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Alt 11-07-2006, 18:56   #511
Starlight
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Beobachtungen zum US-Haushalt

Für Hank Paulson hätte der neue Job kaum schöner beginnen können. Einen Tag nachdem der ehemalige CEO von Goldman Sachs als 74. Finanzminister der USA vereidigt worden war, saß er am Dienstagmorgen im Weißen Haus und hörte einen Haushaltsbericht, der deutlich besser ausfiel als bisher erwartet.

Nicht dass Paulson mit dem von Präsident George W. Bush irgendetwas zu tun hätte – die Pläne fallen noch komplett in die Amtszeit seines Vorgängers John Snow –, doch lässt es sich in seiner Position leichter schalten und walten, wenn das Defizit in den Staatskasten mit 296 statt der bisher befürchteten 423 Milliarden Dollar gemessen wird.

Doch nicht nur Paulson gefiel der Budget-Bericht. Vor allem Präsident Bush war am Morgen guter Laune. Dauergrinsend sah der mit guten Nachrichten nicht eben verwöhnte Texaner die Wirksamkeit seiner seit Jahren umstrittenen Steuersenkungen bewiesen, zumal es die summarisch höheren Steuereinnahmen aus Corporate America sind, die für die unerwartete Verbesserung gesorgt haben.

Dennoch ist die neue Haushaltsschätzung des Congressional Budget Office, einer überparteilichen Behörde in Washington, nicht unumstritten – und auch die Steuerpolitik des Präsidenten wird es nicht bleiben. Zum einen können Experten Bush weiterhin vorhalten, dass er seine Amtszeit mit einem gewaltigen Haushaltsüberschuss angetreten hatte, für das Experten beider Parteien damals ein Wachstum auf 5,6 Billionen Dollar über zehn Jahre prognostiziert hatten.

Von einem Defizit war damals nicht die Rede, dazu haben erst die Terrorangriffe des 11. September, die teuren Kriege in Irak und Afghanistan, die Milliardenkatastrophe von New Orleans im letzten Sommer, hohe Zinsen für bestehende und wachsende Schulden im Ausland und nicht zuletzt die schwächeren Staatseinnahmen gesorgt. Insofern dürfte jeder Schritt aus dem Defizit heraus als nicht mehr als Pflichterfüllung gewertet werden, Grund zum Jubel gibt es eigentlich nicht.

So sehr man sich im Weißen Haus über eine Trendwende freut und das Wahlkampfziel nahe glaubt, das Defizit bis 2009 halbiert zu haben, so sehr sollte man sich die Zahlen sowieso noch einmal im historischen Vergleich anschauen. Dann zeigt sich, dass die Steuereinnahmen aus Corporate America zwar deutlich gewachsen sind, was auf eine stark boomende Konjunktur schließen lässt. Allerdings erholen sich die Einnahmen lediglich von historischen Tiefständen, die erst unter der Bush-Regierung überhaupt erreicht worden waren. Im Prinzip nähere man sich lediglich den Werten, die man bereits vor einer Dekade gesehen habe, meint Robert Greenstein, der Direktor des Center on Budget and Policy Priorities, einem liberalen Think Tank.

Zudem lässt sich nicht darüber hinwegsehen, dass die Steuerbelege aus Corporate America letztlich doch nur das zeigen, was Kritiker der Bush-Politik immer befürchtet hatten: Den Unternehmen geht es besser, den Angestellten aber nicht. Die hoch besteuerten Unternehmensgewinne sind im letzten Jahr dramatisch gestiegen, die weniger aggressiv besteuerten Löhne hingegen nicht. Diese Umverteilung sorgt für den Einnahmen-Anstieg, dessen Ende dann kommt, sobald die Unternehmensgewinne gipfeln – damit rechnen Analysten an der Wall Street bereits in diesem Quartal, spätestens aber bis Jahresende.

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Alt 13-07-2006, 21:12   #512
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Halliburton verliert Irak-Auftrag

Seit drei Jahren unterstützt Halliburton die US-Truppen im Irak, genauso lange steht der Konzern unter Dauerbeschuss. Fest steht: Das Unternehmen kam bevorzugt an den Milliarden-Auftrag, vermutet wird, das dazu noch betrügerisch abgerechnet wird. Das Pentagon hat jetzt Konsequenzen gezogen und schreibt den Irak-Auftrag neu aus.

Dass Halliburton vorerst den Auftrag verliert, korrigiert ein drei Jahre altes Unrecht, das so ziemlich jeder nicht aktiv an der Regierung beteiligte Amerikaner schon einmal kritisiert hat. Im Zuge der Vorbereitungen zum Irak-Feldzug 2001 vergab das Pentagon nämlich den Vertrag zur Unterstützung der Tgruppen mit logistischer Hilfe, Zelten, Wäsche und Lebensmittel als „no-bid-contract“. Es fand also keine Ausschreibung statt, Halliburton wurde einfach direkt ausgewählt.

Für Aufträge dieser Größenordnung ist das beispiellos. Immerhin: Allein im vergangenen Geschäftsjahr zahlte das Pentagon 7 Milliarden Dollar an den Partner. Nachvollziehbare Gründe für die Vorzugsbehandlung von Halliburton gab es indes nicht. Weder war die Regierung zu zeitnahem Handeln gezwungen, immerhin wurden mehrere Verträge in den vergangenen Jahren regelmäßig verlängert. Noch ist Halliburton, wie oft behauptet, das einzige Unternehmen, das auf logistische Einsätze in Krisengebieten spezialisiert wäre.

Vielmehr war immer klar, dass Halliburton allein die guten Beziehungen ins Weiße Haus zugute gekommen waren. Das Unternehmen wurde bekanntlich in den späten Neunzigerjahren von Dick Cheney geleitet, dem jetzigen Vize-Präsidenten in der Bush-Regierung.

Dieses Vorgehen allein, einem befreundeten Konzern lukrative Verträge zuzuschustern, ist prinzipiell nicht zu entschuldigen. Halliburton tat allerdings in den letzten Jahren einiges dafür, sich noch mehr Unmut zuzuziehen. Mehrfach scheint der Konzern überhöhte Rechnungen eingereicht zu haben, die letztlich der Steuerzahler begleichen musste.

