragssaison und an einem Tag mit vielen guten Nachrichten aus Konjunktur und Hightech geht es an der Wall Street weitgehend um einen Rohstoff. Mit Öl steht und fällt der Verbraucher, mit dem Verbraucher der ganze Rest, und in Washington ist Öl zur Zeit der wichtigste Faktor nationaler Sicherheit.

Entsprechend genau verfolgt die Wall Street die Anhörungen zur geplanten Unocal-Übernahme, die in diesen Tagen nicht wie sonst üblich vor den Wettbewerbshütern stattfinden, sondern vor dem Kongress und dem Streitkräfte-Ausschuss. Dessen Abgeordnete sind auf den Barrikaden, weil bekanntlich der teilweise zur chinesischen Regierung gehörende Öl-Konzern CNOOC ein Angebot für das südkalifornische Unternehmen Unocal eingereicht hat, und noch dazu eines, das Management und Anleger nicht kalt lässt.

Satte 18,5 Milliarden Dollar bietet CNNOC für Unocal, und das sind fast 2 Milliarden Dollar mehr als ChevronTexaco zu zahlen bereit scheint. Dass sich Unocal eigentlich schon an ChevronTexaco versprochen hat, ist spätestens seit Mittwoch kein Thema mehr: CNOOC wird zwar nicht, wie erwartet, sein Angebot aufstocken, will Unocal aber für anfallende Strafen wegen Vertragsbruchs entschädigen. Das ist bei umkämpften Mergern und Übernahmen durchaus üblich und dürfte niemanden schockieren.

So würde vieles dafür sprechen, dass sich der Unocal-Vorstand, der zeitgleich mit dem Kongress tagt, für nähere Verhandlungen mit dem chinesischen Werber ausspricht. Es wäre nichts anderes als die direkte Umsetzung der Gesetze des Marktes, nach denen das höhere Angebot den Zuschlag bekommt – vor allem im Sinne der Aktionäre, die pro Papier von CNOOC 67 Dollar bekommen sollen, von ChevronTexaco aber nur 60,50 Dollar.

Wettbewerbsrechtlich ist gegen einen Unocal-Verkauf nach China nichts einzuwenden, was der Regierung in Washington große Sorgen bereitet. Öl ist zum wichtigsten Wirtschaftsfaktor überhaupt geworden, und dei Amerikaner würden gerne ihre eigene Produktion aufstocken und die Abhängigkeit von politisch labilen Öl-Exporteuren im Mittleren Osten minimieren. Ein Verkauf eigener Anlagen widerspräche diesen Bemühungen – auch wenn Unocal gar nicht so sehr im eigenen Land fördert, sondern drei Viertel seiner Produktion vor den Küsten Asiens hat.

Im Streitkräfteausschuss ist man sich ausnahmsweise über die Parteigrenzen hinweg einig, dass geographische Aspekte keine Rolle spielen sollten. Vielmehr könnten eigene Öl-Kapazitäten die Aufrüstung des chinesischen Militärs begünstigen und für Unruhe in Asien und vor allem in Taiwan sorgen. Der Gedanke, dass Öl in den Händen der friedliebenden Amerikaner besser aufgehoben wäre und international Beruhigung verbreiten würde, ist zwar lächerlich und wird von Wirtschaftsrechtlern wie Jerry Taylor vom Cato Institute abgelehnt. Doch bitten Abgeordnete um den Republikaner Chuck Grassley und den Demokraten Max Baucus ihren Präsidenten George W. Bush, notfalls von seinem Veto-Recht Gebrauch zu machen, um einen Verkauf von Unocal an CNOOV zu verhindern.

Vor solche Hürden gestellt, wird sich das Unocal-Management mit einiger Wahrscheinlichkeit schon sehr bald für einen Deal mit ChevronTexaco entscheiden, der nac Branchenangaben binnen eines Monats durchgeführt sein könnte und nicht mit kartellrechtlichen Problemen zu kämpfen hätte. Entschieden ist vorab aber noch nichts, zumal im Kongress auch Gegenstimmen laut werden.

Die Befürworter eines internationalen Handels weisen zurecht darauf hin, dass dich amerikanische Firmen mit beiden Händen in China und anderen Ländern bedienen, und dass auch amerikanische Öl-Konzerne in der Vergangenheit an britische Unternehmen verkauft werden durften.

