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Alt 07-03-2008, 21:22   #811
Starlight
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Die Politisierung des Arbeitsmarktes
Freitag, 7. März 2008

George W. Bush wird sich am Freitag wohl nicht im Rosengarten zeigen. Und sollte er – etwa auf dem Weg zum Hubschrauber – doch über den Rasen des Weißen Hauses laufen, wird er sich von Mikrofonen fernhalten. Das ist nach Arbeitsmarktberichten nicht immer so; fallen sie besser aus, kommentiert der Präsident gerne.

Volkswirte und viele Broker an der Wall Street finden es meist albern, wenn sich der Präsident zu Arbeitsmarkt und ähnlichen Themen äußert. Denn einerseits ist der ohnehin inkompetente Präsident sicher keine Koryphäe in der Interpretation von Wirtschaftsdaten. Zum anderen sind seine Absichten, den jeweils aktuellen Report schönzureden, klar erkenntlich; es scheint, Bush bemühe sich nicht einmal, einigermaßen neutral zu klingen.

So können die Daten Monat für Monat unter den Prognosen der Experten ausfallen; Bush spricht vor dem Presse-Corps immer von einer stabilen Wirtschaft und einem starken Arbeitsmarkt. Er unterlegt das meist mit absoluten Zahlen und rechnet gerne alle während seiner Amtszeit geschaffenen Jobs zusammen. So kommt er auf eine bedeutend klingende Ziffer, die doch nichts mit der wirklichen Lage am Arbeitsmarkt zu tun hat.

Denn was Bush und das Arbeitsministerium regelmäßig verschweigen: Laut unabhängiger Experten muss die US-Wirtschaft monatlich zwischen 100 000 und 250 000 neue Stellen schaffen, um Bevölkerungswachstum und Zuwanderung auszugleichen. In den letzten zwölf Monaten schaffte man allerdings die niedrigste Hürde von 100 000 Stellen nur vier Mal, acht Mal lag die Zahl der neuen Jobs deutlich unter dem sechsstelligen Bereich. Und in den ersten beiden Monaten dieses Jahres gingen nun sogar Jobs verloren.

Für den Februar steht ein Stellenabbau von 63 000 zu Buche, was der schlechteste Stand seit fünf Jahren ist. Im Januar wurden zudem bereits 22 000 Stellen abgebaut. Das mag manche Beobachter überrascht haben, denn ursprünglich hatte man für den Januar einen leichten Stellenzuwachs gemeldet. Doch sind die monatlichen Revidierungen in den USA enrom. Auch für den Dezember wurden die Arbeitsmarktdaten gerade noch einmal nach unten revidiert: Statt 82 000 wurden im Weihnachtsmonat nur 41 000 Jobs geschaffen – gerade einmal halb so viele wie ursprünglich angekündigt.

Was dem Anleger bleibt: Die Erkenntnis, dass die jeweils aktuellen Daten vom Arbeitsmarkt unzuverlässig sind. Doch schlecht sind sie allemal. Das wiederum zeigt sich im Februar-Bericht an der Korrellation zweier Zahlen. So ist nicht nur die Zahl der neuen Stellen zurückgegangen, sondern auch die Arbeitslosenquote. Folglich geben immer mehr Amerikaner die Stellensuche komplett auf, weil sie in ihrem Umfeld keinen Job mehr finden.

Dieses Phänomen gekoppelt mit den sinkenden Netto-Einnahmen, dem allgemein schwachen Wachstum im Produzierenden Gewerbe und dem steilen Verfall des Dollar macht eines immer deutlicher: Die USA stecken mitten in einer Rezession.
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Alt 12-03-2008, 19:49   #812
Starlight
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Spitz, Spitzer… untragbar?


Einen Tag nachdem der New Yorker Gouverneur Eliot Spitzer einen Sex-Skandal zugeben musste, der den einstigen Saubermann seine politische Karriere kosten könnte, jubelt die Wall Street noch immer. Im Finanzdistrikt war Spitzer nämlich äußerst unbeliebt. Derweil verliert das Volk allmählich den Glauben an die Politik.

„Er hat diesen Laden hier kaputt gemacht“, zeterte ein Broker am Dienstagmorgen am Eingang zur New Yorker Börse. Das ist nicht ganz nachvollziehbar. Denn Eliot Spitzer – damals noch Generalstaatsanwalt – hat vor fünf Jahren nicht etwa Marktwirtschaft und Kapitalismus zerstört, sondern lediglich in den dunkelsten Ecken des Gentlemen’s Club an der Wall Street aufgeräumt.

Der Wall Street und besonders der New York Stock Exchange hat das gut getan. Seit der damalige Börsen-Chef Dick Grasso samt seiner Milliarden-Abfindung das Haus verlassen hat, ging es für die NYSE steil aufwärts. Unter der Führung des ehemaligen CEO John Thain wurde die NYSE in ein börsennotiertes Unternehmen umgewandelt, verschmolz mit der pan-europäischen Euronext zu einer der wichtigsten globalen Börsen, expandierte den elektronischen Handel und das Geschäft mit Futures und Optionen, übernahm zuletzt die American Stock Exchange… und sah den Aktienkurs zeitweise auf das Doppelte der Erstnotierung steigen. (Seit etwa einem Jahr leidet die NYSE-Aktie ebenso wie andere Finanzwerte und hat etwa die Hälfte ihres Wertes eingebüßt.)

Abseits der NYSE hat Spitzer die Machenschaften zahlreicher Banken und Brokerhäuser gestoppt, bei denen Investmentbanker und Analysten Hand in Hand arbeiteten und auf Kosten der nichtsahnenden Anleger Wertpapier-Einschätzungen fälschten, nachbörlich handelten, IPO-Zuteilungen nur noch in Insider-Kreisen vornahmen… kurz: so organisiert die Spielregeln verletzten, dass sie letztlich Geldbußen von insgesamt mehr als 2 Milliarden Dollar zahlen mussten.

Schaut man allein auf den Erfolg der Spitzer’schen Aufräumarbeiten vor seiner Zeit als Gouverneur, kann man dem Mann also nicht viel vorwerfen. Was ihm an der Wall Street aber Feinde für’s Leben verschaffte, waren Spitzers Ermittlungs- und Verhandlungstaktiken. In Verhören zerstörte er die Glaubwürdigkeit seiner Zeugen oft, in dem er ihnen private und moralische Verfehlungen unter die Nase rieb, etwa heimliche uneheliche Kinder oder Kontakt zu Prostituierten.

