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Alt 24-09-2007, 20:26   #744
Starlight
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Arbeitskampf bei GM

Am frühen Morgen waren sich die Experten noch einig, die Streikdrohung der Gewerkschaft UAW gegen General Motors sei nur eine Formsache, die Verhandlungen seien so gut wie abgeschlossen – die Auto-Aktie legte deutlich zu. Zwei Stunden später legten Arbeiter im Pontiac-Werk in Orion, Michigan das Werkzeug nieder.

Mehr als 70 000 Arbeiter in den anderen GM-Werken folgten umgehend: Am Montagmittag ruhte in 59 Fabriken in den ganzen USA die Arbeit. Das Unternehmen leidet darunter schwer, denn man hat ohnehin mit sinkenden Absatzzahlen und Marktanteilen zu kämpfen.

Die wiederum hängen direkt mit den Schwierigkeiten von GM zusammen, die Kosten unter Kontrolle zu bekommen. Das liegt an hohen Lohnnebenkosten, vor allem an hohen Zahlungen in die Krankenversicherung für aktuelle und ehemalige Angestellte sowie deren Lebenspartner. Um diese Zahlungen ging es in den letzten Minuten vor dem aktuellen Streik. Die mehr als 51 Milliarden Dollar an erwarteten Forderungen wollten GM und die UAW an einen von der Gewerkschaft kontrollierten Fond übertragen, der mit einer einmaligen Zahlung vom Automobilriesen gespeist werden sollte. Unklar blieb bis zuletzt, wie hoch diese einmalige Zahlung sein solle.

Genaue Zahlen – das Angebot von GM und die Forderung der Gewerkschaft – sind nicht bekannt. Eine Einigung dürfte aber Experten zufolge näher an der Forderung der UAW erreicht werden, denn GM steht massiv unter Druck. Erst wenn die künftige zu erwarteten Versicherungsleistungen abgetreten sind, kann man in bezug auf die Kosten an die ausländische Konkurrenz aufschließen, die seit Jahren immer größere Anteile am amerikanischen Automarkt beherrscht. Vor allem GMs Hauptkonkurrenten, Toyota und Honda, sind nicht gewerkschaftlich organisiert.

Allzu schnell dürfte GM sein Angebot aber auch nicht erhöhen, auch nicht vor dem Hintergrund eines Streiks. Denn zumindest einen Vorteil hat der Autobauer im Arbeitskampf: Wegen nicht zu zahlender Löhne sinken die Ausgaben zeitweise dramatisch. Gleichzeitig kommt immer noch Geld rein, denn bereits gebaute und ausgelieferte Fahrzeuge werden weiter verkauft. Über die ersten drei bis vier Wochen eines Streiks werden also die Cash-Reserven von GM massiv steigen, wie der Automobil-Analyst David Healy von Burnham Securities klarstellt.

In diesen Genuss kommt zur Zeit übrigens nur General Motors. Bei den Konkurrenten Ford und Chrysler ist (noch) kein Streik angedroht. Die etwa 100 000 dort angestellten Gewerkschaftler haben ihre Verträge befristet verlängert, während sich die UAW ganz auf die Verhandlungen mit dem größten US-Autokonzern konzentrierte. Doch welches Ergebnis auch immer der Arbeitskampf bei GM bringt, dürfte bald auf die Konkurrenz übertragen werden.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
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