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Alt 29-03-2007, 17:51   #646
Starlight
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Das 100-Dollar-Rätsel von Hormuz

Viele Jahre lang hat Steve Jordan gebohrt und gebuddelt – ohne Erfolg. Seine Kinder nannten ihn „Trocken-Steve“, weil aus seinen vermeintlichen Quellen nie Öl sprudeln wollte. Jetzt hat sich das Schicksal gewendet: Jordan ist auf Öl gestoßen, und zwar ausgerechnet in seinem eigenen Hinterhof.

Jordans Geschichte ist eine schöne Erfolgs-Story, die durch die amerikanischen Medien geistert und die immer gerne gelesen wird. Allein an den Rohstoffbörsen interessiert der Fund niemanden. Die 20 Fass, die jeden Tag aus der Quelle in Lake Charles im Bundesstaat Louisianna sprudeln, lassen kaum hoffen, dass die USA irgendwann einmal von Öl-Importen unabhängig sein könnten.

Im Gegenteil: Die Öl-Importe der Vereinigten Staaten steigen, und deshalb spielt auch der Ölpreis eine immer größere Rolle an den Finanzmärkten. In dieser Woche zeigt sich das wieder auf besonders dramatische Weise. Rohstoff-Experten schauen in den Iran, wo sich das Geisel-Drama um 15 britische Marine-Soldaten nicht entschärft. Der Iran hat die angekündigte Freilassung der einzigen weiblichen Geisel zurückgezogen, und dass die USA einen dritten Flugzeugträger in die Region schickt, sorgt sicherlich auch nicht für Entspannung.

Zwar glaubt man weder in Washington noch an den Börsen in New York an einen bevorstehenden bewaffneten Konflikt. Doch gibt es bereits Rechenmodelle für den Ölpreis, die einen solchen Fall berücksichtigen. Sie schockieren Wirtschaft und Verbraucher, denn sie deuten auf einen Ölpreis von über 100 Dollar pro Fass.

Hinter einem solchen extremen Preisanstieg steht wohlgemerkt nicht allein der Iran. Vielmehr hätte ein Konflikt möglicherweise Auswirkungen auf die Straße von Hormuz, jene einzige schiffbare Verbindung des Persischen Golfs zum Indischen Ozean. Durch diese stellenweise nur 50 Kilometer breite Wasserstraße gehen 20 Prozent der globalen Öl-Lieferungen, darunter die gesamte Produktion von Iran, Irak, Kuwait und Saudi-Arabien.

Wie wichtig Details zum Transport der Rohstoffes sind, spürt der stets von Angebot und Nachfrage dominierte Markt immer wieder. Vor drei Wochen war eine Wasserstraße in Texas wegen Nebels nicht passierbar. Zahlreiche Tanker blieben kurz vor dem Hafen stecken. Die Rohstoff-Importe brachen für einige Tage massiv ein, die Preise schnellten hoch.

Dass die Straße von Hormuz in absehbarer Zeit unpassierbar würde – etwa wegen eines Krieges – halten Experten wohlgemerkt für äußerst unwahrscheinlich. Dem Iran selbst ist nicht daran gelegen, den Öl-Export zu minden, denn man braucht das Geld. Und angesichts eines überwältigenden Militär-Aufgebots im Persischen Golf dürfte es die Regierung wohl auch nicht auf eine Eskalation der Geisel-Krise anlegen.

Vielmehr scheint der Staat einfach wieder die Muskeln spielen zu lassen. Mit einem Ergebnis: Wahr genommen und ernst genommen wird man auf jeden Fall. Bei einem aktuellen Preis von rund 65 Dollar pro Fass sehen zahlreiche Öl-Insider, darunter der milliardenschwerde Öl-Investor Boone Pickens, das schwarze Gold in nächster Zeit eher um 10 Dollar zulegen als abnehmen.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
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