Dass nun, keinen fünf Jahr später, Spitzer selbst die Dienste eines Prostituierten-Rings nutzte, ist blanke Ironie. Er hat sich damit als völlig bigott geoutet und seine hohen ethischen und moralischen Standards als nicht mehr als heiße Luft. Details aus den Ermittlungsunterlagen gegen „Kunde Nr. 9“ zeigen zudem, dass der New Yorker Gouverneur allgemeine Standards noch weit unterboten hat.

So verschaffte er sich offensichtlich nicht nur außerehelichen Sex, sondern verlangte bei seinen „sieben oder acht Terminen“ nach „Dingen, die man vielleicht als unsicher bezeichnen könnte“. Er galt bei dem betroffenen Service Emperors Club VIP als schwieriger Klient – wenn auch als einer, der aufgrund seiner Machtposition durchaus in den Kundenkreis „global führender Herren“ passte. Zumal er offensichtlich bereit war, den üblichen Preis von bis zu 5500 Dollar pro Stunde zu entrichten.

Wieviel – und wie – Spitzer für die Dienst der Prostituierten gezahlt hat, ist ein wichtiger Punkt für die Ermittler. Es besteht der Anfangsverdacht, dass der Gouverneur seine Zahlungen an den Emperors Club VIP tarnte und sich damit möglicherweise der Vertuschung schuldig machte. In Online-Foren wird zudem allerorten gemutmaßt, wie Spitzer sich 5500-Dollar-Frauen haben leisten können; immerhin verdient der New Yorker Gouverneur relativ bescheidene 179 000, von denen er nach Steuern eine fünfköpfige Familie finanziert.

Zu den moralischen Verfehlungen kommen nun also schwerwiegende monetäre Vorwürfe ins Spiel, mit denen Eliot Spitzer jene Glaubwürdigkeit verliert, die ihm vor zwei Jahren einen Erdrutschsieg in den Wahlen beschert hat. In politischen Kreisen in der New Yorker Hauptstadt Albany gilt Spitzer als Gouverneur bereits weitgehen als untragbar. Das wiederum schlägt sich auf den Präsidentschaftwahlkampf nieder. So stellt sich die Frage, ob Hillary Clinton – wie Spitzer bei den New Yorker Demokraten gemeldet – den Rücktritt des ehemaligen Unterstützers fordern wird, um politischen Schaden von sich selbst abzuwehren.

Zudem dürften einige Politiker aufhorchen, die zuletzt im Rennen um die Präsidentschaft standen. So wird bereits diskutiert, ob sich Rudy Giuliani nach seinen gescheiterten Bemühungen um das Weiße Haus einen Job in Albany vorstellen kann. Auch der New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg, der eine Kandidatur als Präsident endgültig abgelehnt hat, dürfte vorgeschlagen werden.

Wer Spitzer bislang von einem Rücktritt abgeraten hat, ist ausgerechnet seine betrogene Ehefrau. Die stand – wie das in Amerika zur Schadensbegrenzung üblich ist – bei Spitzers Pressekonferenz schräg hinter ihm. Doch wird sie nicht das letzte Wort sprechen; Meldungen aus Albany werden zur Zeit an der Wall Street und im Rest der USA minütlich verfolgt.
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Alt 13-03-2008, 20:18   #813
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Die Fed in der Zwickmühle
Donnerstag, 13. März 2008

George W. Bush hat es gut. In seinem Parallel-Universum ist die Welt noch in Ordnung. Die Kriege in Afghanistan und Irak laufen erfolgreich, der internationale Terrorismus ist ausgeschaltet, und die US-Konjunktur – nun ja, sie brummt nicht. Sie durchlaufe gerade eine schwierige Zeit, meint der Präsident, aber eine Rezession sehe er nicht.

Darüber kann man geteilter Meinung sein. Man kann zwar in einem abgegriffenen Wirtschaftswörterbuch blättern und darin lesen, dass eine Rezession durch zwei Quartale mit negativem Wirtschaftswachstum definiert ist. Dann könnte man Bush recht geben.

Man könnte sich aber auch von längst überholten Definitionen verabschieden, sich in den Vorstandsetagen von Corporate America, in den Banken oder auf dem Parkett der New Yorker Börse umhören. Dann würde man feststellen, dass wirkliche Experten die US-Konjunktur auch ohne die zwei Minus-Quartale nicht nur in der Nähe einer Rezession sehen – sondern mittendrin.

Nun muss man sich nicht darüber ärgern, was George W. Bush sagt. Die überwältigende Mehrheit der Amerikaner wünscht sich nichts mehr, als dass sich der Präsident bis zum baldigen Ende seiner Amtszeit auf seine Ranch in Texas zurückziehen würde. Aber man darf durchaus wieder einmal den Kopf schütteln angesichts der Ignoranz, mit der das Weiße Haus den Problemen der Zeit entgegentritt.

Zumal diese Probleme nicht zu übersehen sind. Fassen wir zusammen: Die Kredit-Krise hat nicht nur die Bilanzen der Banken zerstört, sondern auch deren Willen künftig wieder Geld zu leihen. Die Kreditmärkte sind so illiquide wie nie zuvor, woran zuletzt nicht einmal die Zinssenkungen und sonstigen Geldspritzen der Fed etwas ändern können.

Überhaupt, die Fed – sie ist zur Zeit absolut hilflos. Und das kann man nicht einmal auf Ben Bernanke schieben, der seine begrenzten Hilfsmittel doch so kreativ und effektiv nutzt wie er nun eben kann. Doch gibt es eben Probleme, die sich durch Notenbankpolitik nicht lösen lassen:

Der Preisverfall am Immobilienmarkt lässt sich beispielsweise nicht geldpolitisch stoppen. Dem Verbraucher fehlt es zudem an Vertrauen und Kaufkraft, wie die jüngsten Einzelhandelsumsätze für den Februar zeigen. Die Rohstoffe – darunter Gold, Öl, aber auch Lebensmittel – werden immer teurer. Letzteres dürfte sich durch weitere Zinssenkungen der Fed sogar noch verschlimmern: Die Notenbank kämpft gegen eine erschreckend hohe Inflation und einen dramatischen Wertverfall beim Dollar; beides kann sie nicht stoppen.

Angesichts dieser stagflationären Trends sind mittlerweile selbst Berufs-Optimisten zur Vernunft gekommen. Hank Greenberg, der frühere CEO der American International Group und als solcher eine Legende im US-Finanzwesen, glaubt, dass der Abwärtstrend für die Konjunktur „mindestens bis Ende 2008 und wahrscheinlich deutlich bis ins Jahr 2009 anhalten“ werde.

