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Alt 18-04-2007, 17:26   #653
Starlight
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Blackberry-Panne lässt die Wall Street zittern

Manchen Marken gelingt es, sich mit genialen Produkten nicht nur in die Läden und in die Herzen der Verbraucher zu spielen, sondern auch in die Wörterbücher. Der „Walkman“ war in den Achtzigern einer der ersten Markenbegriffe im allgemeinen Sprachgebrauch, heute „googelt“ die ganze Welt, und unter Medizinern ist der „Blackberry-Daumen“ ein fester Begriff – wenn auch negativ besetzt.

Der „Blackberry-Daumen“ ist eine sehr spezielle Art der Sehnenscheidenentzündung. Sie befällt weniger das Handgelenk als die Finger- respektive die Daumengelenke und ist bei Leuten zu finden, die tagein tagaus auf den Kleinst-Tastaturen ihrer Mini-Computer – eben vor allem dem Blackberry – Emails tippen und verschicken.

Der „Blackberry-Daumen“ ist mittlerweile so verbreitet, dass die Hotelkette Hyatt ein neues Spa-Programm entwickelt hat: eine spezielle Hand-Massage mit wohltuenden Cremes, die unter dem Namen „Blackberry Balm“ angeboten wird. Dreißig Minuten Massage kosten 30 Dollar, viele Manager auf Geschäftsreisen nutzen den Service regelmäßig, um Verschleiß an den Gelenken vorzubeugen, die bei der Benutzung des Kleincomputers unersetzlich sind.

An der Wall Street lässt sich oberhalb der Türsteher-Ebene niemand ohne Blackberry erwischen. Wer sich im Zentrum der Finanzwelt, wo die schnelle Übermittlung von Informationen über Millionengewinne und -verluste entscheiden kann, noch gegen die Handy-Computer-Email-Organizer-Kombo wehrt (wie beispielsweise der Schreiber dieser Zeilen!), wird fast mitleidig angesehen.

So groß die Abhängigkeit der Trader und Manager von ihrem Blackberry mittlerweile geworden ist, so katastrophal ist es, wenn das liebgewordene System auf einmal nicht funktioniert. Seit Dienstagabend ist das der Fall: Der Email-Server von Blackberry hat den Geist aufgegeben. Bei sämtlichen Abonennten – ob sie nun über AT&T oder Verizon, über Sprint oder T-Mobile Zugang haben – versanden Emails im virtuellen Nirgendwo.

Research in Motion, der Hersteller des Blackberry, spricht ganz offen von einem „katastrophalen Fehler in der Infrastruktur“ und kündigt schon einmal an, das Problem nicht vor Mittwochabend behoben zu haben. Damit würde der Service, der die wichtigsten Entscheider Amerikas mit elektronischer Post versorgt, für mehr als 24 Stunden brach liegen.

Solche Service-Einbrüche können teuer werden. Mit Schadenersatzforderungen muss sich Research in Motion zwar noch nicht herumschlagen. Wer aber den immer unverzichtbareren Email-Dienst nicht rund um die Uhr garantieren kann – und Blackberry-User müssen nicht zum ersten Mal auf den Service verzichten – der kann in der Publikumsgunst schnell absacken. An der Wall Street sind die Folgen des Systemfehlers am Mittwochmorgen gleich doppelt zu sehen: Manchem Manager zittern nervös die Hände, weil der Mini-Computer nicht läuft. Und die Aktie von Research in Motion begann den Handel mit einem Minus von 2 Prozent.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
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