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Alt 12-09-2007, 20:32   #740
Starlight
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Rohstoffmärkte in Vertrauenskrise

Manchmal muss auch der erfahrenste Wall-Street-Reporter einen Schritt zurück gehen, die Meldungen des Tages auf Ursache und Wirkung prüfen und einsehen, dass alles keinen Sinn macht. Die Opec setzt die Förderquoten herauf, die Energiebehörde setzt die Nachfrageerwartungen herab – und trotzdem klettert der Ölpreis.

Angebot und Nachfrage machen offensichtlich nur manchmal den Preis. In dieser Woche steigt auf Beschluss der Opec das Abgebot and Öl, während die Internation Energy Agency (IAE) die Prognose für die Nachfrage in diesem und im laufenden Jahr senkt. Damit müsste Öl eigentlich billiger werden. Tut es aber nicht. Im Gegenteil: Der Rohstoff steigt im Preis, und zwar schnurstracks auf ein neues Allzeit-Hoch. Das Fass notiert zur Wochenmitte nur noch knapp unter 80 Dollar – und auch diese Marke dürfte in den nächsten Tagen fallen, wie manche Rohstoff-Experten vefürchten.

Woran liegt´s? – Nun, nicht nur Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis, sondern letzten Endes vor allem der Kunde. Und der traut weder Angebot noch Nachfrage, zumindest nicht den offiziellen Quellen. Tatsächlich ist der Opec nur schwer zu trauen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass das Kartell mehr Öl fördert als die offiziellen Quoten zulassen. Das ist schändlich, aber verständlich: Die niedrigere Quote sorgt für den höheren Preis – zu dem dann mehr gefördert wird.

Solche Tricks haben Anlegern ein gehöriges Maß Mißtrauen eingeflößt. Dass das Kartell nun versucht, die Statistik zu säubern, hilft nicht mehr. So hat die Opec sich natürlich bewusst für eine Erhöhung der Quoten um 1,4 Millionen Fass pro Tag entschieden. Mit einem Plus von 0,9 Millionen Fass werden die bisherigen Abweichungen ausgeglichen, die übrigen 0,5 Millionen Fass sind die tatsächliche Mehrproduktion.

Die aktuelle quotierten 27,2 Millionen Fass pro Tag sollen nun die real geförderte Menge sein – und genau das nimmt der Anleger den Entscheidern nach der Sitzung in Wien nicht ab. Interessanterweise glauben Experten nun aber nicht, dass die Opec erneut bescheisst, sondern dass sie die höhere Quote gar nicht fördern kann. Denn: Könnte sie das, hätte sie in der bekannten Gier ohnehin schon lange getan. Kurz: Man unterstellt der Opec, aus Gier schon seit Jahren am Limit zu fördern. Die Quoten bedeuten nichts mehr.

Auf Nachfrageseite sieht es nicht anders aus. Die schwankenden Schätzungen der Energiebehörde über die globale Nachfrage nach Öl lassen den Markt kalt. An einem Tag wie diesem Mittwoch sowieso. Denn während die Behörde die Nachfrage herunterrechnet, fallen die Lagerbestände dramatisch und zum wiederholten Male. Und das bewegt den Preis stärker als alle warmen Worte der IAE.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
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