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Alt 01-07-2005, 09:36   #4
Graf Zahl
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Tach auch, Marc

Der verbale Amoklauf des Hollywood-Stars

Tom Cruise macht im Fernsehen gegen die moderne Psychiatrie mobil. Damit folgt er den Regeln der Scientology-Sekte.

Washington - Tom Cruise, so klärt die „Washington Post“ ihre Leser mit beißender Ironie auf, sei nur im Nebenberuf Schauspieler. Denn eigentlich sei er Arzt und Missionar. „Wir sind uns nur nicht sicher, ob wir ihn mit Herr Doktor oder mit Hochwürden ansprechen sollen“, so das Blatt.

Derlei Häme hat sich der 42 Jahre alte Hollywood-Star in den letzten Wochen mühsam verdient. In einer Serie von Interviews und Fernsehauftritten hat er offensiv für die Scientology-Sekte geworben und zugleich einen Feldzug gegen Psychopharmaka gestartet, der überall in Amerika Patienten verunsichert und Ärzte auf die Barrikaden gebracht hat. Letzter Höhepunkt dieser Serie war ein Auftritt von Cruise in der „Today“-Show des Senders NBC. Cruise erklärte darin, Antidepressiva seien grundsätzlich wirkungslos, und die gesamte moderne Psychiatrie sei nichts als eine „Pseudowissenschaft“. Als der Moderator Matt Lauer ihm daraufhin erzählte, er kenne aber Patienten, denen Psychopharmaka geholfen hätten, fuhr Cruise ihn rüde an: „Matt, Sie haben doch überhaupt keine Ahnung. Sie kennen die Geschichte der Psychiatrie nicht, aber ich.“ Auch die Schauspielerin Brooke Shields, die Cruise schon vor Wochen öffentlich bloßgestellt und kritisiert hatte, weil sie Antidepressiva gegen ihre Wochenbettdepressionen genommen hat, griff er noch einmal an: „Sie ist einfach schlecht informiert, sie versteht nicht richtig, was da mit ihr gemacht wird, so wenig wie Sie das verstehen, Matt.“ Sodann schwadronierte Cruise weiter und erklärte dem Millionenpublikum am Bildschirm, auch alle anderen Psychopharmaka seien wirkungslos und gefährlich, vor allem das populäre Ritalin, das vielen hyperaktiven Kindern verschrieben werde.

Der Frontalangriff gegen die Psychiater durch einen der bekanntesten amerikanischen Filmstars zeigte schon in den ersten Stunden nach dem Interview Wirkung. „Hier haben unzählige Eltern angerufen“, berichtet Peg Nichols, Sprecherin des Beratungszentrums für hyperaktive Kinder in Washington, „die wollen wissen, ob das stimmt, was er gesagt hat, und sind völlig verunsichert.“ Sogar die Amerikanische Gesellschaft für Psychiatrie (APA) sah sich genötigt, mit einer öffentlichen Stellungnahme die Patienten zu beruhigen: „Es ist unverantwortlich, Patienten, die dringend psychiatrischer Behandlung bedürfen, auf diese Weise zu verschrecken, nur um Werbung für einen neuen Film zu machen oder die eigene Ideologie zu verbreiten.“ Auf keinen Fall, so der Verband, sollten Patienten in eigener Entscheidung die Medikamente absetzen. Ob es Cruise tatsächlich darum geht, Steven Spielbergs neuem Film „Krieg der Welten“ mit sich selbst in der Hauptrolle zusätzliche Schlagzeilen zu sichern, ist unklar. Vermutlich braucht der 133 Millionen Dollar teure Streifen solche Werbung gar nicht; er gilt ohnehin als das größte Filmereignis der Saison.

Eher schon scheint Cruise aktiv Werbung für Scientology machen zu wollen. Die obskure Sekte, die vom Science-Fiction-Autor Lafayette Ron Hubbard (1911-1986) gegründet wurde, lehnt die moderne Psychiatrie und Psychologie rigoros ab. Als „Krieg der Welten“ gedreht wurde, bestand Cruise darauf, dass ein Informationszelt der Sekte direkt am Drehort aufgebaut wurde. Die Produzenten des Films gaben nach Angaben amerikanischer Zeitungen diesem Wunsch nur zögernd und widerwillig nach, da religiöse Werbung am Arbeitsplatz in den USA grundsätzlich verboten ist. Katie Holmes, Schauspieler-Kollegin und neuerdings Verlobte von Tom Cruise, will noch vor der Hochzeit ihren katholischen Glauben aufgeben und Scientology beitreten.

Quelle: KStA.de
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