Beispiele aus den letzten Jahren haben sämtliche Kontrollorgane entsetzt: So berechnet Halliburton dem Staat unerhörte 45 Dollar für eine Palette Cola und bis zu 100 Dollar für einen Wäschesack. Lokale Hilfsarbeiter, die für einen Stundenlohn zwischen 7 und 16 Dollar als Reinigungs- oder Sicherheitskräfte arbeiten, werden den USA für 50 bis 120 Dollar in Rechnung gestellt. Hunderte Arbeiter haben nach unabhängigen Ermittlungen monatelang nichts getan, waren von Halliburton aber angehalten worden, reguläre Abrechnungen über 12 Arbeitsstunden pro Tag zu schreiben.

Doch nicht nur mit der Anhäufung kleiner Beträge scheint sich Halliburton die Margen beim Irak-Auftrag aufgebessert zu haben. Ehemalige Mitarbeiter des Konzerns haben ausgesagt, dass mehrfach 80 000 Dollar teure Lkw einfach stehen gelassen oder angezündet wurden, wenn sie einen platten Reifen hatten. Auf Kosten des Steuerzahlers ersetzte Halliburton alte Trucks durch neue und verbesserte so das Inventar.

Das Ausmaß der Betrügereien wird von Experten in Washington auf hunderte von Millionen Dollar geschätzt, von denen das Unternehmen indes – ohne Schuldeingeständnis – einen Teil zurückgezahlt hat.

Doch damit gaben sich die Ankläger der Pentagon-Halliburton-Achse nicht zufrieden. In dieser Woche beugte sich das Pentagon dem hohen öffentlichen Druck und entzog Halliburton sämtliche Irak-Verträge. Sie werden jetzt neu ausgeschrieben, wobei ohnehin mindestens drei Vertragsnehmer zum Zuge kommen sollen. Aus militärischer Sicht sei das sinnvoller, gesteht das Pentagon ein, da ja ein Konzern einmal ausfallen könnte.

Halliburton, beziehungsweise die Tochter KBR, darf bei der neuen Ausschreibung mitbieten.

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Alt 14-07-2006, 21:09   #513
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Detroit steckt weiter im Stau

Während in Detroit die Chefs von GM und Renault/Nissan über die Zukunft des größten amerikanischen Autobauers beraten, macht sich Merrill Lynch über die Zukunft der gesamten Branche Gedanken. Bittere Erkenntnis: Für die Amerikaner geht es weiter bergab, die Asiaten werden weiter Marktanteile gewinnen.

Diese Einsicht alleine wird nun keinen Branchenkenner und auch keinen Investor aus den Socken hauen. Dass die „großen Drei“ in Detroit Probleme haben, die noch eineWeile andauern werden, ist eigentlich klar. Auch dass sich der deutsch-amerikanische Konzern DaimlerChrysler auf absehbare Zeit wohl besser halten kann als GM und Ford, war bereits klar.

Was die neue Studie von Merrill Lynch aber so interessant macht, ist ihre Genauigkeit. Analyst John Murphy hat einen Index ermittelt, in den die Zahl neuer Modelle, deren Produktionsraten, die Kapazitätsauslastung in den Werken, die durchschnittliche Standdauer im Autohaus und andere Faktoren eingerechnet sind. Es dürfte die bisher genaueste Studie über die Autobranche und die Aussichten in den nächsten Jahren sein, und die offenbart einige Unterschiede zwischen US- und asiatischen Herstellern, die zwar nicht neu sind, aber oft unterschätzt blieben.

Dass die US-Hersteller GM, Ford und Chrysler ihre Modelle beispielsweise alle acht Jahre erneuern, während Koreaner und Japaner nur fünf Jahre warten, sieht Murphy als einen entscheidenden Faktor für die künftige Entwicklung der Branche. In Detroit sieht man das genauso, und entsprechend wollen die „großen Drei“ die Rate für neue Modelle von 13 Prozent in den Jahren bis 2006 auf 18 Prozent in den Jahren 2007 bis 2009 hoch schrauben. Die Zahl der neuen Modelle steigt damit von 44 auf 61.

Damit allein verteidigen die US-Firmen ihre Marktposition allerdings nicht. Denn wenngleich die Vielzahl neuer Modelle erhöht wird, stimmt noch lange die Vielfalt nicht. Neben Pkws in den verschiedenen Klassen sowie SUV und Trucks soll es nämlich künftig Mischformen geben, denen sich die Asiaten bislang beherzter angenommen haben als die Amis. Toyota und Nissan planen Hybriden, die Pkw und Truck verbinden, Mazda bringt die Heckklappe zurück und führt damit ein längst vergessenes Design ein.

Weitere Crossover-Modelle, die sich nicht einfach in bisherige Kategorien einordnen lassen und deshalb ganz neue Käuferschichten ansprechen könnten, sind bei Hyundai und Kia in der Planung. Die Koreaner seien zur Zeit ein wenig hinterher, meint Merrill Lynch, dürften bis 2010 aber ebenfalls an US-Marktanteilen zugelegt haben.

Die interessantere Produktpalette, die DaimlerChrysler von GM und Ford unterscheidet, scheint den Deutsch-Amerikanern laut Merill Lynch einen Vorteil zu geben. So könnte das Unternehmen seine Marktanteile wohl zumindest halten, während die beiden rein amerikanisch geführten Konzerne mit Einbußen rechnen müssten. Die dürften zwar nicht mehr so steil sein wie zuletzt, bneruhigt Analyst Murphy, doch das dürfte weder Bosse noch Anleger beruhigen.

Umso interessanter wird sein, wie sich die Gespräche zwischen GM-Chef Wagoner und seinem Konterpart von Renault/Nissan entwickeln. Nach einem ersten Treffen am Freitagmorgen hat Carlos Ghosn erklärt, er sei auf keinen Fall an einem Chefposten bei GM interessiert, doch sollten Anleger diese Aussage nicht überbewerten. Es dürfte vor allem Diplomatie sein, die solche Sätze formt. Schließlich ist Rick Wagoner nicht gerade für seine ungebremste Begeisterung für die asiatische Konkurrenz bekannt. Er wird sich ungern von Außenstehenden über die künftige Strategie von GM belehren lassen wollen, und mit seinem Verzicht auf den Vorstandsposten – der ihm bisher nie angeboten worden war – hat Ghosn zumindest eine Gesprächsbasis offen gehalten.

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Alt 17-07-2006, 07:51   #514
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Sommerflaute im dritten Quartal?

Von Sam Stovall, Standard & Poor's

...