Diese Einschätzung ist durchaus realistisch, denn die amerikanische Wirtschaft muss einige ihrer Probleme fundamental lösen. Auf dem Immobilienmarkt, aber auch im Bankenwesen und bei den Rohstoffen, muss eine deutliche Wertbereinigung stattfinden, die noch manches Opfer fordern wird. Zudem muss der Verbraucher umzudenken lernen: Der grenzenlose Konsum auf Pump, der Amerika in den letzten Jahrzehnten nach außen hin als gelobtes Land dastehen ließ, hat den Staat gleichzeitig ausgehöhlt. Insofern ist überhaupt fraglich, ob die Fed mit ihrer Niedrigzins-Masche überhaupt recht hat, oder ob man damit nicht nur die tödliche Sucht eines Junkies befriedigt.
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Alt 13-03-2008, 21:33   #814
nokostolany
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das ist doch echt wahnsinn......

was auch immer die FED macht verpufft spätestens 2 tage später wieder ......

bei GREENSPAN hätte das so nicht gegeben !
__________________
gruß
Nok




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Alt 14-03-2008, 20:32   #815
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Wall Street glaubt Washington nicht
Freitag, 14. März 2008

Selten hat die Wall Street so geringschätzig nach Washington geschaut wie in diesen Tagen. Was sich in Regierung und Ministerien abspielt, ist aber auch zuviel – vor allem am Freitag: George W. Bush spricht von einer „US-Wirtschaft, auf die der Rest der Welt neidisch ist“, und das Arbeitsministerium bestätigt, dass Inflation kein Thema ist.

Beides ist Blödsinn! Auf Präsident Bushs Äußerungen vor dem „Economic Club of New York“ möchte man gar nicht näher eingehen, so falsch sind sie. Angesichts des aktuellen Haushaltsdefizits, eines dramatisch fallenden Dollars, steigender Preise, hoher Entlassungen und gewaltiger Unsicherheit and den Aktienmärkten dürfte zur Zeit kaum eine Industrienation neidisch auf die USA sein.

Interessanter ist hingegen eine Debatte über die aktuellen Zahlen aus dem Arbeitsministerium. Dort meldete man zum Wochenschluss, dass die Verbraucherpreise im Februar nicht gestiegen seien. Das heißt: Die Inflationssorgen der Anleger sind überzogen; die Fed hat die Lage im Griff.

Das heißt in weiterer Konsequenz, dass die Notenbank am Dienstag keine Vorbehalte haben dürfte, den Leitzins um die vom Markt erwarteten 75 Basispunkte zu senken.

Doch wer sich den Bericht über die Verbraucherpreise genauer ansieht, wird stutzig. Die Energiepreise sollen im Februar um 0,5 Prozent zurückgegangen sein. Das ist angesichts von Rekordpreisen bei Rohöl, Heizöl, Benzin und Erdgas nicht möglich. Und ebenso wenig sind die dramatischen Preisanstiege bei Lebensmitteln, bei Krankenversicherungen und in anderen Alltagsbereichen in dem Bericht aus Washington widergespiegelt.

Es drängt sich die Frage auf, ob die Regierung die – offiziell unabhängige – Notenbank geradezu zu weiteren Zinssenkungen drängen will. Das würde man am einfachsten durch die Zerstreuung von Inflationsängsten erreichen. Einen Grund gäbe es dafür: Washington könnte seine Dollar-Schulden einfacher abbauen.

Die Skepsis der Wall Street gegenüber offiziellen Konjunkturdaten ist in den letzten Wochen gestiegen. Dazu beigetragen hat erst vor wenigen Tagen der Arbeitsmarktbericht, der auf breiter Basis angezweifelt wurde. Obwohl seit Jahresbeginn mehr als 80 000 Stellen vernichtet worden sind, freut sich Washington über eine geringere Arbeitslosenquote von aktuell 4,8 Prozent. Insider wissen, dass viele Langzeitarbeitslose die Hoffnung auf einen Job längst aufgegeben und ihre Stellensuche eingestellt haben – sie tauchen nun in der Statistik nicht mehr auf.

Diese Hintergründe sind dem politisch motivierten Kommentatoren egal; in seiner Rede am Freitag erwähnt George W. Bush die niedrige Arbeitslosenquote sogar explizit als Zeichen der wirtschaftlichen Stabilität im Land. An der Börse drückt sich solches Spinning immer öfter dadurch aus, dass die sonst Nachrichten-bessessenen Broker den zahlreichen TV-Schirmen den Rücken kehren und ungeachtet der Kommentare aus der Hauptstadt ihren Geschäften nachgehen.
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Alt 14-03-2008, 20:35   #816
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@ Nok

bin auch a bisserl ratlos

.....dabei wurde schon seit Monaten alles Mögliche getan, um die Märkte zu beruhigen und die Wirtschaft anzukurbeln. Die Geldinstitute setzten weltweit immer neue, hoch dosierte Geldspritzen, um den Geldmarkt vor dem Austrocknen zu bewahren. Der US-Kongress hat außerdem ein Konjunkturpaket im Wert von 170 Milliarden Dollar beschlossen: Rund 120 Millionen Haushalte bekommen Steuerschecks im Wert zwischen 600 und 1500 Dollar - Geld, das möglichst direkt zurück in den Konsum fließen und so die Nachfrage in wirtschaftlich schwierigen Zeiten stärken soll. Das dritte Stärkungsmittel: Rasche Zinssenkungen. Seit dem 18. September 2007 hat Fed-Chef Ben Bernanke den Leitzins von 5,25 Prozent auf aktuell drei Prozent heruntergenommen. Er legte dabei ein atemberaubendes Tempo vor. Ende Januar drückte er den Leitzins binnen einer Woche um 125 Basispunkte.
Doch an den Börsen ging es in den vergangenen Monaten trotzdem durchgehend bergab. Noch Anfang dieser Woche notierte der Dow Jones auf dem tiefsten Stand seit 17 Monaten. Der S&P 500 hatte seit September bis zum Börsenschluss am Montag rund 16 Prozent an Wert verloren. Dies ist die schlechteste Performance für einen sechsmonatigen Zinssenkungszyklus seit 50 Jahren, wie der Börseninformationsdienst Standard & Poors errechnet hat.....
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Alt 17-03-2008, 05:40   #817
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Panik bei der Fed
Montag, 17. März 2008

Die Fed ist verzweifelt. In einer Sonntags-Sitzung hat der Offenmarktausschuss nur zwei Tage vor der nächsten offiziellen Sitzung den Diskontsatz gesenkt und den Finanzmärkten weitere 30 Milliarden Dollar an Liquidität zur Verfügung gestellt. Auf so panische Maßnahmen kann die Wall Street eigentlich nur mit einem Crash reagieren.

