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Alt 01-06-2007, 20:20   #683
Starlight
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Was wird aus dem Wall Street Journal?

Als der amerikanische Medienzar Rupert Murdoch vor einem Monat 5 Milliarden Dollar für den Verlag Dow Jones bot, der unter anderem das einflussreiche Wall Street Journal druckt, schoss zwar dessen Aktie in die Höhe. Doch außer ein paar Spekulanten glaubte kaum jemand an einen möglichen Deal – zu unterschiedlich sind die beiden Parteien.

Und doch könnten sie bald Partner werden. Nach sechs Wochen Bedenkzeit – Dow Jones erhielt das Angebot der News Corp. zwei Wochen vor der öffentlichen Bekanntgabe – zeigt sich die Familie Bancroft als Mehrheitsaktionär gesprächsbereit. Man will sich mit Murdoch treffen und möglicherweise auch mit anderen Bietern, die es bislang aber nicht gibt. Und auch nicht geben dürfte, denn der Preis den Rupert Murdoch vorgelegt hat, ist nicht leicht zu schlagen.

5 Milliarden Dollar für das Unternehmen bedeuten 60 Dollar pro Aktie, deren Kurs vor Bekanntgabe des Angebots bei 36 Dollar gelegen hatte. Andere Großinvestoren – darunter der Nachrichtendienst Bloomberg und Warren Buffett als Großaktionär der Washington Post – hatten schnell erklärt, auf einen Bieterwettstreit keine Lust zu haben.

Sie hätten auch nichts davon, denn Murdoch kann sich den hohen Preis leisten, weil er ungewöhnlich hohe Synergien sieht. Es ist ein offenes Geheimnis, dass er die Erfahrung und Anerkennung des Wirtschaftsverlages gerne mit der Popularität seiner Senderfamilie Fox zusammenbringen und einen Finanzsender gründen würde. Der wäre direkter Konkurrent von CNBC, dem aktuellen Marktführer aus der Familie von General Electric.

Was geschäftlich durchaus Sinn machen würde, jagt Journalisten und zahlreichen Wall-Street-Experten kalte Schauer über den Rücken. So einflussreich Rupert Murdoch ist, so einseitig ist er: Als linientreuer Freund der Bush-Regierung hat er in den letzten Jahren seine Produkte – Fox ebenso wie die New York Post im Printbereich – auf Kurs gehalten. Bei News Corp. werden Bush & Co. über den grünen Klee gelobt, Kritiker im In- und Ausland in die Ecke gestellt – oder in die „Achse der Feiglinge“, in der sich Deutschland und Frankreich fanden, als sie Bushs Irakkrieg nicht unterstützen wollten.

Während nun Bush an der Wall Street beliebter sein dürfte als im nationalen Durchschnitt, ist Anlegern und Analysten eine offene und ausgewogene Berichterstattung doch noch wichtiger. Nur auf eine solche lässt sich schließlich zuverlässig investieren. Entsprechend laut ist der Schrei gegen eine eventuelle Übernahme von Dow Jones.

Noch lauter wehren sich hingegen Stimmen im eigenen Haus gegen den Murdoch-Angriff. Die Redakteure fürchten nicht nur um den guten Ruf und die Marke des Wall Street Journal, sondern auch um ihren Arbeitsplatz. Für den gewieften Geschäftsmann Murdoch sei das Unternehmen bei einem so hohen Kaufpreis nur profitabel, wenn schnell Kosten gesenkt werden können – am ehesten in der Redaktion. Das wiederum kann auch die Bancroft-Familie nicht wollen, die den Verlag immerhin seit 105 Jahren hält.

Allerdings geht es an der Wall Street eben nicht nur um Integrität, sondern auch um´s Geld. Und wenngleich einige Mitglieder der Bancroft-Familie tapfer erklären, ein Deal mit Murdoch bringe dem Unternehmen nichts, dürfte Brian Rogers, der Chef des Brokerhauses T. Rowe Price, etwas näher an der Wahrheit sein. Er meint, dass Dow Jones den Aktienkurs alleine nie bei 60 Dollar halten könnte und auch kaum Wachstumspotenzial habe. Und Rogers will Wachstum sehen, seine Firma hält 4,5 Millionen Dow-Jones-Aktien.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
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