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seit langem stinkts im Land:
19.04.1982 Spiegel
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GRIECHENLAND
Skandalöses Bild
Die Sozialisten legten eine Steuerforderung in Millionenhöhe gegen die Onassis-Erbin Christina vorerst auf Eis. Die Reederin hatte gedroht, Wohltaten der Onassis-Stiftung einzustellen.
Unter kleinen und großen Steuersündern ortete Athens sozialistischer Finanzminister Manolis Drettakis Anfang des Jahres, drei Monate nach Amtsantritt, einen kapitalen Fall: Christina Onassis, 31, Tochter des weltbekannten, 1975 gestorbenen Tanker-Tycoons Aristoteles Onassis.
52 Millionen Mark Erbschaftssteuer wollte er von ihr haben und dieselbe Summe nochmal, weil sie es unterlassen hatte, überhaupt eine Steuererklärung abzugeben. Die Superkapitalistin reagierte auf das Ansinnen des Sozialisten böse: Sie drohte mit der Einstellung der Wohltaten der "Alexander-S.-Onassis-Stiftung", so genannt nach ihrem 1973 bei einem Flugzeugunglück umgekommenen Bruder.
Diese Stiftung - Sitz: Liechtenstein - hatte der Tankerkönig Aristoteles 1974 auf einem Flug Acapulco-New York per handschriftlichem Testament verfügt.
"Nach Muster der in Schweden arbeitenden Nobelstiftung", so Onassis, sollte "ein adäquates Institut" entstehen, das "erzieherische, literarische, religiöse, wissenschaftliche, journalistische und künstlerische Zwecke" mit Geldpreisen unterstützt. Was der Sohn erben sollte - die Hälfte des Onassis-Vermögens, eine halbe Milliarde Dollar -, floß in die Stiftung. Damit wollte sich der alte Aristoteles, zu Lebzeiten alles andere als ein nationaler Wohltäter, bei seinen Landsleuten posthum beliebt machen.
Letzte Woche wurden die Preisträger dieses Jahres bekanntgegeben: Den mit 100 000 Dollar dotierten "Athen-Preis" erhält der französische Arzt Bernard Kouchner, Gründer der Flüchtlingshilfsorganisation "Medecins sans frontieres du monde". Den "Olympia"-Preis, ebenfalls 100 000 Dollar, erhält der griechische Archäologe Manolis Andronikos.
Die feierliche Preisverleihung am Donnerstag dieser Woche in Athen beweist, daß die Tankerqueen und die regierenden Sozialisten nicht mehr frontal gegeneinander anrennen - aber der Steuerstreit, der schon vorhergehende Regierungen beschäftigte, ist damit nicht aus der Welt.
Anders als ihr Vater, der sich mit Demokraten wie Diktatoren gleichermaßen zu arrangieren verstand, bekam Christina schon kurz nach seinem Tod Ärger mit ihrer Stammheimat.
Finanzinspektoren, von der damaligen Regierung Karamanlis im Juli 1976 darauf angesetzt, das Erbvermögen in Griechenland zu ermitteln, schätzten die zu versteuernde Erbmasse aus Immobilien- und Aktienbesitz auf 5,2 Milliarden Drachmen (208 Millionen Mark nach damaligem Kurs).
Das Finanzamt wollte zumindest den kleinen Teil des Nachlasses der Erbschaftssteuer unterstellen, den Onassis in Griechenland hinterließ. Mehr als 160 Millionen Mark machte der Immobilienbesitz aus, zu dem die Privatinsel Skorpios S.208 und zwei Villen bei Athen gehören, darunter auch die Küstenvilla, die Onassis bis zu dessen Sturz dem Diktator Georgios Papadopoulos überlassen hatte. Der Rest von etwa 40 Millionen Mark stellte Aktienbesitz dar.
Damals wie heute wurde die Erbschaftssteuer auf zweimal 52 Millionen Mark festgelegt. Aber wie damals sieht die Onassis-Erbin auch heute keine Veranlassung zu zahlen. Ihre Anwälte argumentieren, Christina sei nicht steuerpflichtig, denn das von ihrem Vater geerbte Vermögen stelle Aktien von Firmen dar, die zwar ihren Sitz in Griechenland hätten, deren Besitzer aber Firmen in Panama seien. Christina Onassis konnte sogar Mietverträge und Zahlungsquittungen vorlegen, aus denen hervorgeht, daß sowohl die Privatinsel Skorpios als auch die Villen von den Onassis-Firmen an ihren Vater vermietet worden waren.