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Alt 19-07-2006, 21:13   #515
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Bernanke löst eine Rallye aus

Der arme Ben Bernanke. Eigentlich wollte er am Mittwoch die Wogen glätten, als er dem Kongress seine Gedanken zur US-Konjunktur darlegte. Doch moderate Marktreaktionen sind dem Fed-Chef verwehrt: Nachdem die Wall Street schon mehrfach in tiefe Bernanke-Löcher gestürzt ist, ging es diesmal steil auf einen Bernanke-Gipfel.

Die Blue Chips legten gleich dreistellig zu, während der oberste Währungshüter in Washington sprach. Jedes Wort von Beb Bernanke löst eben Volatilität aus. In einem Markt, der nervös auf geopolitische Krisen, steigende Energiepreise, Inflation und Wirtschaftswachstum blickt, fallen Kursschwankungen umso stärker aus.

Die Verluste der Vorwoche einmal außer Acht gelassen, die dem Markt eine technische Rallye auch ohne Bernankes Zutun jederzeit ermöglicht hätten, waren die Reaktionen der Wall Street am Mittwoch tatsächlich wieder einmal übertrieben. Sicher, Bernanke machte einige Statements, aus denen sich Hinweise auf eine mögliche Zins-Pause im August ableiten ließen. Allerdings drückte sich der Fed-Chef gewohnheitsmäßig so vage aus, dass dem Offenmarktausschuss bei der nächsten Sitzung in vier Wochen durchaus alle Wege offen stehen.

Das genau sagte Bernanke auch unumwunden. „Zinspolitik wird in einem von Unsicherheit geprägten Umfeld gemacht“, so der Chairman. Man werde auch in der nächsten Zeit alle möglichen Konjunkturdaten beobachten müssen, trete dann aber zur Fed-Sitzung „ohne jede vorgefertigte Meinung an“. Will heißen: Die Fed wühlt sich durch den gleichen Datenwust wie jeder sonst an der Wall Street und weiß – angeblich – bis zur nächsten Zinsentscheidung genauso wenig wie der Markt.

Was Anleger indes beruhigte, ist nach dem unerwartet aggressiven Vorgehen der Notenbank in den letzten Monaten die Aussicht, dass die Fed in bezug auf weitere Zinsanhebungen nun doch einlenken könnte. Bernanke sieht das Wirtschaftswachstum leicht rückläufig. Nach einem BIP-Wachstum zwischen 3,25 und 3,5 Prozent in 2006 sei im nächsten Jahr nur noch mit 3 bis 3,25 Prozent zu rechnen. Das spricht gegen eine Zinsanhebung, zumal man auch die Inflation künftig in gleichem Maße rückläufig sieht.

Ganz auflösen werde sich die Inflation indes nicht, so Bernanke. Ein Rückgang bei den Energiepreisen sei nicht zu erwarten, auch die Häuserpreise und damit die Mieten dürften anhaltend hoch bleiben. Die Fed indes könne sich für eine gewisse Zeit damit abfinden, dass die Kerninflation über dem angestrebten Bereich liege. Das wiederum beruhigt Anleger, die einem August-Meeting der Notenbank nun wesentlich gelassener entgegensehen.

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Alt 20-07-2006, 21:01   #516
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Philantropie für jedermann

Geld verdienen ist gut, Geld ausgeben ist besser – und Geld spenden ist am allerbesten. Die meisten Menschen erkennen das regelmäßig nach Naturkatastrophen oder wenn andere mit gutem Beispiel vorausgehen, zuletzt etwa Warren Buffett mit seiner Milliarden-Spende an die Gates-Stiftung. Ein amerikanischer Online-Anbieter will Philantropie jetzt alltäglich machen.

Das Prinzip von Ecomiles ist einfach. Ganz nach dem Modell der Kreditkartenbranche, wo Kunden seit Jahren für jeden Einkauf Punkte gutgeschrieben bekommen und nachher einlösen dürfen, kassiert das Unternehmen Gutschriften auf Käufe in allen Branchen. Fast eintausend Online-Händler sind Mitglied bei Ecomiles, darunter Computerhersteller wie Dell und Apple, Reisebüros wie Expedia und Travelocity, Allrounder wie Amazon.com oder Spezialisten wie Blumen-, Brillen- oder Baseball-Versandhäuser.

Ecomiles-Mitglieder, die auf der Website einmalig ein Konto eröffnen, lassen sich direkt von dort auf ihre Online-Läden verlinken. Für jeden Kauf gibt es dann eine Prämie von einigen Dollar oder Cent, die auf das Ecomiles-Konto geht. Dell beispielsweise gibt 3 Prozent auf jeden Kauf, bei Amazon.com gibt es 4 Prozent und für Hotelbuchungen bei Expedia sogar 5 Prozent. Wer eine Kreuzfahrt bucht, bekommt pauschal 20 Dollar zugeschrieben.

Anders als bei Kreditkarten-Konten löst der Ecomiles-Kunde seine Gutschriften nun nicht zur Befriedigung eigener Wünsche ein. Es gibt also weder den silbernen Füllfederhalter noch die ermäßigten Konzertkarten, die beispielsweise Amex-Kunden für regelmäßiges Zücken ihrer Karte bekommen.

Vielmehr verteilt der Ecomiles-Kunde seine Prämie bar an verschiedene Stiftungen und wohltätige Verbände, darunter Unicef, die SOS-Kinderdörfer, der World Wildlife Fund und alle möglichen projektbezogenen Natur- und Umweltgruppen. Sogar einzelne Projekte können bedacht werden, von der Aufforstung von Wäldern in Madagskar bis zur Arterhaltung bei bedrohten Vögeln.

Mehr als 10 000 Kunden haben bereits bei Ecomiles unterschrieben und spenden ihre Prämien. Vorstandsmitglied Marcus Courage rechnet mit vielen mehr in den nächsten Wochen und will langfristig sogar aus dem Online-Geschäft ausbrechen. Auch wer im Laden ein Buch kaufe, könne Prämien gutgeschrieben bekommen, so seine Vision. Die entsprechenden Verhandlungen mit Unternehmen laufen bereits.

Bis 2008 sollen der Online- und der traditionelle Handel für einen Prämienumsatz von 15 Millionen Dollar sorgen, hofft Courage. Damit ließe sich manches Sozial- oder Umweltprojekt ein gutes Stück weiterbringen.

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Alt 21-07-2006, 21:04   #517
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Das globale Röhrensystem

Hightech-Aktien dominieren zum Wochenende den Handel an der Wall Street. Abgesehen von Computerbauern und Softwareschreibern geht es vor allem um Internet-Werte. Das passt zeitlich ganz gut, denn auch in Washington wird zur Zeit mehr oder weniger kompetent über das Internet debattiert – zur großen Freude der Netzgemeinde.