So sorgt Öl mittlerweile nicht nur für Kurssprünge und Kursstürze, sondern auch für diplomatische Verwicklungen. Die Wall Street wird das Geschacher um Unocal und den Tageswert des schwarzen Goldes weiter im Auge behalten, denn Öl ist nach wie vor der wichtigste Marktfaktor – auch in der Ertragssaison. Schließlich ist auch im Donnerstagshandel nicht klar, ob starke Quartale für Apple und AMD die Börsen so hoch halten oder der Ölpreis, der zur Mittagsstunde mehr als 2 Dollar verloren hat und bei 57,88 Dollar pro Fass notiert.

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Alt 15-07-2005, 21:26   #262
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Ab ins Wochenende!
Ein Händler auf dem New Yorker Parkett hatte schon am Donnerstagmittag genug. Er werde jetzt einpacken, an den Strand fahren und erst am Montag weiterspielen, sagte er angesichts der jüngsten Rallye an den US-Märkten. Regenwetter in New York wird im wohl einen Strich durch die Rechnung machen, doch im Prinzip hat er Recht.

Wie sich zur Mittagsstunde zeigt, läuft an diesem Freitag nicht mehr viel an den US-Börsen. Obwohl die Konjunkturdaten gut ausgefallen sind – die Industrieproduktion legt zu, die Erzeuger- und Verbraucherpreise sind weniger inflationär als befürchtet –, und obwohl vom Dow-Riesen General Electric gute Zahlen kommen, notieren die wichtigen Indizes im Minus.

Das ist ganz und gar nicht überraschend – auch die stärksten Börsen brauchen einmal eine Verschnaufpause. Gemessen an den Tiefständen unmittelbar nach den Terroranschlägen auf London haben sich Dow und Nasdaq in den anderthalb Wochen bis Donnerstagmittag um satte 5,5 Prozent verbessert, der marktbreite S&P-500-Index fand sich nach einer Rallye um mehr als 4 Prozent gar auf dem höchsten Stand seit vier Jahren. Und dies zu Beginn einer Ertragssaison, in der sich die großen Unternehmen aus Corporate America erst ab nächster Woche mit Schlagzeilen überbieten werden.

Ein Blick auf den Kalender für die nächste Woche macht klar, warum der Handel am Freitag eine Auszeit nimmt: In den nächsten Tagen wird keine Pause mehr möglich sein. Allein 16 Dow-notierte Unternehmen werden ihre Bücher öffnen, das ist mehr als die Hälfte aller Blue Chips. Eine solche Konzentration von Dow-Zahlen erinnern selbst langjährige Börsenexperten nicht.

Dow-Zahlen kommen von den Finanzriesen Citigroup und J.P. Morgan, von den Industriewerten 3M, Honeywell, United Technologies und Caterpillar, von den Pharmazeuten Pfizer und Merck, von den Konsumriesen Johnson & Johnson, Altria und Coca-Cola Group, von SBC Communications, von General Motors und nicht zuletzt von den Hightech-Schwergewichten IBM, Intel und Microsoft.

Apropos Hightech: Mit Yahoo, Google und Ebay melden in der nächsten Woche die drei wichtigsten Internet-Werte, und dazu gibt es Zahlen von so vielen anderen einflussreichen Unternehmen, dass den Analysten die Griffel heiß laufen und Anlegern schwindlig werden dürfte.

Dass sich Dow und Nasdaq am Freitag eine Auszeit gönnen und gute Nachrichten scheinbar abprallen, darf also zum Wochenschluss niemandem Sorgen bereiten. Wer nicht tatsächlich schon am Donnerstag ins Wochenende gehuscht ist, der dürfte spätestens am Freitagmittag abhauen, ohne auf die Schlussglocke zu warten. Auch wenn der Strand in den nächsten Tagen nicht wirklich reizvoll sein dürfte, ein ganz normales Wochenende zwischen Broadway und Central Park ist allemal interessanter als noch ein paar Stunden auf dem Parkett.

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Alt 18-07-2005, 20:48   #263
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An Bar und Börse: Wein hängt Bier ab

Trink, trink, Brüderlein trink… nun, in Amerika ist das gar nicht so einfach. Auch in drückender Sommerhitze darf man in den sittenstrengen USA nicht überall die Bierflasche öffnen. Getrunken wird nur zuhause oder im Restaurant, und mit Genauerem haben sich die Marktforscher vom Gallup-Institut beschäftigt.

Eine neue Studie des angesehenen Institutes kommt zu einem überraschenden Ergebnis. Erstmals seit sechzig Jahren haben mehr Amerikaner ihre Vorliebe zu Wein statt Bier bekundet. Vorab: Nur 63 Prozent der Amerikaner trinken überhaupt Alkohol. Von diesen haben nun 39 Prozent der erklärt, sich hin und wieder ein Gläschen Weißen oder Roten zu gönnen. Dem stehen 36 Prozent gegenüber, die sich dem Gerstensaft hingeben.