Nur zwei Tage vor der Fed-Sitzung hat der Offenmarktausschuss der amerikanischen Notenbank den Diskontsatz um 25 Basispunkte auf 3,25 Prozent gesenkt. Eine weitere Senkung – und eine Senkung des Leitzinses um bis zu 100 Basispunkte auf nur noch 2 Prozent – wird für Dienstag erwartet.

Dass die Notenbank weniger als 48 Stunden vor dem nächsten Meeting dem Markt erneut entgegenkam, könnten Anleger durchaus als panisch und damit negativ auslegen. Ein positiver Effekt für den Markt hingegen droht von vorneherein nur sporadisch zu sein. Schon seit Wochen gelingt es der Fed selbst mit radikalen Zinssenkungen und kreativen Liquiditätsspritzen nur stundenweise für Kauflaune zu sorgen.

Experten an der Wall Street fragen sich zudem immer mehr, wann die ständigen Zinssenkungen der Notenbank auf den angeschlagenen Verbraucher durchwirken. Der zahlt zur Zeit nämlich nur theoretisch niedrigere Zinsen für seine Hypothek, weil Banken die Zinssenkungen nicht in vollem Umfang weiterreichen und auch die über Sonderfinanzierungen von der Fed gestellte Liquidität lieber zur Sanierung des eigenen Portfolios nutzen.

Zudem haben die Zinssenkungen weiter verheerende Auswirkungen auf den Dollar, der gegenüber sämtlichen internationalen Vergleichswährungen weiter abbaut. Zum Börsenstart an den asiatischen Märkten fiel die US-Währung am Montagmorgen (Sonntagabend Ortszeit Washington) unter 97 Yen und damit auf den tiefsten Stand seit mehr als zwölf Jahren.

Insider auf dem New Yorker Parkett rechnen mit einem Ausverkauf von US-Papieren. Dass sich die Börsen in den letzten Wochen noch einigermaßen stabil hielten, schieben viele nicht etwa einer immer wieder aufkommenden Nachfrage zu als vielmehr nervösen Short-Sellern, die ihre Leerverkäufe schon bei relativ geringen Kursstürzen zur Gewinnmitnahme eindecken. Sind einmal die Leerverkäufer bärisch – was durch die unorthodoxe Sonntags-Sitzung der Fed durchaus beschleunigt werden könnte – dürften an der Wall Street alle Dämme brechen.



Action am Sonntag: JP Morgan kauft Bear Stearns


Rettung für Bear Stearns: Zwei Tage nachdem das Unternehmen nur dank einer Milliarden schweren Finanzspritze sein Übernehmen sichern konnte, übernimmt die Großbank J.P. Morgan Chase das traditionsreiche Brokerhaus. Man zahlt für Bear Stearns etwa 2 Dollar pro Aktie – vor einem Jahr hatte das Papier bei fast 170 Dollar notiert.

Die Aktionäre von Bear Stearns müssen einer Übernahme durch J.P. Morgan Chase noch zustimmen. Allerdings hatte sich bereits vor dem Wochenende abgezeichnet, dass das Brokerhaus, das sich im Zusammenhang mit Subprime-Investitionen massiv verspekuliert hatte und letztlich keine Liquidität mehr hatte, nur durch eine Übernahme gerettet werden könnte.

J.P. Morgan Chase und Bear Stearns hatten schon am Freitag erste Übernahmeverhandlungen geführt; ein Deal wurde am Sonntag verkündet. Damit haben die Unternehmen versucht, noch vor Öffnung der asiatischen Aktienmärkte für Beruhigung im angeschlagenen Brokersektor zu sorgen und massive Kurseinbrüche an den internationalen Handelsplätzen zu verhindern.

Wie notwendig eine Übernahme von Bear Stearns geworden war, zeigte sich am Wochenende, als zu der bestehenden Liquiditätskrise auch noch Probleme mit einem asiatischen Investor aufgetaucht waren. So hatte das chinesische Brokerhaus CITIC erklärt, seinen Einstieg bei dem amerikanischen Traditionshaus mit einem geplanten Volumen von 1 Milliarde Dollar zu überdenken.

Mit einem Übernahmepreis von 2 Dollar pro Aktie gibt J.P. Morgan für Bear Stearns nun 236 Millionen Dollar aus. Die Aktie hatte am Freitag nach einem Kurssturz um 47 Prozent bei 30 Dollar geschlossen; vor einem Jahr hatte das Papier des 14 000 Mitarbeiter starken Unternehmens fast 170 Dollar gekostet, bevor es mit dem Ausbruch der Hypotheken- und Kreditkrise in einen steilen Sinkflug fiel.

Dass Bear Stearns für unglaubliche 2 Dollar pro Aktie verkauft wird, lässt Anleger und Analysten darüber rätseln, wie dramatisch die Probleme für das Brokerhaus wirklich waren. Noch mehr als in den letzten Tagen macht sich die Wall Street in den nächsten Tagen auf Hiobs-Botschaften gefasst: In der laufenden Woche melden unter anderem Goldman Sachs, Morgan Stanley und Lehman Brothers ihre Quartalszahlen.

Abgesehen von den Broker-Zahlen ist die Fed-Sitzung am Dienstag der wichtigste Termin der Woche. Anleger gehen davon aus, dass die Notenbank den Leitzins um 75 bis 100 Basispunkte senken wird. Der Offenmarktausschuss hat dem Markt seit Tagen weiteres Entgegenkommen signalisiert und will um jeden Preis Liquidität sichern. Daher senkte man bereits am Sonntag den Diskontsatz, zu dem Banken Geld leihen, um 25 Basispunkte auf 3,25 Prozent.
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Alt 19-03-2008, 20:23   #818
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Der Krieg und die Konjunktur
Mittwoch, 19. März 2008

Seit fünf Jahren führt Amerika Krieg im Irak, und die Meinungen über den Einsatz gehen weit auseinander: Während Bush, Cheney & Co. ihre Streitkräfte auf dem rechten Weg sehen, halten 66 Prozent der Bürger den Krieg für falsch. 71 Prozent halten ihn auch noch für teuer und ökonomisch gefährlich, doch auch das sieht man im Weißen Haus anders.

