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Alt 09-06-2008, 17:28   #852
Starlight
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Zwischen Utopie und Zukunft
Montag, 9. Juni 2008

Während der Ölpreis in immer neue Höhen klettert, widersetzen sich konservative Amerikaner immer noch jeder neuen Idee. Statt ernsthaft über Energiespar-Konzepte nachzudenken, alternative Energien zu fördern oder ganz neue Phantasien zu entwickeln, fordern sie immer das gleiche: Mehr Öl bohren. In Alaska.

Die Republikaner und viele ihrer Unterstützer in konservativen Lobbygruppen glauben „ANWR is the answer“. Die Abkürzung, die Antwort auf alle Fragen verspricht, steht für das „Alaska National Wildlife Refugee“, ein Naturschutzgebiet im nördlichsten US-Bundesstaat, unter dem Öl liegt – das nicht gefördert werden darf.

Denn seit Jahren ist das Naturschutzgebiet für die Unternehmen Sperrgebiet. Hier leben Eisbären, Elche, Karibu und andere Tiere, viele von ihnen sind bedroht. Den Schutz irgendwelcher Tiere über das Menschenrecht auf Öl zu stellen, geht den Republikanern und der Öl-Industrie seit langem gegen den Strich, allein, man hat sich bisher auch mit einer Mehrheit in Washington nicht durchsetzen können.

Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Öl-Lager unter ANWR selbst nach offiziellen Schätzungen der Regierung derart gering sind, dass sich mit ihnen zwar Geld verdienen aber sicherlich keine Ölkrise verhindern ließe. Die Regierung in Washington hat berechnet, dass selbst eine Förderung auf vollen Touren – die frühestens in zehn Jahren möglich wäre – den Ölpreis höchstens um 75 Cent pro Fass senken würde. Bei einem aktuellen Ölpreis von rund 135 Dollar wäre das eine Ersparnis von etwa 0,5 Prozent.

Dazu kommt: Die Förderung in ANWR hätte keine lange Dauer. Selbst bei einem Förderbeginn in zehn Jahren hätte man bis 2027 den Gipfel erreicht; zehn Jahre später dürften die Vorräte erschöpft sein. Insgesamt ließe sich bis dahin etwa 1 Prozent der amerikanischen Öl-Nachfrage stillen – ein Schritt zu dem allgemein angestrebten Ziel der „Unabhängigkeit von ausländischem Öl“ ist das nicht.

Den Konservativen geht das nicht in den Kopf. „Wir könnten ja schon lange fördern, wenn Bill Clinton uns nicht gestoppt hätte“, mosert etwa Max Schulz vom Manhattan Institute auf dem amerikanischen Börsensender CNBC. Bis zu 1,5 Millionen Fass könne man heute täglich aus dem Boden ziehen. Zudem trete man ja auch für verstärkte Förderung im Golf von Mexiko ein.

Was Schulz & Co. weiterhin strikt ablehnen, ist ein allmähliches Umstellen auf andere Energien. „Solar- und Windenergie sind ja schöne Ideen, aber sie funktionieren nicht“, zieht er über eine Interviewpartnerin her. Die hingegen, Daphne Wysham vom renommierten Institute for Policy Studies hat recht konkrete Lösungsvorschläge. Mit Solardächern auf Parkplätzen kontert sie das Argument, dass auch Elektroautos mit Strom aufgeladen werden müssten. Erdwärme, Windräder und sogar Mikroorganismen spielen in den Plänen ihres Think Tanks eine Rolle – und sind allesamt wissenschaftlich untersucht und für die Zukunft als tragfähig befunden worden.

Es wird – auch bei Öl- und Benzinpreisen auf Rekordniveau – noch lange dauern, bis Amerika in Energiefragen umdenken wird. Viel zu lange hat sich das Land auf niedrigem Benzin und einem globalen Überangebot ausgeruht. Jetzt die Gewohnheiten umzustellen ist schwierig, wenn auch nicht unmöglich. Auf dem Automobilmarkt geht der Trend bereits weg vom SUV und hin zum Kleinwagen. Der vor kurzem noch belächelte Smart könnte in Amerika eine bessere Zukunft haben als man sich zunächst hätte träumen lassen.
© Inside Wall Street
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