Für die Industrie ist dieser kleine Unterschied von drei Punkten signifikant. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren bezeichneten sich mit 47 Prozent fast die Hälfte der Befragten als Biertrinker, während Wein mit 29 Prozent weit abgeschlagen war.

Recht konstant ist derweil die Zahl derer, die härtere Spirituosen wie Rum und Whiskey genießen: Die wird in diesem Sommer mit 21 Prozent gemessen und damit nach minimalen Schwankungen auf dem gleichen Stand wie vor zehn Jahren.

An der Wall Street hat das veränderte Trinkverhalten der Amerikaner durchaus Auswirkungen – und zwar nicht nur nach Feierabend. Man nehme nur zwei Übernahmen im jüngst ohnehin höchst aktiven Merger-Markt. Ganze 1,4 Milliarden Dollar ließ sich der New Yorker Konsumriese Constellation Brands die Übernahme von Robert Mondavi kosten, dem berühmten kalifornischen Weinbauern.

Die britische Getränkegruppe Diageo übernahm hingegen die Winzerei Chalone, wie Mondavi aus dem Napa-Valley, für 260 Millionen. Weitere 2,5 Millionen musste man abtreten, um den umworbenen Winzer aus den Klauen des Konkurrenten Domaines Rothschild zu zerren, der seinerseits bereits ein Übernahmeangebot eingereicht und eine erste Zusage bekommen hatte.

Das Interesse an Winzern hat einen guten Grund: Die stetig steigende Nachfrage nach Wein sorgt für gute Gewinne, und entsprechend stark laufen die betroffenen Aktien: Seit Jahresbeginn hat Constellation Brands um 25 Prozent zugelegt. Der Konkurrent Brown Forman, zu dem die Weine von Fetzer und die Champagner von Korbel gehören, sind um 24 Prozent geklettert, ebenso stark wie Willamette Valley Vineyard. Die Aktien von Allied Domecq, dem Unternehmen hinter Weinen von Buena Vista und dem Sekt von Mumm, haben um 19 Prozent zugelegt.

Zum Vergleich: Die Brauereien lahmen dem Markt hinterher. Seit Jahresbeginn haben Anheuser-Busch 8 Prozent eingebüßt, und unter den zehn schwächsten Getränke-Aktien rangieren gleich noch fünf weitere, die auf den Gerstensaft spezialisiert sind.

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Alt 20-07-2005, 20:41   #264
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Ein „Non-Event“ mit Greenspan
Es ist kein Wunder, dass George W. Bush seinen Fed-Chef noch eine Weile behalten möchte. Schon Monate vor dem offiziellen Ende von Alan Greenspans Amtszeit kursieren Gerüchte, wonach Bush die Ernennung eines Nachfolgers verschieben könnte – es wäre der einzige Weg, Greenspan noch in Washington zu halten.

Bush mag seinen Fed-Chef vor allem aus einem Grund: Er ist linientreu. Das ist zwar nicht unbedingt die definierte Aufgabe Greenspans, doch allem Anschein nach hat sich der führende Zinspolitiker dafür entschieden, auf seine alten Tage einen bequemeren Weg zu gehen als ständig an der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Regierung herumzumäkeln.

Dafür gäbe es zwar durchaus den ein oder anderen Grund, doch hält sich Greenspan seit einiger Zeit mit kritischen Gedanken zurück und hängt den Optimisten raus. Glaubwürdig ist das nicht immer. Der demokratische Abgeordnete Barney Franks aus Massachussetts beispielsweise versuchte Greenspan nach dessen Rede vor dem Kongress auf einen Missstand in der US-Konjunktur festzunageln: den Arbeitsmarkt. Der zeichne sich zwar jüngst durch recht gute Zahlen aus, doch hänge eine sinkende Arbeitslosenquote vor allem damit zusammen, dass immer mehr Langzeitarbeitslose aus der Statistik fallen.

Was der Abgeordnete Franks da vorbrachte, ist allgemein bekannt, passt aber ganz und gar nicht ins Bild einer sich stetig erholenden Konjunktur, das man in der Hauptstadt verbreitet. Entsprechend wich Greenspan der Frage aus und versuchte auch auf dreimaliges Nachhaken von Franks, über das amerikanische Schul- und Ausbildungssystem zu dozieren, das schließlich für Nachschub in den Pool der Arbeitssuchenden zuständig sei.