„Ich denke, dass uns der Krieg wirtschaftlich geholfen hat“, gab Präsident George W. Bush nun zu Protokoll. „Wir kaufen Ausrüstung, und das verschafft den Leuten Arbeitsplätze.“ Und einerseits stimmt es natürlich, dass Großaufträge an Rüstungsfirmen und Zulieferer der Militär-Industrie einige Jobs geschaffen haben. Doch scheinen die hohen Ausgaben für den Irak-Einsatz zumindest zum Teil dafür verantwortlich zu sein, dass die USA in eine Rezession rutschen oder gerutscht sind, die zuletzt im Rekordtempo Jobs abgebaut hat; 85 000 Stellen sind seit Januar 2008 verloren gegangen.

Dass der Krieg an der jüngst so schwachen Entwicklung der US-Konjunktur seinen Anteil hat, steht für Experten außer Zweifel. Der Wirtschafts-Nobelpreisträger und frühere Clinton-Berater, Joseph Stiglitz, und die Harvard-Professorin und frühere Finanzchefin im Handelsministerium, Linda Bilmes, taxieren den Einsatz auf 3 Billionen Dollar – Zinsen für internationale Kredite und Defizite eingerechnet.

In letzteren liegt der springende Punkt: Der Krieg im Irak ist vor allem deshalb ein Desaster für die US-Konjunktur, weil Bush als erster Kriegspräsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten während eines laufenden Einsatzes die Steuern gesenkt hat. Bei früheren Kriegen hatte es stets Steueranhebungen gegeben, die wider republikanischer Einschätzung von Volk und Industrie auch stets getragen wurden – galt es doch, einen Krieg zum Nutzen des Landes zu finanzieren.

Stiglitz und Bilmes empfehlen aus wirtschaftlicher Sicht, den Einsatz im Irak so schnell wie möglich abzuwickeln. Während das Weiße Haus ganz anderer Ansicht ist, stimmen die Amerikaner größtenteils zu: Laut aktueller Umfragen finden 61 Prozent der Befragten, dass der nächste Präsident – auf Bush zählt man längst nicht mehr – den Truppenabzug in den ersten Monaten seiner Amtszeit einleiten soll.

Bittere Bilanz des Krieges: Nur 36 Prozent der Amerikaner glauben, dass der Einsatz im Irak für die USA überhaupt notwendig war; zu Beginn des Krieges waren noch 68 Prozent der Befragten dieser Meinung.
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Alt 20-03-2008, 20:12   #819
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Woher kommt die Osterfreude?
Donnerstag, 20. März 2008

Auf dem Parkett der Wall Street herrscht am letzten Handelstag der Woche gute Stimmung. Eine Achterbahnwoche scheint trotz gemischter Daten mit deutlichen Gewinnen zu enden. Es scheint als hofften die Anleger, dass am Oster-Wochenende mit dem Herrgott auch die Börse wiederauferstehen könnte.

Dabei sollten die Spekulanten vielleicht noch einmal im Buch der Bücher blättern und sich erinnern, dass der Herr den Händlern gar nicht so wohl gesonnen war. Hatte er sie nicht einst aus dem Tempel verjagt?

Nun, jetzt haben sie ja ihren eigenen Tempel mit der schicken Adresse „11 Wall Street“ – und ihren eigenen Glauben haben sie auch. Ihren Glauben an die Unverwüstlichkeit der amerikanischen Wirtschaft und an eine baldige Erholung der Aktien-Indizes. Dafür lohnt es sich zu beten, denn von alleine dürfte sich die Lage auf absehbare Zeit nicht bessern.

Das beweisen nicht zuletzt die aktuellsten Wirtschaftsdaten. Der Überblick der Führenden Indikatoren fiel schwach aus, die jüngsten Zahlen vom Arbeitsmarkt zeigen, dass kaum neue Jobs entstehen. Und der Philly Fed Index als wichtigster Industrie-Indikator zeigt sich zwar besser als erwartet – aber dennoch deutlich im Minus. Mit einem Zählerstand von minus 17,4 Punkten lässt der Index ganz klar erkennen, dass es in der Branche abwärts geht. Dass die Wall Street mit einem Zählerstand von minus 18 Punkten gerechnet hatte, darf nicht allen Ernstes Grund für eine Rallye sein.

Zumal auch bedeutende amerikanische Konzerne einen trüben Ausblick geben. Der Post- und Paketdienst FedEx, der von privaten Einschreiben bis hin zu Containerfracht alles verschickt, spiegelt mit seiner Bilanz für gewöhnlich recht genau die konjunkturelle Lage im Land wider. Und FedEx leidet aktuell unter einem schwachen Frachtaufkommen und unter hoher Inflation, die sich vor allem in den Spritpreisen niederschlägt. Schwäche und Inflation – das hat die Wall Street doch schon einmal gehört: Seit Wochen gilt Stagflation an der Börse als eines der größten Probleme.

So ist es zumindest eine kleine Erleichterung, dass seit zwei Tagen die Rohstoffpreise fallen und sich zumindest Energie- und Lebensmittelkosten etwas erholen dürften. Das stärkt den Verbraucher, der allerdings noch lange keinen Grund zum Jubeln hat. Immerhin kostet Öl auch nach den jüngsten Kursverlusten noch 100 Dollar pro Fass und damit 60 Prozent mehr als noch vor einem Jahr.

Umso erstaunlicher, dass Anleger vor dem Oster-Wochenende so optimistisch sind. In unsicheren Zeiten werden vor allem im Vorfeld eines langen Wochenendes gerne Gewinne mitgenommen, weil die Zuversicht in den Markt fehlt. Doch die scheint der Osterhase nun gebracht zu haben; die Börse feiert – Frohe Ostern!
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Alt 26-03-2008, 19:00   #820
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Wer profitiert von teurem Sprit?
Montag, 24. März 2008

Der Ölpreis mag in den letzten Tagen ein wenig nachgegeben und Inflationssorgen unter Anlegern verdrängt haben. Dumm nur: Der amerikanische Autofahrer hat davon nichts mitbekommen; der Benzinpreis an US-Zapfsäulen ist am Wochenende erneut auf ein historisches Hoch geklettert. Eine Gallone Sprit kostet im Durchschnitt 3,26 Dollar.