Zwei Internet-Themen beschäftigen die Abgeordneten in Washington zur Zeit. Einerseits geht es um die mögliche Schaffung eines Zwei-Klassen-Systems im Netz und darum, zahlenden Unternehmen schnelleren Breitbandzugang zur Verbreitung ihrer Werbebotschaften zu geben.

Man kann geteilter Meinung über eine solche Maßnahme sein. So wäre es grundsätzlich nicht falsch und würde wahrscheinlich die horrenden Massen an Spam eindämmen, wenn Sender für das kommerzielle Zumüllen privater Mailboxen zahlen müssten. Allerdings hieße das auch, dass finanzstarke Konzerne ihre Werbung weiter verbreiten könnten, während für manchen kleineren Wettbewerber und für zahlreiche gemeinnützige Stiftungen und Verbände ein bisher kostenloses Werbe- und Aufklärungsinstrument wegfiele.

Der republikanische Abgeordnete Ted Stevens ist jedenfalls dafür, alle Werbe-Versender zur Kasse zu bitten. Die Meinung des 82-Jährigen aus Alaska zählt auf Capitol Hill, denn Stevens ist Vorsitzender des Ausschusses für Handel, Wissenschaft und Transport, das unter anderem das Internet reguliert. Umso schlimmer, dass Stevens das virtuelle System scheinbar nicht ganz versteht.

Das Internet sei kein Truck, erklärte Stevens jüngt, sondern vielmehr ein „Röhrensystem“. Zuviel Information verstopfe die „Röhren“, was unter anderem dazu geführt habe, dass er selbst „ein Internet“, das seine Mitarbeiter am Freitagmorgen verschickt hatten, erst nach dem Wochenende bekommen habe. Soso. Wie oft Ted Stevens in die Röhren schaut, die er regulieren soll, ist unklar. Tatsache ist hingegen, dass der Senator ebendort seit einigen Tagen ein Kultstar ist, dessen komische Ausführungen zum Thema mittlerweile als Techno-Remix vorliegen.

Einen gewissen Anteil an Stevens´ Abgleiten in die Witzwelt hat John Stewart. Der Komiker ist Moderator der „Daily Show“ und spricht seit Tagen über das Internet, zumal Washington nachlegte. Eine Gesetzesinitiative strebt den Verbot von Online-Kasinos an. Lediglich staatliche Lotterien und Pferdewetten sollen künftig erlaubt sein, Roulette und Black Jack aber nicht.

Das macht nun wirklich nur Sinn, wenn man sich das Röhrensystem noch einmal vor Augen hält: Pferde hätten bekanntlich Beine, so Stewart, und könnten einfach durch das Röhrensystem galoppieren. Kasino-Chips hingegen könnten sich verhaken und zu Blockaden führen, die den Lauf wichtiger Dinge wie Internet-Porno oder Ebay-Schnäppchen verlangsamen könnten. Schicke hingegen die staatliche Lotterie hin und wieder im Rahmen der Ziehung eine schwere Zahlenkugel durch die Röhre, könne die Verstopfung gelöst werden. Englisch sprechenden Lesern sei Stewarts Illustration auf http://www.youtube.com/watch?v=1lYiD...etting%20tubes empfohlen (etwa bei 3:00 Minuten).

Trauriger Hintergrund der lustigen Geschichte: Die Diskussionen in Washington zeigen tatsächlich, dass das Internet von einem Haufen Politiker reguliert wird, die weder technisches Grundwissen besitzen noch die eigentliche Idee eines verbesserten und vor allem kostengünstigen Informationsflusses verstehen. Der Ausgang der Debatten auf Capitol Hill ist offen, die Diskussionen dauern an.

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Alt 24-07-2006, 22:09   #518
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„Zune“ wird kein iPod-Killer

Es fällt nicht leicht, mit einem milliardenschweren Computerkonzern Mitleid zu haben. Doch die armen Jungs bei Microsoft mag man schon ein bisschen bedauern. Da dominieren sie seit Jahrzehnten die Computerbranche, werden in Sachen Innovation, Coolness und Image aber immer wieder von Apple vorgeführt – so auch am Montag.

Bei Microsoft hat man sicherlich gehofft, den unliebsamen Konkurrenten in den Schlagzeilen einmal überflügeln zu können. Immerhin hatte man eine sensationelle Nachricht zu verkünden: Der iPod-Killer ist da! Erste mp3-Spieler der Projektreihe „Zune“ sollen noch in diesem Jahr auf den Markt kommen, ein eigenes Portal müsste umgehend mitgeliefert werden.

Doch die Wall Street macht nicht allzu viel aus der Ankündigung. Keiner glaubt, dass Microsoft auch nur den Schein einer Chance hat, Apple nennenswert Marktanteile streitig zu machen. „Microsoft hat 10 Milliarden Dollar in MSN gesteckt, und AOL und Yahoo nicht einmal eine Beule zugefügt“, lästert der Branchenanalyst Carl Howe. Bei der XBox 360 fällt die Bilanz bekanntlich nicht viel besser aus: Um die Konsole zwischen Nintendo und PlayStation überhaupt platzieren zu können, verkauft man unter dem Herstellungspreis. Laut Insidern soll Microsoft im letzten Jahr im Spielesektor 1,3 Milliarden Dollar Verlust eingefahren haben.

„Coole“ Produkte wie Spielekonsolen liegen dem Unternehmen eben nicht. Microsoft steht für das konservative grau, wenig einfallsreiche Formen, für Klarheit und Struktur, aber ganz bestimmt nicht für Kreativität. Darum geht es aber bei mp3-Spielern, die schließlich nicht nur Musik spielen, sondern auch schick aussehen wollen. So steht für viele an der Wall Street bereits fest, dass Microsoft mit „Zune“ scheitern wird. Da hilft es wenig, dass ein Trailer auf www.comingzune.com durchaus appetitanregend ist.

Tatsächlich lässt ein Blick auf verschiedene Hightech-Blogs erkennen, dass Microsoft wieder einmkal keine sensatiolle Innovation plant. „Zune“ soll ein portabler Spieler sein, offensichtlich mit Video-Funktion und möglicherweise gedoppelt mit einem Handy. Damit steht man auf dem Stand von Apple 2004, als erstmals eine Kooperation mit Motorola erwähnt wurde. Seither gibt es das iTunes-Phone ROKR, und ein Blick auf die Designstudien für weitere Motorola Modelle lässt Microsoft alt aussehen.