Im Weißen Haus wird man mit Freude vernommen haben, wie Greenspan Frank auflaufen ließ und sich nicht über die Problematik am Arbeitsmarkt äußerte. Auch wird man gerne gehört haben, dass Greenspan den Immobilienmarkt in den USA zwar als überhitzt bezeichnet, dass er aber durchaus glaubt, dass die Konjunktur einen Einbruch in dem Segment verkraften würde. Das sehen längst nicht alle Experten so. Im Gegenteil: Immer mehr Volkswirtschaftler warnen davor, dass sich zahlreiche Amerikaner übernommen haben, und dass langfristig Hunderttausende ihre nach abenteuerlichen Konditionen berechneten Raten nicht mehr abzahlen können.

Was Greenspan dem Kongress am Mittwoch in einem seiner letzten Auftritte sagte, war wieder einmal wenig. Dass sie Konjunktur gut zulege, hat man an der Wall Street schon gehört. Dass die Inflation unter Kontrolle sei, ist auch ein alter Hut, nach den letzten Zahlen zu Erzeuger- und Verbraucherpreisen sowieso. Dass die Fed die Zinsen weiter schrittweise anheben wird, ist auch klar.

Greenspans Auftritt war einmal mehr, was die Wall Street einen „Non-Event“ nennt, ein Ereignis also, auf dass Experten seit Tagen gewartet haben und das man sich doch hätte schenken können. Für Präsident Bush ist das genug. Greenspan hält die Linie, mehr soll er nicht tun.

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Alt 21-07-2005, 20:45   #265
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Rätseln rund um den Yuan

Die Wall Street liebt das Rätseln. Sind Zinserhöhungen gut oder schlecht? Kann der Immobilienmarkt zu heiß werden? Am Donnerstag steht man vor einer neuen Frage: Was bedeutet die Neubewertung des Yuan für die US-Konjunktur. Ist der Export-Nutzen größer als der Import-Schaden? Sind 2 Prozent genug?

Die Meinungen auf dem Parkett sind geteilt, und im Handel schlägt sich das nieder. Nachdem am frühen Morgen recht unerwartet die Meldung aus Peking kam, notierten – und verblieben – die amerikanischen Aktienindizes zunächst im grünen Bereich. Im Vormittagshandel rutscht die Börse allerdings ab, und nach Einschätzung der meisten Experten ist es durchaus eher China als London, was dafür verantwortlich ist.

Doch von vorne: Zunächst sind die Amerikaner einmal erleichtert, dass China nach massivem internationalen Druck endlich die Dollarbindung des Yuan aufgehoben hat. Statt an der amerikanischen Währung hängt der Yuan fortan an einem Währungskorb, dessen Zusammensetzung allerdings ein Staatsgeheimnis ist – nicht unüblich in solchen Fällen. Im Rahmen der Neubewertung legt die chinesische Währung erst einmal zu, für einen Dollar gibt es nur noch 8,11 statt der bisherigen 8,28 Yuan.

Diese Höherbewertung des Yuan macht 2 Prozent aus, und mit dieser Zahl beginnen die Interpretationen an der Wall Street. Fed-Chef Alan Greenspan spricht von einem „ersten kleinen Schritt, dem zahlreiche weitere Schritte folgen“ dürften. Der demokratische Senator Chuck Schumer aus New York, einer der prominentesten Kritiker der Yuan-Bindung an den Dollar, lobt einen „richtigen Schritt, wenn auch einen sehr kleinen“. Finanzminister John Snow sieht das ähnlich und will die weitere chinesische Währungspolitik „überwachen“.

Das ist dringend notwendig. Eine Hauptsorge, die den Markt sichtlich belastet, ist ja, dass es die Chinesen nun erst einmal bei ihrer einmaligen Aktion belassen könnte. Und das wäre in den Augen Amerikas auf keinen Fall genug. Zur Erinnerung: In der Vergangenheit hatten zahlreiche Volkswirte den Yuan um bis zu 40 Prozent unterbewertet gesehen.

Volkswirte versuchen dennoch, dem „kleinen Schritt“ etwas Positives abzugewinnen. Abgesehen von der Signalwirkung ist dabei sicher festzuhalten, dass mehrere kleine Währungsschritte sicher für den Welthandel leichter verträglich sind als eine große Neubewertung. Bei Wal-Mart und Target wird man das so sehen, und auch bei den zahlreichen anderen amerikanischen Einzelhändlern, vor allem im Textilbereich, deren Importe etwas teurer werden – aber nach ersten Einschätzungen nicht in einem Maße, das große Auswirkungen auf die Bilanz haben dürfte. Einzelhandelsaktien notieren im Donnerstagshandel dennoch schwach, nicht zuletzt aufgrund einer vergleichsweise drastisch formulierten Warnung von A.G. Edwards, wo man auf sinkende Margen hinweist.