Hohe Spritpreise werden an der Wall Street aus zwei Richtungen bewertet: Einerseits sind sie ein gefährlicher Inflationsfaktor. Denn nicht nur der Autofahrer zahlt mehr, der ins Büro oder die Kinder zur Schule fährt. Auch der Gütertransport wird teurer, weshalb sich hohe Benzinpreise recht schnell auf andere Bereiche – von Lebensmitteln zu Urlaubsreisen – ausweiten.

Andererseits gibt es auch Krisenprofiteure: die Öl-Multis. Deren Kurse ziehen normalerweise an, da mit hohen Spritpreisen auch die Unternehmensgewinne steigen. Da der Ölsektor samt seinen Zulieferern einen beträchtlichen Anteil des marktbreiten S&P-500-Index ausmacht, kann das der Börsenstimmung durchaus gut tun. Allein, zur Zeit funktioniert das nicht. Trotz Preisen auf Rekordniveau machen Exxon & Co. längst nicht mehr die Kohle, die man noch vor zwei Jahren scheffelte.

Der Grund: Die Raffinierien können die dramatischen Preisanstiege von Rohöl nicht komplett an den Kunden weitergeben. Bei diesen Unternehmen – dazu gehören die Dow-notierte Branchenriese Exxon Mobil und Chevron sowie ConocoPhilips, Sunoco oder Valero – bleiben vom aktuellen Spritpreis gerade einmal 27 Cent pro Gallone hängen.

Zu vernachlässigen ist der Umsatzanteil, der direkt vor Ort an der Tankstelle bleibt. Nach Ausgaben für Pacht und anfallenden Löhnen bleiben Tankstellenbesitzern von all den Rekordsummen höchstens ein paar Cent, weshalb Tankstellen ohne angeschlossenen Magazin- oder Lebensmittelhandel kaum überleben können.

Weitere 35 Cent pro Gallone Sprit gehen für den Transport drauf, angefangen von vielen Kilometern Pipeline über die Kosten auf Schiff und Tanklaster. Weitere 42 Cent pro Gallone fallen an Steuern an und finanzieren in den USA einen großen Teil der Infrastruktur.

Den größten Teil der Spritkosten macht damit das Rohöl aus: Ganze 2,20 Dollar pro Gallone, also satte zwei Drittel, gehen an die Produzenten. Dazu gehören Chevron und BP, kleinere Konzerne wie Anadarko und Marathon, vor allem aber staatliche Betriebe in Saudi-Arabien, Venezuela und Mexiko. Diese sind die einzigen, denen der hohe Ölpreis wirklich zugute kommt; viele andere sehen sich der Wut der Autofahrer zu unrecht ausgesetzt, darunter auch die Öl-Trader an der New Yorker Rohstoffbörse Nymex. Die profitieren nämlich nicht von höheren Preisen, sondern allein von der Volatilität des Marktes. Ob der Ölpreis von 90 auf 100 Dollar steigt, oder von 100 auf 90 Dollar fällt, macht für den Trader keinen Unterschied – vorausgesetzt er hat den Trend erkannt und sich entsprechend positioniert.
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Alt 26-03-2008, 19:01   #821
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Die Steuer-, Steak- und Schmuck-Krise
Mittwoch, 26. März 2008

Über New York scheint die Sonne, die Wolkenkratzer recken sich in den Frühlingshimmel und die Freiheitsstatue hält ihre Fackel über den Hafen – doch vom ewigen Optimismus der Metropole ist in diesen Tagen wenig zu spüren. Die jüngsten Querelen an der Wall Street sorgen für Unruhe.

Monate lang schipperte New York recht ruhig durch die konjunkturelle Krise in den USA. Um die Immobilienpreise, die im ganzen Land steil fallen, sorgte man sich in Manhattan nicht, schließlich sorgt die Insel-Lage der Stadt für ein begrenztes Angebot an Wohnraum und damit eigentlich für kontinuierlich hohe Preise. Doch die jüngsten Milliardenverluste der Banken, von denen nun einmal die meisten ihren Sitz in New York haben, haben Unsicherheit in die Straßen gebracht.

Denn die Wall Street steht hinter geschätzten 600 000 Jobs, von denen im Zusammenhang mit den schlechten Bilanzen der Arbeitgeber viele auf der Kippe stehen. Die Großbank Citigroup fährt zur Zeit das Personal um 10 Prozent zurück, Lehman Brothers entlässt 1400 Angestellte, und auch bei Goldman Sachs stehen Entlassungen an. Die Übernahme der Investmentbank Bear Stearns durch J.P. Morgan dürfte tausende von Jobs kosten; düstere Szenarien sehen bald den größten Teil der 14 000 Angestellten auf der Straße.

Mit den (hochbezahlten) Jobs gehen New York massiv Steuereinnahmen verloren. Zuletzt stand die Wall Street hinter 35 Prozent der Löhne und Gehälter in der Metropole. Dazu kommen die Abgaben der Unternehmen. Für jede Milliarde Gewinn fließen 70 Millionen Dollar in die Kasse der Stadt. Laut aktueller Prognosen dürften die Gewinne der Banken in 2007 auf die Hälfte zurückgegangen sein und bei etwa 3,3 Milliarden Dollar gelegen haben.

Die Probleme der Wall Street bleiben indes nicht im Finanzsektor, sondern ziehen weite Kreise. Denn das Geld der Banker versauert schließlich nicht auf deren Konten. Es fließt in hochpreisige Restaurants, in die Juwelier- und Schmuckläden, in Theater, Opernhäuser und Museen… alle diese Einrichtungen bilanzieren zur Zeit heftige Umsatzeinbrüche. In einigen Steakhäusern in Manhattan sind die Umsätze um bis zu 20 Prozent zurückgegangen.

Noch dramatischer sinkt die Nachfrage nach teuren Wohnungen. Immobilienmakler berichten von Kunden, die von geplanten Millionen-Deals in den Nobelvierteln an der Upper East Side oder in Tribeca plötzlich die Finger lassen, weil sie sich auf ihre künftigen Boni nicht mehr verlassen können.

Diese unerwartete Zurückhaltung der New Yorker Banker löst einen Domino-Effekt aus: Mit der niedrigen Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen werden weitere Arbeitsplätze gefährdet – und damit die Löhne, Gehälter und letzten Endes die Hypotheken zigtausender New Yorker, die von der eigentlichen Zockerei an der Wall Street mindestens ebenso weit entfernt sind wie die Durchschnitts-Amis in Arkansas und Montana.
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Alt 31-03-2008, 17:42   #822
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US-Investoren setzen auf Auslands-Fonds
Freitag, 28. März 2008

Eine Woche nach dem großen „Run on the Banks“ hat sich die Wall Street recht gut geschlagen; doch die Panik an der Wall Street ist noch lange nicht ausgestanden. Im Gegenteil: Investoren ziehen immer mehr Geld aus amerikanischen Anlagen und kaufen Aktien und Fonds im Ausland.