Genau daran dürfte der Konzern aus Redmond scheitern. Um mit Aplpe mithalten zu können, müsste Microsoft nicht nur technische Hürden überwinden (schwierig), eine ansprechende und komplette Musikdatenbank aufbauen (noch schwieriger), sondern vor allem ein Gerät entwickeln, das weniger Hardware als vielmehr Lebensgefühl ist (absolut unmöglich).

Umso leichter scheint es hingegen Apple zu fallen, mit einzelnen Produkten ein Gefühl zu schaffen. Abgesehen von der Ubiquität des iPod auf der Straße hat sich um den Spieler eine virtuelle Community gebildet, die fast schon in der Zukunft lebt, Studien für neue Modelle im Internet aufdeckt und in Blogs diskutiert. Letzter Schrei: der iPod mit „touch-less touchscreen“, mit einem Tast-Bildschirm also, denn man nicht einmal mehr berühren muss. Was nach einer völlig abgefahrenen Phantasie klingt, kommt aus dem Patentantrag eines Apple-Zulieferers, der – samt einer Zeichnung – größere Schlagzeilen bekommt als die offizielle Ankündigung für „Zune“.

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Alt 26-07-2006, 21:01   #519
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Washingtons neueste Öl-Groteske

Der Ölpreis bewegt den Verbraucher, die Börse und Washington. Mit sinkenden Lagerbeständen, einer instabilen Lage in vielen Förderregionen und der weltweit explodierenden Nachfrage entscheidet der Umgang mit dem Rohstoff immer mehr, wer im internationalen Konkurrenzkampf die Nase vorn hat.

Dass – und vor allem wie – sich Washington erneut mit dem Schwarzen Gold beschäftigt, ist allerdings grotesk. Republikaner und Demokraten haben in dieser Woche zwei neue Gesetzentwürfe eingebracht, über die der Kongress nun debattiert. Kernstück im Konzept der Republikaner: Die Förderung von Öl im eigenen Land, also die Öffnung des Naturschutzgebiets ANWR in Alaska für die Konzerne.

Bereits dreimal hat der Kongress die Förderung in ANWR abgelehnt. Dass das Projekt nun ein viertes Mal in der Vorlage ist kann nur eines heißen: Die Republikaner sehen wenige Monate vor den Kongresswahlen ihre Felle davonschwimmen und suchen ein Killer-Argument, um sich im Wahlkampf gegen die Demokraten zu wehren. Das Argument soll sein: Lieber Wähler, wir haben versucht, mehr eigenes Öl zu fördern, was den Ölpreis gesenkt hätte – die Demokraten haben es verhindert.

Diese Denke wird nicht aufgehen: Denn einerseits hat die Mehrheit der Amerikaner längst kapiert, dass die Vorräte im arktischen Eis im Vergleich zur Binnen- und zur globalen Öl-Nachfrage so klein sind, dass sie sich auf den Marktpreis kaum auswirken würden. Um höchstens ein bis zwei Cent würde der Preis pro Fass wohl sinken, haben Experten berechnet, und dass wohlgemerkt frühestens ab 2015, wenn das erste Öl in Alaska gefördert und durch die noch zu bauende Pipeline fließen würde.

Dazu kommt, dass ein Schein-Argument der Republikaner pro ANWR längst nicht mehr zieht. Angeblich sieht die GOP – offiziell „Grand Old Party“, inoffiziell „Grand Oil Party“ – die Förderung in Alaska nämlich vor allem als Einnahmequelle. Bis zu 40 Milliarden Dollar dürften Exxon & Co. laut dem kalifornischen Abgeordneten Devin Nunes an Gebühren an den Staat abtreteb. Die will man angeblich in einen Fond zur Entwicklung alternativer Energien stecken.

Das dürfte den Republikanern freilich niemand mehr abnehmen. Zu oft hat die Regierung den Öl-Multis zuletzt Steuererleichterungen in Milliardenhöhe geschenkt oder, wie zuletzt, sämtliche Abgaben aus der Förderung im Golf komplett erlassen. Seit Jahren ist völlig klar, dass der Partei nicht die Suche nach alternativen Rohstoffen am Herzen liegt, sondern das Wohlergehen der Öl-Konzerne, die bekanntlich zu den größten Parteispendern gehören.

Einige Ausführungen zur Ethanol-Förderung und zum Bau von Solar-Anlagen dürften die Republikaner folglich eher zur Zierde in den aktuellen Entwurf geschrieben haben. Wie wenig der Partei an einer geringeren Abhängigkeit von ausländischem Öl gelegen ist, lässt sich ja nicht zuletzt daran erkennen, dass Ideen zum Energiesparen erneut komplett fehlen und sich die Energiepolitik weiter ausschließlich auf die Gewinnung von Resourcen konzentrieren soll.

Etwas grüner klingt da das Gegenkonzept der Demokraten. Bis zu 10 Milliarden wollen diese in die Forschung an alternativen Energien stecken, sie gehen detailliert auf Solarenergie und Ethanol ein. In Sachen Energiesparen fällt der Partei der Ausbau des öffentlichen Nahverkehr ein, außerdem soll die Autoindustrie zur Einhaltung höherer Verbrauchsstandards genötigt werden. Der Haken am Konzept der Demokraten: Die Finanzierung ist völlig offen. Man habe dazu noch keine Ideen, so der Abgeordnete Steny Hoyer aus Maryland, einer der Autoren des Entwurfs.

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Alt 27-07-2006, 20:57   #520
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Niemand feiert mit ExxonMobil

Bei ExxonMobil knallen die Korken: Ein Quartalsumsatz von fast 100 Milliarden Dollar, ein Gewinn von mehr als 10 Milliarden Dollar – der hohe Ölpreis macht den weltgrößten Konzern immer noch größer und reicher. Das ist genau der Grund, warum niemand mitfeiern will. Der Dow-Wert gehört zu den unbeliebtesten Unternehmen in Amerika.

Immerhin, die Milliarden-Gewinne mit denen ExxonMobil im zweiten Quartal glänzt, werden ganz direkt beim Verbraucher gezapft, der an der Tankstelle weiterhin Rekordpreise zahlt und seit Monaten auch unter einer vom Rohstoffmarkt verschuldeten indirekten Inflation leidet. So werden Waren und Dienstleistungen teurer, weil für Erzeuger und Lieferanten die Transportkosten steigen. Jane und John Doe, den amerikanischen Durchschnittsbürgern, bleibt immer weniger Geld.