Die selbe Logik, dass mehrere kleine Schritte einfacher verträglich sind als ein radikaler, gilt andersrum natürlich für die Exporteure, für die ein stärkerer Yuan und ein schwächerer Dollar Gold wert sind. Auch bei denen dürfte sich ein 2-Prozent-Schritt nur minimal bemerkbar machen, was aber immer noch besser ist als die bisherige Situation.

Unterm Strich, in der Summe aus Import und Export, wird die Neubewertung des Yuan mithelfen, das Handelsbilanzdefizit der USA abzubauen. Das ist gut. So einfach will es sich die Wall Street aber nicht machen. Vielmehr hält man es mit Hugh Johnson von der Vermögensverwaltung Johnson, Illington Advisors. „Lasst uns vorerst keine Luftsprünge machen“, meint der. „2 Prozent sind 2 Prozent.“

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Alt 22-07-2005, 20:46   #266
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Barbie’s Sorgen

Barbie hat ein schweres Jahr hinter sich. Die Trennung von Langzeit-Freund und Kinderzimmer-Beau Ken liegt noch nicht lange zurück, in den Spielzeugläden weltweit nehmen die wild gestylten Bratz-Puppen immer mehr Regalfläche ein… und jetzt ist das Püppchen auch noch Mittelpunkt eines Rechtsstreits mit einem Latex-Laden.

Dieser letzte Punkt ist eigentlich der schlimmste für Barbie und den Mutterkonzern Mattel. Der hat gerade erfolglos gegen Barbie Anderson-Walley geklagt, eine Kanadierin mit eigenem Online-Laden. Unter der Adresse www.barbiesshop.com bietet Anderson-Walley „heiße Klamotten für böse Jungs und Mädels“ an. Zum Beispiel ein rot-schwarzes Leder-Korsett für 300 Dollar oder einen schwarzen Latex-BH, den sich die Hobby-Domina für 250 Dollar liefern lassen kann.

Dass der Barbie-Hersteller Mattell mit solcherlei Ware nichts zu tun haben will, und dass die Verwechslung zum Puppenladen auf www.barbieshop.com naheliegt, wird niemanden wundern. Auch Barbie Anderson-Walley nicht, die sich dennoch im Recht fühlt. „Ich heiße schließlich Barbie, und deshalb darf ich meinen Laden auch so nennen“, meint sie. Das macht durchaus Sinn, weshalb ein New Yorker Gericht die Klage auch abgewiesen hat.

Mattell überlegt, Berufung einzulegen. Unbedingt ratsam ist das nicht, zumal die kanadische Latex-Barbie nur sehr wenig Bestellungen aus den USA erhält und somit auch nicht in den Hauptmarkt des Puppenherstellers eingreift. Was Mattell noch bedenken sollte: Angesichts der Größe des Latex-Ladens dürfte sich mit dem Gerichtsstreit nicht viel Geld verdienen lassen. Die Gebühren hingegen sind hoch, und der Firma geht es längst nicht mehr so gut wie in früheren Zeiten.

Das zeigte in dieser Woche erneut der Quartalsbericht. Die Barbie-Umsätze sind um 4 Prozent gefallen, nicht zuletzt wegen der immer stärkeren Konkurrenz von Bratz und Videospielen. Dass andere Mattell-Marken deutlich zulegen konnte, half nicht viel: Das Unternehmen schlitterte mit einem Gewinn von 18,9 Millionen Dollar oder 5 Cent pro Aktie an den Erwartungen der Analysten vorbei. Entsprechend schlecht lief die Aktie seither.

Mattell-CEO Robert Eckert hatte auch wenig warme Worte für Anleger: „Die Margen sind unter Druck“, bilanzierte der Mann hinter Barbie, und für die nahe Zukunft bleiben die Prognosen mager. Zumindest bis Jahresende rechnet das Management mit keiner Erholung, und auch für danach ist bisher kein Konzept bekannt.

Vielleicht sollte das Püppchen einen Image-Wandel wagen. Ein erster Anruf in Kanada könnte weiterhelfen, denn heutige Puppen – das zeigt der Erfolg der wilden Bratz – dürfen ruhig ein bisschen böse sein.

