Die Spinne des Jahres 2005, die Zebraspinne
Niemals ohne Sicherheitsleine
Der Thron der Arachnidae ist neu besetzt - mit der Zebraspringspinne
Von Michael Tekath für ZEIT.de
Salticus Scenicus, die Zebraspringspinne (AP Photo)
Die Zebraspringspinne ist in diesem Jahr allen Konkurrentinnen davon gesprungen und hat souverän den Thron der „Spinne des Jahres 2005“ erklommen. Mit nur vier bis sieben Millimetern Größe gehört die Preisträgerin zu den kleineren Exemplaren der Familie der Springspinnen, von denen in Mitteleuropa 99 Arten bekannt sind.
In Arachnologenkreisen gilt die Zebraspringspinne mit ihrem auffällig schwarz-weiß gestreiften Hinterteil und ihrem feinen Flaum an Beinen und Rumpf als „besonders hübsch“. Sie ist eine der in Deutschland bekanntesten und am weit verbreitesten Spinnenarten. „Sie kommt im Sommer praktisch an jeder Hauswand vor, bewohnt aber auch Felsen oder Zaunpfähle“, sagt Martin Kreuels, Mitglied des in diesem Jahr international besetzten Kuratorium „Spinne des Jahres“ in Berlin.
Als „besonders erwähnenswert“ befanden die Arachnologen die Jagdmethoden von Salticus Scenicus: Sie baut keine Fangnetze, sondern schleicht sich bis auf einige Zentimeter an ihre Opfer heran und springt dann punktgenau auf das ahnungslose Insekt, vorzugsweise Käfer, Fliegen und Stechmücken. Mit ihren Beinen und den Giftklauen umfasst sie ihr Opfer und tötet es dann. Dabei hat sie immer eine „Sicherheitsleine“ gespannt, falls ein Sprung mal daneben geht oder der Rückzug angesagt ist. Die beeindruckende Qualität dieser Sicherheitsleine beschäftigt Werkstoffexperten und dient als Vorbild für die Entwicklung von reißfesten Materialien. Die hohe Sprungpräzision ruft besonders bei Bionikern Begeisterung hervor und wirft gleichzeitig Fragen auf. Denn es gelingt ihnen nicht eine Hydraulik zu entwickeln, die die Leistungen der kleinen Spinne erreichen könnte.
Außergewöhnlich ist auch das Sehvermögen der Zebraspringspinne. Mit zwei großen, vorderen Augen kann sie farbig und dreidimensional sehen. Durch sechs zusätzliche Augen weiter hinten, erreichen die Tiere fast eine komplette 360 Grad Rundumsicht, ein großer Vorteil, um Gefahren frühzeitig zu erspähen.
Seit sechs Jahren stellt die Arachnologische Gesellschaft die Spinne des Jahres der Öffentlichkeit vor, um so „auf diese wenig geliebte aber sehr nützliche Tierart“ aufmerksam zu machen. Wohl, damit vorschnelle Menschen nicht erst im Nachhinein erfahren, auf was sie in einem unachtsamen Moment getreten sind, krönen die Biologen ihre „Spinne des Jahres“ schon zu Jahresbeginn.
(c) ZEIT.de, 07.12.2005