Griechische Staatsjuristen sahen darin eine "fingierte Konstruktion", einen Finanz- und Steuertrick des Großreeders. Ihre Steuerforderungen begründeten die Juristen unter anderem mit der Nationalität und dem ständigen Wohnsitz des Erblassers. Sie ermittelten, daß Vater Aristoteles im Register der Stadt Athen unter der Nummer 1/125002 eingetragen und damit griechischer Staatsbürger war. Dies bestreitet zwar die in der Schweiz wohnende Tochter nicht. Sie macht jedoch dagegen geltend, daß ihr Vater seinen ständigen Wohnsitz im Ausland hatte und als Auslandsgrieche von der Erbschaftssteuer befreit sei.
Rechte Regierungen behandelten den Steuerstreit fast wie ein Staatsgeheimnis. Erst der sozialistische Finanzminister Drettakis, der geschworen hat, den Griechen ihren "Volkssport" Steuerbetrug auszutreiben, sah einen willkommenen Anlaß, die Kapitalisten-Tochter an den Pranger zu stellen.
Als Präsidentin der Onassis-Stiftung ließ sie eine Sondersitzung des Verwaltungsrats einberufen. In einer (bezahlten) Presse-Mitteilung drückte das Gremium seine Entrüstung über die "beispiellose Anprangerung" seiner Chefin aus und geißelte den Versuch, "das skandalöse Bild der erschütternden Enthüllung eines angeblichen Betruges zu erwecken".
Als dann die Stiftung noch mit der Einstellung ihrer gemeinnützigen Programme in Griechenland drohte, sahen die Sozialisten ein, daß sie unüberlegt gehandelt hatten.
Allein die Kosten für eine von der Stiftung geplante Herzklinik in Athen, mit deren Bau in diesem Jahr begonnen werden soll, sind fast so hoch wie die Steuerforderung, auch andere Leistungen der Stiftung nicht zu unterschätzen. Nach Angaben von Professor Ioannis Georgakis, ständigem Sekretär der internationalen Stiftungsjury, hat die Onassis-Stiftung in den Jahren 1980 bis 1982 für Stipendien, Forschungsvorhaben, Sonderzuschüsse, die Preisverleihung und das geplante Herzkrankenhaus 8,4 Millionen Dollar ausgegeben.
Schwerer wog noch für die Regierung die späte Einsicht, daß die Jagd der Steuerfahnder auf Christina den griechischen Reederclan verschrecken könnte. Denn die Meinung der Onassis-Tochter gilt etwas, seit sie Sitz und Stimme unter den Hellas-Schiffern hat: Im Januar ließ sie sich in den Vorstand des griechischen Reederverbands wählen. Dort erhielt sie als einzige Frau in der Verbandsgeschichte die fünfthöchste Stimmenzahl.
Die Reederin kontrolliert eine der größten Privatflotten der Welt: rund 40 Tanker und Frachter, von denen 27 unter der Flagge Liberias und nur 8 kleinere unter der blauweißen Heimatflagge fahren. Eine schlechte Behandlung der Onassis-Tochter, so fürchten die Sozialisten nun, könnte zu einem Massenexodus von Griechen aus dem griechischen Schiffsregister führen.
Abwiegelnd erklärte mittlerweile ein Regierungssprecher, in Drettakis' Aktivitäten seien "keine Spitze oder irgendwelche Absichten zu sehen, Frau Christina Onassis herabzusetzen".
Hatte Drettakis im Februar noch lautstark publik gemacht, er habe einen Steuerfahnder nach Panama entsandt, so blieb er die Antwort auf die Frage, ob der Fahnder fündig wurde, bis heute schuldig.
Damit scheint Christina vorerst zufrieden zu sein. Über ihren Anwalt Stelios Papadimitriou ließ sie erklären: "Die Onassis-Stiftung findet, daß diese eher gewöhnliche Angelegenheit in ihre richtige Dimension gerückt worden ist."
Und Jury-Chef Georgakis, ein alter Onassis-Vertrauter, meinte zuversichtlich: "Es handelt sich um einen Rechtsfall, der schon fünf Jahre anhält und der noch sehr lange dauern wird."
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