Was man von manchem Öl-Manager nicht behaupten kann. Im Mutterland des Kapitalismus hätte sich die Kritik an den Milliarden-Gewinnen eines Öl-Multis wohl in Grenzen gehalten, wäre nicht vor einigen Monaten die Abfindung bekannt geworden, die der langjährige CEO Lee Raymond mit in den Ruhestand nehmen durfte. Ein Paket von 350 Millionen Dollar soll ihm den Lebensabend versüßen; seine Gehälter als Vorstand eingerechnet hat Raymond in dreizehn Jahren 144 000 Dollar täglich verdient – etwa viermal so viel wie der Durchschnitts-Amerikaner im Jahr.

Nun will man Raymond nach einem arbeitsreichen Leben eine gute Rente gönnen, die bekannten Zahlen allerdings sind maßlos und ein Skandal, zumal sie dem Verbraucher an der Tankstelle täglich unter die Nase gerieben werden. Dass die Öl-Industrie indes nicht nur von hohen Ölpreisen profitiert, sondern von Washington regelmäßig mit Steuergeschenken und dem kompletten Erlass von Fördergebühren bedacht wird, erregt die Gemüter zusätzlich.

Umso frustrierender wird indes die Diskussion um Öl und Geld, wo die aktuelle Bilanz einen Blick auf das Verhältnis zwischen Ölmenge und Preis zulässt. ExxonMobil hat im abgelaufenen Vierteljahr nämlich gar nicht nur von den historischen Höchstpreisen profitiert, sondern auch von einer höheren Fördermenge. Das belegt, dass mehr Öl keineswegs den Preis sinken lässt. Im Gegenteil: Ohne mit der Wimper zu zucken beruft sich das Management darauf, dass mit höheren Förderquoten der Bedarf an Maschinen und Personal steige, deren Kosten dann wiederum durch die höhere Nachfrage steige.

Nun muss dem Verbraucher klar werden, dass er sich in einem Teufelskreis befindet. Öl wird auf absehbare Zeit nicht billiger werden, auch die Erschließung neuer Quellen – ob in Alaska oder im Golf von Mexiko – dürfte keine Erleichterung bringen.

So dürften ExxonMobil und Konkurrenten noch lange weiter kassieren, immer mehr. Dass das Unternehmen zur Zeit einen Gewinn von 1318 Dollar pro Sekunde bilanziert – das würde auch bei den aktuell hohen Preisen für genug Sprit reichen, einen Hummer dreimal von New York nach Los Angeles zu schicken –, ist damit eher eine Zwischenbilanz als ein Höhepunkt.

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Alt 28-07-2006, 21:17   #521
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Tschüss Wal-Mart!

Die deutsch-amerikanische Freundschaft ist zumindest auf politischem Niveau recht stabil. Den guten Beziehungen zwischen Berlin und Washington konnte jüngst sogar die Grapsch-Attacke von George W. Bush auf Kanzlerin Merken nichts anhaben. In der Bevölkerung sieht das anders aus, wie das Schicksal von Wal-Mart zeigt.

Der weltgrößte Einzelhändler, der seit Jahrzehnten den Verbraucher in den USA nahezu beherrscht und erfolgreich 2700 Filialen in 17 weiteren Ländern betreibt, muss ausgerechnet in Deutschland aufgeben. Das Unternehmen hat den nach USA und Japan drittgrößten Markt der Welt völlig falsch eingeschätzt. Jetzt verkauft man alle 85 Geschäfte an den Konkurrenten Metro und schreibt einen Verlust von 1 Milliarde Dollar ab. Die Deutschen mochten Wal-Mart nicht.

In der Konzernzentrale ist nun die Enttäuschung groß. Als einer der weltgrößten Konzerne überhaupt ist Wal-Mart kaum Enttäuschungen gewohnt. Doch hat man die Schlappe in Deutschland nicht unbedingt dem dortigen Verbraucher zuzuschreiben, sondern vor allem der eigenen Arroganz. Wal-Mart nämlich hatte es sich seit Eröffnung der ersten Filiale vor fast einem Jahrzehnt viel zu leicht gemacht und tatsächlich geglaubt, dass sich Marktpraktiken aus den USA und anderen Märkten einfach übertragen ließen.

Das klappte nicht in einem Land, wo Discountmärkte einen deutlich höheren Marktanteil im Einzelhandel haben als in anderen Länder. Und wo Aldi als billigster Anbieter so bekannt ist, dass der Laden längst weniger Einkaufsziel als vielmehr Lebensgefühl ist. Wal-Mart kam nach Deutschland also als Underdog, musste gegen die Konkurrenz anarbeiten, die man in den USA schon lange abgehängt hat.

Zudem musste Wal-Mart lernen, dass sich zahlreiche Gewinnsysteme in Deutschland nicht umsetzen ließen, da Mindestlohn und Sozialleistungen anders geregelt sind als in den USA, wo Mitarbeiter für Überstunden oft nicht bezahlt und zu Sonderschichten gezwungen werden konnten. Dass die deutschen Mitarbeiter bessere Arbeitsbedingungen hatten als die US-Kollegen, hieß indes nicht, dass sie den Alltag bei Wal-Mart irgendwie erträglicher gefunden hätten. Den täglichen Morgenappell mochten die deutschen Verkäufer ebenso wenig wie Otto Normalverbraucher am Ladeneingang von einem „Greeter“ begrüßt werden wollten.

So funktionierte Wal-Mart in Deutschland also auf allen Ebenen nie. Dass die US-Mutter nun den Stecker zieht, ist nur konsequent – und dürfte der deutsch-amerikanischen Freundschaft gut tun. Denn Wal-Mart war stets ein schlechter Botschafter Amerikas, da das Unternehmen vor allem für Ungerechtigkeiten, soziale Ausbeutung und rücksichtsloses Gewinnstreben auf Kosten von Umwelt und Kultur steht. Ohne den Konzern sind die Beziehungen beider Länder besser.

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Alt 31-07-2006, 21:01   #522
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Machtwechsel bei Pfizer

„Give it back, Hank“, schrie die prtestierende Masse dem Pfizer-Boss Hank McKinnell im April zu. Der musste sich zur Hauptversammlung seinen Weg durch wütende Anleger bahnen, nachdem er sich – der schwachen Aktienperformance zum Trotz – gerade ein Abfindungspaket von 83 Millionen Dollar genehmigt hatte.

