Das Handy und die Strahlung
Bremer Forscher hat Studien zur Gefährlichkeit von mobilen Telefonen ausgewertet
Von unserem Korrespondenten
Ralf Müller
MÜNCHEN. Der Siegeszug der Mobilkommunikation ist ungebrochen: Handy-Fernsehen, Flatrates für Handys und der zunehmende Wechsel von der Festnetztelefonie hin zu mobilen Lösungen sorgen in der Branche für atemberaubende Zuwachsraten. Doch ungetrübt kann sich die Mobilfunkindustrie ihres Erfolges nicht erfreuen: Es häufen sich Studien, die darauf hindeuten, dass die Technik doch nicht ohne Wirkung auf Mensch und Natur sein könnte. "Ich würde mir kein Handy mehr anschaffen", fasste der emeritierte Bremer Medizin-Professor und Epidemiologe Rainer Frentzel-Beyme seine Erkenntnisse bei einer Anhörung der Grünen im bayerischen Landtag zusammen. Frentzel-Beyme hat unter die Lupe genommen, was auf den Wissenschafts-Markt so alles an Studien vorliegt und die aussortiert, die seiner Meinung nach mangelhaft sind. Geblieben sind etliche Untersuchungen aus aller Welt, die einen Zusammenhang zwischen elektromagnetischer Mobilfunk-Strahlung und Beschwerden wie Schlafstörungen, Depressivität, Kopfschmerzen, Gereiztheit und Konzentrationsstörungen belegen.Eine dieser Studie, berichtete der Bremer Mediziner, komme aus Ägypten, sei methodisch nicht zu beanstanden und weise nach, dass auch Menschen in einem Kulturraum auf die Technik reagierten, von dem die Diskussion über die Gesundheitsgefährdungen durch Handys weit entfernt ist. Besonders zu denken geben müssen nach Ansicht Frentzel-Beymes eine Reihe von Fallkontrollstudien, die einen Zusammenhang zwischen Handy-Benutzung und der Häufigkeit von bös- und gutartigen Tumoren am und im Kopf nachwiesen. Offensichtlich steige das Risiko erst nach mehr als zehn Jahren regelmäßiger Handy-Benutzung an, fasste der Mediziner die Ergebnisse zusammen. Dann aber ergäben sich bis zu sechsmal erhöhte Risiken, an einem Tumor zu erkranken - überwiegend auf der Seite des Kopfes, an dem das Handy üblicherweise angelegt wird.Sollten sich diese Beobachtungen erhärten, sieht Frentzel-Beyme erhebliche Probleme für die Branche heraufziehen: "Wer wagt es denn da noch, sich so etwas zuzumuten?" Ferdinand Ruzicka vom Institut für Cytophysikalische Grundlagenforschung in Wien hält es für bewiesen, dass ein "räumlich und zeitlich kohärentes elektromagnetisches Feld", wie es vom Mobilfunk erzeugt wird, biologische Effekte in den Zellen auslösen kann. Das Feld übertrage ein "Signal" in die Zellen von Tieren und Menschen, das vom zellulären System fälschlich als eine reale Bedrohung interpretiert werde. Dadurch werde eine nachweisbare Reaktion auf biologischer Ebene ausgelöst. Die Folge: Das Abwehrsystem der Zelle werde geschwächt und für reale Angriffe verwundbar gemacht.Selbst Institutionen und Kommissionen, die bislang Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Mobilfunk verneint haben, würden inzwischen nachdenklich, berichtete Frentzel-Beyme. Auch würden immerhin Warnungen vor der Handy-Nutzung durch Kinder ausgegeben. Die Handy-Generation sei nämlich einer wesentlich höheren kumulierten Belastung ausgesetzt als frühere Generationen, die in ihrer Jugend von einem Handy nur träumen konnten.Der wirtschaftspolitische Sprecher der bayerischen Landtags-Grünen, Martin Runge, kritisierte die Weigerung der Mobilfunkbetreiber, die Fortsetzung des "Deutschen Mobilfunk-Forschungsprogramms" weiterhin hälftig zu finanzieren. Gerade in der gegenwärtigen unübersichtlichen Lage an der Forschungsfront seien weitere Untersuchungen notwendig. Sollte sich die Industrie nicht mehr zur Finanzierung bereitfinden, müsse dies der Bund übernehmen, der immerhin 50 Milliarden Euro durch die Versteigerung der UMTS-Lizenzen eingenommen habe, meinte Runge. Für den Staat müsse der Grundsatz gelten: "Solange es Risiken geben kann, ist die Belastung so niedrig wie möglich zu halten."
http://www.weser-kurier.de/20070721/...ie+Strahlung+&