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Alt 30-03-2007, 21:15   #647
Starlight
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Inflation im Getreide-Feld

In einer Flut von Konjunkturzahlen kommt der wichtigste Datensatz am Freitag aus der Landwirtschaft. In der Vergangenheit mag die Prognose für Anbaufläche und Ertrag außerhalb des Getreidegürtels kaum interessiert haben. Doch seit Ethanol die Perspektiven der Branche verändert hat, ist Mais ein hektisch gehandelter Rohstoff.

Wieviel Volatilität in Getreide-Futures steckt, zeigt sich dann auch am Freitag: Die Mais-Futures brechen um mehr als 5 Prozent ein und finden bei 3,74 Dollar pro Büschel den niedrigsten Stand seit Jahresbeginn. Noch vor einem Monat hatte das Büschel bei 4,50 Dollar notiert, doch dann gab es erste Schätzungen über die Anbaufläche in diesem Jahr. Die offiziellen Zahlen lassen nun auf eine Rekord-Ernte schließen.

Die amerikanischen Bauern bauen in diesem Jahr Mais auf mehr als 36 Millionen Hektar Ackerland an. Das ist ein Plus von 15 Prozent gegenüber dem vergangenen Jahr und die größte Fläche seit dem Zweiten Weltkrieg. Hinter dem plötzlichen Getreide-Boom stehen die erhöhte Nachfrage nach Ethanol und die Tatsache, dass Mais für den Ethanol-Anbau von der Regierung suventioniert wird.

In Illinois, North Dakota und Minnesota rechnen Bauern für 2007 mit der größten Mais-Ernte aller Zeiten, in Louisianna wird mit fast 300 000 Hektar mehr als doppelt soviel Mais gesät wie im Vorjahr. Das geht auf Kosten anderer Produkte. So wird die Ernte von Sojabohnen, Baumwolle und Reis im laufenden Jahr deutlich unter den Vorjahreswerten ausfallen. Bei Weizen ist die Anbaufläche etwa gleich geblieben.

Diese Verschiebung hat Folgen auch außerhalb der Landwirtschaft. Während die Bauern von hohen Mais-Preisen profitieren – noch vor einem Jahr war alles über 2,30 Dollar pro Büschel gern gesehen –, belastet der Trend den Verbraucher. Der zahlt mehr denn je für Brot und Bier, für Reis und Nudeln. Die Preissteigerungen im Lebensmittelsektor waren zuletzt so hoch, dass immer weniger Analysten an der Wall Street zur Betrachtung der Verbraucherpreise die Kernrate heranziehen. Die schließt Energie und Lebensmittel aus und stellt damit die wahre Inflation nicht mehr dar.

Viele Landwirte haben mit Mais jedoch den Jackpot geknackt. Jedenfalls, wenn nicht noch mehr Kollegen auf den Ethanol-Zug aufspringen. Denn zuviel Mais führt – wie sich im Freitagshandel zeigt – zu fallenden Preisen. Zudem stehen viele Landwirte angesichts der größeren Anbaufläche vor ungeahnten Risiken. Viele müssen in größere Maschinen investieren und brauchen mehr Dünger, dessen Preis sich wiederum in den letzten Jahren verdoppelt hat.

Auch die Ernte-Versicherung ist teurer geworden. Mais-Bauern zahlen in diesem Jahr etwa 45 Dollar statt der bisherigen 30 Dollar pro angebautem Hektar. Es ist dabei jedem Bauern selbst überlassen, wieviel Fläche er versichert: Zu viel schneidet in die Margen, zu wenig kann bei einem nassen Frühling oder einer Dürre im Sommer zu hohen Einbußen führen.

Gegen ein Risiko haben sich viele Bauern mittlerweile auf eigene Faust versichert: gegen fallende Mais-Preise. In vielen Staaten stehen die Landwirte zumindest als Anteilseigner hinter den Ethanol-Raffinerien. Denen ist an niedrigen Preisen gelegen. „Ethanol ist das perfekte Hedge-Geschäft“, wird Farmer Dave Nelson aus Iowa im Wall Street Journal zitiert.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
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