So etwas kommt nicht gut an bei Aktionären, und binnen kurzer Zeit war McKinnell der Buh-Mann bei Pfizer. Dabei war er ursprünglich einmal der gefragteste Mann in der Pharmabranche gewesen. Dank McKinnells Hilfe konnte dessen Amtsvorgänger Bill Steere 1999 den Konkurrenten Warner-Lambert übernehmen, dessen Cholesterin-Präparat Lipitor bis heute das meist verkaufte Medikament der Welt ist.

Die 114 Milliarden Dollar schwere Akquisition von Warner-Lambert machte Pfizer auf einen Schlag zum fünfgrößten Unternehmen der Branche. Seit der 60 Milliarden Dollar teuren Übernahme von Pharmacia in 2001 ist man Branchenführer, nicht zuletzt dank des Erfolgs des Arthritis-Mittels Celebrex.

Doch je erfolgreicher die Pfizer-Mittel waren, desto stärker waren sie von billigeren Generika bedroht. Auslaufende Patente und eine hellwache Konkurrenz brachten das Unternehmen in den letzten Jahren unter Druck. Seit 2005 sind Umsatz und Gewinn dramatisch gefallen, für 2006 und 2007 wollte man zuletzt gar keine Prognosen mehr geben.

Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass McKinnells Nachfolger gar nicht aus dem pharmazeutischen Bereich kommt, sondern eigentlich Anwalt ist. Jeffrey Kindler kümmerte sich zuletzt um die weltweiten Patente des Konzerns und ist damit für den Bereich zuständig, in dem die Umsätze erfolgreicher Medikamente langfristig gesichert werden.

Die hohe Kunst, den Patentschutz immer wieder zu verlängern und Konkurrenten auf Distanz zu halten, bestimmt immer mehr über Auf und Ab in der Pharmabranche. Das zeigt seit einigen Tagen auch die Aktie vom ImClone. Das Unternehmen steht an der Börse seit Tagen unter Druck, obwohl man erst in der vergangenen Woche starke Quartalszahlen vorgelgt hat. Der Grund: ImClone droht den Patentschutz für das Darmkrebsmittel Erbitux zu verlieren, den größten Umsatzbringer.

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Alt 01-08-2006, 20:33   #523
Starlight
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Washington will Steuer-Schlupflöcher schließen

Dass die Reichen in Amerika immer wieder mit neuen Steuersenkungen durchkommen, war einst ein Ärgernis – mittlerweile lacht man das Problem beiseite. Der Komiker David Letterman streut „tax cuts for the rich“ regelmäßig in seine Top-Ten-Listen ein, egal ob es um „Wege aus der Klima-Katastrophe“ geht oder um Lösungen „wie Öl wieder billiger wird.“

So lacht das Volk, weil es nach sechs Jahren unter George W. Bush kapiert hat, dass Washington macht was es will und die Steuerpolitik eben korrupt und unter einem republikanische geführten Senat zumindest bis zu den Neuwahlen im November dennoch nicht anfechtbar ist.

Zumindest gibt es aber immer wieder ein paar einsame Streiter, die sich der Problematik ernsthaft annehmen, und dieser Tage sind sie wieder aktiv. Ein aus beiden Parteien besetzter Ermittlungsausschuss im Senat hat jetzt nach jahrelangen Untersuchungen einige Steueroasen aufgedeckt, die von zahlreichen Milliardären zum Schaden der Volkswirtschaft genutzt worden sind, deren Rechtmäßigkeit fraglich ist und die nun ein für allemal abgeschafft werden sollen.

Zwischen 40 und 70 Milliarden Dollar an Steuereinnahmen entgingen dem Staat zur Zeit pro Jahr, hat der Ausschuss ermittelt. „Wir haben Schein-Fonds und Briefkastenfirmen aufgedeckt“, berichtet der demokratische Senator Carl Levin aus Michigan, „hinter denen sich amerikanische Steuerzahler verstecken.“

Sein republikanischer Kollege Norm Coleman aus Minnesota pflichtet bei: „Geld im steuergünstigen Ausland zu verstecken, ist schlicht und einfach unfair, und wir werden das abstellen.“

Unter den ersten bekannten Steuersündern sind der Medienmogul Haim Saban, der Gesundheits-Erbe und Besitzer des Football-Teams „New York Jets“, Robert Wood Johnson, und die Multi-Milliardäre Sam und Charles Wyly, zwei Brüder aus Texas, die zu den größten finanziellen Unterstützern des Präsidenten gehören.

Sie alle müssen dieser Tage vor einem Senatsausschuss in Washington aussagen, unter anderem über ein Investmentmodell mit dem Akronym POINT (Personally Optimized Investment Transaction) der Quellos Group, einem Investmenthaus in Seattle.

Allein POINT soll mehr als 2 Milliarden Dollar an Investmentgewinnen versteckt und Uncle Sam damit um Steuereinnahmen von mindestens 300 Millionen Dollar betrogen haben. Großinvestor Saban arbeitet zur Zeit mit den Behörden an seinen Rück-, Zins- und Strafzahlungen, auf weitere Investoren werden ähnliche Verhandlungen zukommen.

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Alt 02-08-2006, 21:16   #524
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Wie wird Kuba nach Fidel Castro?

Kommt ein Mann zum Arzt… Nein, es waren gleich zwei Männer, die sich in dieser Woche durchchecken ließen: George W. Bush, der nach offiziellen Angaben topfit aber ein paar Pfund zu schwer ist, und Fidel Castro, der nach einer Darm-Operation auf dem Weg der Besserung sein soll. Nicht jeder hat sich das gewünscht.

Die Menschen in Kuba feiern die Genesung ihres Staatsoberhauptes. Nicht ganz freiwillig, versteht sich, vielmehr herrscht Pflicht zur Freude. In 47 Amtsjahren hat der „Maximo Lider“ sein Volk organisiert. Bis heute hat jede Straße zwischen Havanna und Guantanamo einen Blockwart, der die Nachbarn kontrolliert. Wer bei den bis zu sechsstündigen Ansprachen von Fidel Castro nicht die Fahne schwenkt, hat ein Problem. Kritische Gespräche sind verboten, Sympathie-Demonstrationen und Glückwünsche in Krisenzeiten wie der aktuellen selbstverständlich.