Die wöchentlichen Zahlen der Agentur TrimTabs über die Kapitalzuflüsse am amerikanischen Markt gehören zu den wichtigsten Datensätzen für Insider an der Wall Street. Seit einigen Wochen zeigen sie allerdings einen bedenklichen Trend: Immer mehr Kapital, das an der Wall Street eingesetzt wird, setzt gar nicht auf die US-Wirtschaft. Von den 7,43 Milliarden Dollar, die in der vergangenen Woche investiert wurden, gingen etwa 4,4 Milliarden Dollar – also satte 60 Prozent – an Börsen-notierte Fonds, die auf internationale Aktien setzen.

Derer gibt es immer mehr. Ab kommender Woche handeln allein an der NYSE Euronext drei neue Auslands-Fonds, deren Investment nach Israel, Thailand und die Türkei geht. Auch Währungsfond finden regen Zulauf; ein neues Investmentvehikel auf den chinesischen Rimimbi feierte erst vor zwei Wochen seinen Einstand auf dem New Yorker Parkett.

Auch an den anderen amerikanischen Börsen sind die Trends spürbar. Die britische Barclay´s hat eben bekannt gegeben, an der Nasdaq zwei neue Auslandsfonds zu listen, die zur Produktgruppe der iShares gehören.

Zwischen den Spekulationen um Rezession und Stagflation, den verheerenden Preisstürzen auf dem Immobilienmarkt, den hohen Rohstoffpreisen und den jüngsten Bankenpleiten haben Spekulanten offensichtlich weniger Vertrauen in die amerikanischen Märkte als je zuvor.

Die Politik hat das mitbekommen. Nicht nur die demokratischen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama und Hillary Clinton, sondern seit neuestem auch der Republikanische Kontrahent John McCain sprechen sich deutlich für eine verstärkte Regulierung der Märkte aus. Vor allem für McCain ist das neu; die Republikaner hatten bis zuletzt gelobt, sich aus dem freien Markt herauszuhalten.

Interessant ist die aktuelle Debatte über die Kapitalflüsse auf dem Parkett. Während sich die Bären bestätigt und den Markt in einer schten Krise sehen, freuen sich die Bullen – nicht ganz zu Unrecht – auf ein umso steileres Comeback der Wall Street, wenn die US-Konjunktur ihren Boden erst einmal erreicht hat und das Vertrauen der amerikanischen und der internationalen Anleger in die US-Märkte wieder kommt. Dann steht nämlich jede Menge Kapital bereit, mit dem sich ein historischer Bullenmarkt gestalten ließe.

Doch der wird erst kommen, wenn die Bodenbildung stattgefunden hat und bewiesen ist. Angesichts der jüngsten Ereignisse in und um New York ist man davon noch eine Weile entfernt.
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Alt 02-04-2008, 06:42   #823
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Mit Farbe gegen den Konsum-Blues


Die amerikanischen Verbraucher stecken tief im Rezessions-Blues. Am Konjunkturhimmel hängen dunkelgraue Wolken, Finanzexperten blicken düster und haben nach schlaflosen Nächten schwarze Augenringe. Einige US-Konzerne kämpfen jetzt gegen die Tristesse an: Sie wollen mit bunten Farben den Konsum wieder ankurbeln.

„In schlechten Zeiten brauchen die Verbraucher Aufmunterung“, erklärt der Trendforscher Gerald Celente. „Daher war der Swing ja während der Großen Depression so erfolgreich.“

Diese Logik scheint Herstellern in allen Branchen einzuleuchten. Der Handtaschen-Riese Coach führt seine Kollektion für Sommer 2008 mit Modellen in grün und lila an. Der Elektronik-Hersteller LG hat Waschmaschinen und Trockner in „Emerald Green“ und „Bahama Blue“ im Angebot und bringt mit einem schicken hellblau erstmals Farbe sogar in den Innenraum seiner Backöfen.

Die Automobil-Konzerne stehen nicht zurück: General Motors hat für 2008 eine Chevrolet Corvette in „Metallic Blue“ im Angebot, und 2009 rollt der schnittige Pontiac Solstice in strahlendem Gelb in die Autohäuser. Erste Erfolge mit bunten Wagen hat der Konzern bereits verbucht. In der H3-Reihe des Riesen-SUV Hummer verkauft sich die Ausführung in kräftigen Orange am besten; der neue Ton macht bereits 8 Prozent am Gesamtumsatz aus.

„Die Unternehmen haben erkannt, dass sie in schweren Zeiten besondere Kaufreize geben müssen“, meint der Einzelhandels-Analyst Marshal Cohen vom Brancheninstitut NPD Group. Dabei gibt es keine Garantie dafür, dass sich die Farbtherapie auszahlt. Im Gegenteil: Branchendaten von 1990 und 1991 belegen, dass der Einzelhandel während der letzten großen Rezession trotz ähnlicher Farb-Attacken nur ein Umsatzplus von 0,5 Prozent pro Jahr verbuchen konnte.

Ein Gutes hat das offene Bekenntnis der Unternehmen zu Farbe aber: Die Ware wird besser als sonst wahrgenommen, sind sich Insider sicher. Langfristig profitiert davon die Marke.
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Alt 02-04-2008, 19:57   #824
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Zu wenig Essen an der Tafel
Mittwoch, 2. April 2008

Die Arbeitslosigkeit steigt, die Einkommen der Amerikaner stagnieren, hohe Inflation bei Energie und Lebensmitteln frisst einen immer größeren Teil der Löhne und Gehälter auf… all diese Trends haben jetzt zu einem neuen Rekord geführt: 28 Millionen Amerikaner beziehen zur Zeit Lebensmittelmarken – so viele wie nie zuvor.

Dabei sind die Bedingungen, zu denen Amerikaner staatliche Unterstützung über Lebensmittelmarken bekommen, so eng gefasst wie eh und je. Nur wer höchstens 30 Prozent über der Armutsgrenze liegt – das heißt, wer etwa mit einem Jahreseinkommen von 27 500 Dollar eine vierköpfige Familie unterhält – bekommt Marken. Doch das sind zur Zeit mehr als 9 Prozent der Amerikaner.