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Alt 25-07-2005, 21:10   #267
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Sommer in Schilda

Seit Jahren tun sich die Amerikaner schwer mit Energie sparenden Konzepten. Doch endlich tut sich was. Allerdings setzt sich die Bush-Regierung nicht etwa plötzlich für Recycling ein, für Windenergie oder für sparsamere Autos. Vielmehr will man ab 2007 die Sommerzeit verlängern, was aber letztlich ein Schildbürgerstreich sein könnte.

Die eigentliche Idee, die Abgeordnete beider Parteien in einen Gesetzentwurf verwandelt haben, ist gar nicht schlecht. Durch das alljährliche Vorstellen der Uhren im Frühling wird es morgens später hell und abends später dunkel. Ersteres hat auf die ohnehin schlafenden Menschen kaum Auswirkungen, letzteres aber sehr wohl. Das leuchtet ein und ist ja die Grundidee der Sommerzeit, die auf Benjamin Franklin zurückgeht, aber erst im Ersten Weltkrieg in die Tat umgesetzt wurde.

Während es seinerzeit darum ging, den Soldaten zum Kämpfen mehr Tageslicht zu geben, soll nun ganz einfach Energie gespart werden. Dank des länger anhaltenden Sonnenscheins müssen schließlich weniger Lampen eingeschaltet werden. Bis zu 100 000 Fass Öl könnten die USA täglich sparen, hat das Energieministerium ermittelt. Andere Studien gehen davon aus, dass an jedem Tag mit Sommerzeit der Energieverbrauch in den Staaten um 1 Prozent sinkt, oder dass die jetzt zur Debatte stehende Verlängerung der Sommerzeit um drei Wochen im Frühjahr und um eine Woche im Herbst insgesamt 1 Prozent des gesamten jährlichen Energiebedarfs einsparen soll.

Doch da mögen sich die Experten verrechnet haben. Vor allem einen Aspekt habe man nämlich übersehen, werfen Gegner der Initiative auf. Wo die Amerikaner nämlich wegen des längeren Sonnenscheins Energie in Glühbirnen sparen, dürften sie genau so viel – oder noch mehr – mit ihren Klimaanlagen verschwenden. Schließlich bedeutet mehr Licht auch mehr Wärme, und damit steigt der Kühl-Bedarf in Haushalten und Unternehmen.

Auch andere positive Aspekte der Sommerzeit lassen sich wegrechnen. So zeigen Studien des Verkehrsministeriums, dass „mehr Licht“ täglich etwa 2000 Verkehrsunfälle mit 50 Toten verhindern und bis zu 28 Millionen Dollar an Folgekosten sparen könne. Andererseits zeigen Studien von Sommerzeit-Gegnern, dass das zweimalige Umstellen der Uhr jeweils mit einer plötzlich und kurzfristig steigenden Unfallzahl einhergehe, dass manche Menschen durch geringen Schlafentzug traumatisiert würden, und dass die Produktivität im Land unter müden Arbeitern leide.

Während also einige unbeachtete Nachteile die bekannten Vorteile der Sommerzeit überschatten könnten, gibt es einige bekannte Nachteile, denen nicht einmal Vorteile gegenüberstehen. Die Fluggesellschaften beispielsweise finden es ohnehin zweimal im Jahr schwierig, ihre internationalen Flugpläne mit Europa abzustimmen, wo die Uhren eine Woche früher umgestellt werden. Die transatlantische Diskrepanz noch einmal um vier Wochen jährlich auszuweiten, dürfte die Branche viel Geld kosten.

Auch um Schulkinder macht man sich Sorgen. Die nämlich gehören zu den wenigen Menschen, die morgens sehr früh raus und zeitweise im Dunkeln auf den Schulbus warten müssen.

Bei so vielen Nachteilen wird es die entscheidungsfreudigen Abgeordneten in Washington freuen, dass zumindest eine Branche ihren Segen erteilt hat, deren Zustimmung zunächst nicht als sicher galt: die Landwirtschaft. Während sich nämlich mancher Sorgen machte, ob die neu geregelte Zeitumstellung Bauern eher nützen oder schaden würde, meint das Landwirtschaftsministerium knapp: „Kühe geben alle zwölf Stunden Milch, egal wie spät es ist. Und den Hühnern haben wir bis heute noch nicht beigebracht, überhaupt auf die Uhr zu schauen.“


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Alt 27-07-2005, 20:48   #268
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Autokrieg: GMs neue Preisstrategie

Den adretten GM-Mitarbeitern in der Werbung hat man ihr Freudestrahlen nie abgenommen. Über was hätten sie sich auch freuen sollen. Da stehen junge Männer und Frauen den ganzen Tag am Fließband und schrauben, und nachher müssen sie genau soviel für die Karre bezahlen wie jeder andere Kunde auch.