Ein paar Meilen weiter nördlich sieht die Sache ganz anders aus. Seit Dienstagmittag tanzen die Exil-Kubaner in Miami auf den Straßen und hoffen, dass der Diktator stirbt. Sie hoffen, dass nach Castro alles anders wird. Das ist allerdings nicht sehr wahrscheinlich, denn auf Fidel Castro dürfte aller Vorraussicht nach sein jüngerer Bruder Raul folgen. Der ist seit der Revolution Vize-Präsident des Kabinetts und Chef des kubanischen Militärs. Die hohen Posten bekam er nicht aus Bruderliebe, sondern verdiente sie sich. Immerhin war Raul mit seinem Bruder und „Che“ Guevara einer der Organisatoren der Revolution und einer der Vordenker der Aufständischen.

Unter Raul Castros Führung dürfte sich an den Verhältnissen auf der Insel ebenso wenig ändern wie an der Außenpolitik und entsprechend dem Embargo, mit dem die USA den Kommunistenstaat seit 1962 belegt haben. Zwar hat sich Raul in der Vergangenheit wirtschaftlichem Fortschritt gegenüber aufgeschlossener gezeigt als sein Bruder. So führte er vor gut zehn Jahren Bauernmärkte ein, auf denen Familie ihre überschüssige Ernte auf eigene Rechnung verkaufen dürfen. Doch heißt das noch lange nicht, dass unter Raul eine Abwendung vom Kommunismus zu erwarten wäre, den Fidel erst vor vier Jahren sogar noch in die Verfassung des Landes schreiben ließ.

Dennoch machen sich die Exil-Kubaner in Florida Hoffnung auf einen baldigen Wandel. Sie wittern gute Geschäfte auf der Insel, die viele von ihnen vor Jahrzehnten in tiefer Nacht per Schlauchboot verlassen haben. Die heruntergekommene Insel bietet kapitalistisch geschulten Heimkehrern ein Investmentpotenzial, das in dieser Form einzigartig sein dürfte. Es gilt nicht nur, den Tourismus auszubauen, was nach Meinung von Experten als allererstes geschehen dürfte. Vielmehr muss auch eine Infrastruktur geschaffen werden, die von Straßen über Flugplätze bis hin zu neuen Gebäuden und Kommunikationsnetzen reicht.

Auf Konzerne aus allen Branchen warten Milliardengeschäfte, vor allem auf den Finanzsektor. Die USA werden die ersten sein, die von einem Investmentboom auf der Insel profitieren wollen. Entsprechend rasch dürfte das Embargo fallen, mit dem sich Washington seit einiger Zeit ohnehin mehr selbst schadet. Während man nämlich weder US-Bürger in Havanna urlauben noch US-Unternehmen dort investieren lässt, sichern sich Konzerne aus China, Russland und Europa Partnerschaften, die in der Zukunft lukrativ sein könnten.

Während Fidel Castro im Krankenhaus ist, machen sich Wall Street und Washington also Gedanken über die Zukunft Kubas. Die scheint manchem Investor rosig zu sein, wie nicht zuletzt die Nachfrage nach karibik-orientierten Investmentfonds auf dem amerikanischen Markt zeigt. Doch sieht nicht jeder den unausweichlichen Veränderungen optimistisch entgegen. Die einmalige Kulisse Havannas, der einzigen Stadt ohne McDonald´s und Nike-Store, dürfte ebenso ihren Reiz verlieren wie die Kultur des Landes, die sich vor allem deshalb so bunt entwickeln konnte, weil sie von westlichen und kommerziellen Einflüssen weitgehend verschont blieb.

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Alt 03-08-2006, 20:59   #525
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Kaffeekette mit Luxus-Problem

Solche Probleme sollte man haben: Starbucks leidet unter zu großer Nachfrage. Hinter dem schwächsten Umsatzwachstum seit vier Jahren steckt ein organisatorisches Problem, und entsprechend dürfte die Aktie nach dem 10-Prozent-Sturz im Donnerstagshandel in den nächsten Tagen wieder gut zulegen.

Denn Starbucks fehlt es nicht etwa an Kunden, auch ist der Kaffeekette nicht etwa die Expansionslust abhanden gekommen. Im Gegenteil: Man plant weiterhin, allein in diesem Jahr 2000 neue Filialen zu eröffnen, und damit ist Wachstum global vorprogrammiert. Was der Bilanz in den letzten Wochen geschadet hat, ist lediglich, dass Starbucks offensichtlich nicht schnell genug wächst.

So kommen vor allem in den heißen Sommermonaten zu viele Kunden auf eine Filiale, und dem Anturm auf Eiskaffee-Mixe wie den Bananen-Kokosnuss-Frappuccino und den Mandarinen-Frappuccino-Saft sind zuletzt weder die Angestellten noch die Maschinen nachgekommen. Jetzt sollen neue Mixer her „mit höheren Drehzahlen“, wie CEO Jim Donald ankündigt.

Dazu wären natürlich die Personalsorgen in den Griff zu bekommen, und das ist nicht ganz so leicht. Mehr Personal bringt ja auch höhere Kosten mit sich, und an weniger heißen Tagen bricht der Kundenansturm möglicherweise drastisch ein – das belastet die Margen.

Dennoch steht Starbucks vor einem Luxus-Problem. Zu hohe Nachfrage, zu lange Schlangen an der Kaffeetheke, davon träumt so manches Unternehmen. Was Anleger – vor allem nach den Kurseinbrüchen auf Einstiegsniveau – von Starbucks fernhalten könnte, wäre höchstes die eine Frage: Wie lange hält der Ansturm an. So lange die Sommer immer heißer werden ist zwar dauerhaft mit hoher Nachfrage nach Eiskaffee zu rechnen, doch ist die Kette aus Seattle ja nicht der einzige Anbieter auf dem Markt. Der teuerste aber schon, und das könnte angesichts eines schwächelnden Verbrauchers zu einem langfristigen Problem werden.

Wenn Kunden immer mehr für Benzin zahlen, wenn die Arbeitslosigkeit steigt und höhere Zinsen drücken, dann werden immer weniger Koffein-Junkies 4 bis 6 Dollar für einen kühlen Drink locker machen wollen. Zumal einen Steinwurf entfernt von jedem Starbucks ein „Dunkin´ Donut“ mit den gleichen Drinks zum halben Preis steht und daneben meist noch ein McDonald´s, wo man ebenfalls Eiskaffee anbietet.

Vor Schwäche beim Verbraucher habe man keine große Angst, meint CEO Donald, immerhin expandiere man dramatisch in Europa und Asien. Man unterstreicht den Optimismus mit Zahlen: An den Prognosen für 2007 – Umsatz plus 20 Prozent, Gewinn plus 25 Prozent – hält man offiziell fest.

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