Aktuelle Statistiken zeigen, dass die Zahl der Bedürftigen in den USA im vergangenen Jahr so steil zugelegt hat wie nie zuvor. Allein im Bundesstaat Rhode Island ist die Zahl der Empfänger von Lebensmittelmarken seit 2006 um 18 Prozent gestiegen, auch in den Bundesstaaten Arizona, Florida, Nevada und North Dakota werden Zuwächse im zweistelligen Prozentbereich gemessen.

Seit Jahren hoch ist hingegen die Zahl der Betroffenen in den Industriestaaten im Mittleren Westen. In Michigan, wo der Untergang der Automobil-Industrie hunderttausende von Arbeitsplätzen vernichtet hat, bezieht jeder achte Einwohner Lebensmittelmarken. Ähnlich sieht es in den Nachbarstaaten Ohio und Illinois aus.

„Wir sind hier an ein hohes Maß an Armut gewöhnt“, berichtet Maureen Sorbet vom Sozialministerium des Staates Michigan. So schlimm wie zur Zeit sei es aber noch nie gewesen. US-weit, so kommentieren Experten, habe man sogar die bisherigen Rekordstände von 2005 geschlagen. Damals hatte der Hurrikan Katrina vor allem im Süden für einen dramatischen Anstieg der Armut gesorgt und die Zahl der Bedürftigen in die Höhe schnellen lassen.

Einen Teil der jüngsten Zuwächse schreiben Experten wohlgemerkt nicht der steigenden Armut in den USA zu, sondern einer Umstellung des Systems in weiten Teilen des Landes. Seit in vielen Staaten nicht mehr klassische Marken aus Papier, sondern spezielle Scheckkarten ausgegeben werden, hätte die Akzeptanz der staatlichen Hilfe dramatisch zugenommen. Mit den Marken sei ein Stigma verschwunden, dass viele an der Supermarkt-Kasse nicht offenbaren wollten.

Doch die Modernisierung des Systems erklärt nicht die rasant steigenden Zahlen der sozial Bedürftigen. Michael Hayes, Sprecher einer großen Bedürftigen-Organisation in New York, schiebt die jüngste Entwicklung ganz klar auf die wirtschaftlichen Umstände. Die allein hätten dazu geführt, dass in New York zuletzt 1,86 Millionen Bürger – also etwa jeder Zehnte – Marken erhalten hätte.

Unterdessen spitzt sich die Lage auch unterhalb der Marken-Schicht zu. Die ärmsten Amerikaner, die in Tafel-Läden Zugang zu verbilligter oder kostenloser Nahrung haben, finden dort nicht mehr ausreichend Ware. Die Spenden seien dramatisch eingebrochen, berichtet Lynn Brantley von der „Food Bank“ in Washington. Hilfe kommt von großen Einzelhandelsketten wie Wal-Mart, die essbare aber unverkäufliche Ware liefern. Keine stolze Bilanz für die letzte verbliebene Weltmacht.
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Alt 04-04-2008, 19:09   #825
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Ein Blick hinter die Job-Statistik


Die zweite Wochenhälfte wird an der Wall Street von einem Thema dominiert: dem Arbeitsmarkt. Drei Tage, drei Datensätze – und alle dürften wohl eines gemeinsam haben: Sie dürften weitere Anzeichen dafür liefern, dass die USA mitten in einer Rezession sind. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint.

Der wöchentliche Blick auf die Erstanträge auf Arbeitslosenuntertstützung ist dabei noch die Zahl, über die sich der Markt am ehesten hinwegsetzen kann. Der hoch volatile Indikator ist am heutigen Donnerstag deutlich schlechter ausgefallen als erwartet, er geht aber zwischen zwei viel wichtigeren Statistiken unter:

Der so bekannte wie umstrittene Frühindikator, den die Agentur ADP jeweils zwei Tage vor dem offiziellen Arbeitsmarktbericht veröffentlicht, sprach am Mittwoch von 8000 neu geschaffenen Stellen im März. Der Index liegt häufig daneben, meist aber positiver als die tatsächlichen Zahlen. Auch aktuell klingt er optimistischer als die bisherige Schätzung für den Bericht aus Washington: Die werden diesmal – zum Wochenschluss am Freitag – tief rot erwartet.

Der Markt hat sich auf einen Verlust von 40 000 Jobs eingestellt; seit Jahresbeginn sind bereits 85 000 Stellen verloren gegangen. Allein um dem Bevölkerungswachstum gerecht zu werden, hätte die US-Konjunktur im selben Zeitraum eigentlich zwischen 300 000 und 500 000 neue Stellen schaffen sollen.

Als wäre das nicht schlimm genug, weisen Experten auf einige Faktoren hin, die im offiziellen Arbeitsmarktbericht – und in den Frühindikatoren – nicht enthalten sind. So lasse einerseits die Arbeitslosenquote, die bei moderaten 5,0 Prozent liegen soll, diejenigen außer Acht, die sich angesichts der Krise und frustriert von monatelanger, erfolgloser Job-Suche gar nicht mehr um eine neue Stelle bemühen.

Andererseits übersieht der Bericht aus Washington diejenigen, die von einer vollen Stelle auf Teilzeit umstellen mussten. Das kam im Februar US-weit eine halbe Million mal häufiger vor als noch vor einem Jahr. Das entspricht einem Zuwachs von 21 Prozent. Auch selbständige Amerikaner, die etwa als Handwerker keine Aufträge mehr bekommen, tauchen in der Statistik nicht auf.

Gleichzeitig steigt dramatisch die Zahl der Arbeitnehmer, die mehrere Teilzeit-Stellen halten. Die Zahl der saisonal angeheuerten Arbeitskräfte geht hingegen zurück. „All das sind für mich klare Zeichen einer Rezession“, urteilt David Wyss, der Chef-Volkswirt von Standard & Poor’s.

Auch in Washington gibt man sich unterdessen nicht mehr der 5-Prozent-Illusion hin. Diese Zahl steht zwar offiziell für die Abeitslosigkeit in Amerika, doch gibt es interne Studien im Arbeitsministerium, die all die wichtigen Faktoren mit einbeziehen, die von der sogenannten „Headline“-Zahl verschwiegen werden. Keith Hall vom amerikanischen Bundesamt für Arbeitsmarktstatistiken sieht die wahre Arbeitslosigkeit entsprechend bei 8,9 Prozent – deutlich höher als die 8,1 Prozent, die vor einem Jahr gemessen wurden.
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