Dass General Motors die Mitarbeiter-Rabatte auf Neuwagen vor zwei Monaten auf alle Kunden ausdehnte – „Sie zahlen so viel wie wir. Keinen Pfennig mehr!“ – dürfte die Mitarbeiter gewurmt haben, machte aber ganz offensichtlich alle diejenigen glücklich, die gerade auf der Suche nach einem fahrbaren Untersatz waren. Angesichts von Rabatten bis zu 6000 oder 8000 Dollar schien mancher wieder Gefallen an GM zu finden. Bis auch die Konkurrenz auf den Trichter kam und Mitarbeiterrabatte ausrief, wohlgemerkt.

Dass Ford und DaimlerChrysler ganz frech die GM-Aktion nachahmen und sich sogar die Werbung der Autohändler ziemlich gleich anhört, dürfte den Marktführer kalt lassen. Immerhin hatte GM die Nase vorn, und angesichts der Margen erschütternden Wirkung der Super-Rabatte hatte man die Aktion ohnehin nicht für länger als ein paar Wochen geplant.

Insofern hat die Planung hingehauen: Die Umsatzzahlen für GM-Fahrzeuge sind zuletzt dramatisch gestiegen, im Juni um satte 42 Prozent. Die Lager sind leer. Ein Quartalsverlust von 2,5 Milliarden Dollar im US-Geschäft hat jüngst dennoch verdeutlicht, zu welchem Preis der Autobauer seine Popularität mehrte.

Nun ist Schluss mit den Sonderrabatten, zum Monatsende soll der letzte Wagen zu Mitarbeiter-Konditionen verhökert werden. Danach geht GM neue Wege, wie man der Wall Street am Mittwoch erklärt, was sort mit Skepsis aufgenommen und einem Minus von 1,5 Prozent für die Aktie bewertet wird.

Denn GM kann ja im Preiskrieg mit Ford und DaimlerChrysler – und vor allem mit den immer beliebteren uns sparsameren Japanern – nicht einfach die Preise erhöhen. So wird umgeschichtet: Statt hoher Grundpreise und dicker Rabatte strebt das Management eine allgemeine Preissenkung an. Bis zu 46 Modelle in allen Marken sollen reduziert angeboten werden. Ein Insider sagt, dass der neue 2006er Cadillac DTS ganze 6000 Dollar weniger kosten soll als das Vorgänermodell von 2005, das für zwischen 46 840 und 52 395 Dollar beim Dealer stand.

GM tritt mit dem Staregiewechsel in eine äußerst gefährliche Phase ein. Man muss die Kunden überzeugen, Autos ohne die Schlagwörter „Sonderpreis“ und „Rabatt“ zu kaufen. Zudem werden die neuen Preise trotz der Senkung über dem Niveau der letzten beiden Monate liegen. Und: Der Kunde hat mittlerweile gemerkt, dass manche Preissenkung auf Kosten von Qualität und Ausstattung geht – mit ganz billigen Tricks lässt sich also nicht arbeiten.

Bei GM beruft man sich vor allem auf ein Phänomen, um die neue Linie zu rechtfertigen: Immer mehr Kunden, so hätten Marktforscher gezeigt, suchen ihre Autos im Internet aus und vergleichen online Preise, bevor sie zum Händler gehen. Mit ihren höheren Grundpreisen vor Rabatten sei manches GM-Modell zuletzt von der imaginären Einkaufsliste gestrichen worden, bevor der Kunde überhaupt von Sonderpreisen erfahren hätte, heißt es. Genau das soll jetzt verhindert werden.

Unklar ist, ob das Konzept aufgeht. Immerhin: Dass GM zuletzt aufgrund radikaler Preisnachlässe mehr Wagen verkauft hat, kann nicht darüber hinweg täuschen, dass Kunden auch aus qualitativfen Überlegungen zuletzt häufig zur japanischen Konkurrenz wechselten. Deren Motoren sind sparsamer, die Crashtest-Wertungen besser… Toyota ist mittlerweile so selbstbewusst, dass man Preisanhebungen für sieben Modelle ankündigt. Wohlgemerkt am selben Tag, an dem GM von Preissenkungen spricht.

Eines dürfte GM klar sein: Der Weg zurück zum Erfolg führt nicht nur über den Preis, sondern auch über das Auto selbst. Der Brancenriese braucht neue Designs und sauberere Motoren, um sich langfristig gegen die Konkurrenz behaupten zu können.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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Alt 27-07-2005, 20:58   #269
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Insiderverkäufe - ein Warnsignal für die Märkte?

...

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Alt 28-07-2005, 20:44   #270
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Der Ärger um CAFTA

Eine einzige Stimme brachte George W. Bush am Donnerstagmorgen den Sieg. Mit 217 Ja- und 215 Nein-Stimmen hat der Kongress des Präsidenten jüngstes Steckenpferd beschlossen: CAFTA – ein Freihandelsabkommen zwischen den USA und sechs mittelamerikanischen Staaten. Es hat viele Gewinner und noch mehr Verlierer.

Eigentlich hat CAFTA so viele Verlierer, dass das von der republikanischen Regierung angestoßene Abkommen selbst in den eigenen Reihen höchst umstritten war. Denn während CAFTA die US-Exporte nach Nicaragua, Costa Rica, Honduras, El Salvador, Guatemala und in die Dominikanische Republik vereinfacht und Einfuhrsteuern reduziert, öffnet es auch den dortigen Arbeitsmarkt für US-Unternehmen. Und das dürfte nicht nur konjunkturell ein Problem sein, sondern auch für zahlreiche kleine und mittelständische Unternehmen, die künftig unter noch härterem Konkurrenzdruck stehen werden.

So ist es kein Zufall, dass vor allem die großen, internationalen US-Konglomerate für CAFTA eingetreten waren. Die sind zwar in der Tat sehr exportabhängig, profitieren aber überproportional von dem Potenzial des mittelamerikanischen Arbeitsmarktes, für den im Zuge von CAFTA nicht einmal Mindeststandards festgelegt worden sind.

Amerikanische Jobs können unter dem neuen Abkommen problemlos über die Grenzen verschoben werden, ganz wie es schon bei NAFTA passiert ist, dem bereits vor zwölf Jahren beschlossenen Freihandelsabkommen mit Kanada und Mexiko.

Die Republikaner haben in den vergangenen Wochen, als in Washington und in den Medien hart für und gegen CAFTA gekämpft wurde, mehrfach beteuert, dass 30 000 mittelständische Unternehmen in den Genuss vereinfachter Exportstrukturen kommen würden. Dass eben diese Unternehmen aber vor allem unter Druck geraten, wenn Konglomerate noch billiger im Ausland herstellen können, zeigte sich schnell an der Reaktion der Betroffenen.

Zahlreiche Unternehmen, besonders aus dem Produzierenden Gewerbe, aus der Zuckerindustrie und aus der Textilbranche, heizten ihren (demokratischen und republikanischen) Abgeordneten ein. Die stellten sich schnell gegen CAFTA, das ihnen in den jeweiligen Wahlkreisen Probleme bereiten und manchen möglicherweise eine Wiederwahl kosten könnte.

Die Regierung im Weißen Haus kümmerte das nicht. Abtrünnige Republikaner wurden mit einem alten Trick auf Linie gebracht, der schon seit Jahren immer wieder zieht: Bei CAFTA gehe es vor allem um die nationale Sicherheit der USA, so Präsident Bush. Für die Sicherheit im eigenen Land sei es durchaus von Interesse, dass die kleinen Demokratien in Mittelamerika gestärkt würden – welcher Republikaner könnte da widersprechen.

Nun, einige konnten es und sicherten sich zumindest ein paar Zugeständnisse. Der Textilsektor wartet nun darauf, dass ein Teil des eben beschlossenen CAFTA-Abkommens für die eigene Branche bald wieder eingeschränkt wird. So sieht es die Planung im Weißen Haus vor. Die Zuckerindustrie harrt der bereits beschlossenen Einfuhrquoten, die eigentlich dem Abkommen widersprechen aber dessen Chancen vor dem Kongress beschädigt hätten.

Andere Unternehmen hoffen auf einen weniger harten Konkurrenzkampf mit China. Denn um die Stimmen einiger Republikaner zu sichern, beschloss man kurz vor CAFTA verschärfte Kontrollen für Importe aus dem asiatischen Raum. Die allerdings dürften sich bald schon als zu lasch entpuppen, wie Demokraten warnen.

Andere Branchen – und auch der Arbeitsmarkt und damit der Verbraucher – werden hingegen künftig in einer erneut erweiterten Freihandelszone leben. Allzu schwere Auswirkungen werden sie zunächst nicht spüren, stehen die sechs CAFTA-Staaten doch hinter nur 1,4 Prozent der Importe in die USA. Doch im Kleinen dürfte sich zeigen, dass es die Bush-Regierung wieder einmal geschafft hat, den großen Konzernen auf Kosten kleinerer Konkurrenten mehr Freiheiten einzuräumen. Dem Land ist damit nicht unbedingt ein Gefallen getan.

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