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Alt 02-06-2008, 17:54   #848
Starlight
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Abzocke über den Wolken
Montag, 2. Juni 2008

Über den Wolken… da war einst die Freiheit grenzenlos. Heute ist es die Abzocke der Airlines, die – gebeutelt von teurem Flugbenzin – immer neue Tricks finden, den Passagier auszunehmen. Der zahlt heute für das Gepäck, für einen kleinen Snack, für einen Fensterplatz. Nur die Toilette soll weiterhin gebührenfrei bleiben.

Wie ungeliebt die aktuellen Sparmaßnahmen der Branche sind, wissen alle Airline-Manager. Deshalb geht man in Sachen Passagier-Abzocke vorsichtig und schrittweise vor. American Airlines hat gerade begonnen, bei der Gepäckaufgabe 15 Dollar pro Koffer zu verlangen. Die großen Konkurrenten, darunter Delta Air Lines, Continental, United und Northwest Airlines sowie US Airways, sollen entsprechende Pläner in der Schublade haben. „Die warten nur ab, bis American Airlines die ganzen Negativ-Schlagzeilen abgefangen hat“, weiß Insider Rick Seaney von Farecompare.com. „Sobald der erste Ärger verraucht ist, ziehen die anderen nach.“

Wer sich vom Gepäckzuschlag nicht abschrecken lässt und dennoch mit American Airlines fliegt – so wie ich am Wochenende wegen eines Geschäftstermins in Chicago –, der bekommt schnell weitere Spaßmaßnahmen zu spüren. Nachdem Kissen und Decken schon seit geraumer Zeit der Ersten Klasse vorbehalten waren, gibt es jetzt auch kein Essen mehr. Nicht einmal Nüsse sind umsonst; drei Dollar soll zahlen, wer über den Wolken knabbern will.

Es gibt noch unzählige andere Dinge, die Fluggäste früher umsonst genießen konnten. Doch auch für einen besseren Sitzplatz, für einen kleinen Hund in der Tragetasche und sogar für Ticketreservierung per Telefon werden Gebühren fällig.

Man habe gar keine andere Wahl. „Bei einem Ölpreis von 130 Dollar pro Fass müssen wir dringend Kosten senken“, meint etwa Morgan Durrant von US Airways. „Keine Snacks mehr anzubieten, spart ein wenig Geld, und das brauchen wir für’s Benzin.“

Einige Unternehmen arbeiten an weiteren Konzepten, wie Branchenkenner wissen. So soll bald an der Reinigung der Kabine gespart werden; die Sitztasche etwa könnte bald nur noch gegen Aufpreis ausgeräumt und bestückt werden. Zumindest ein Stück dürfte indes weiterhin kostenlos eingelegt werden: die Spucktüte. „Für normale Körperbedürfnisse dürfen die Airlines nichts verlangen“, beruhigt David Stempler von der Air Travelers Association, einer Organisation für den Schutz von Passagierrechten.

„Das würde wohl zuviele Kunden abschrecken.“ Entsprechend soll auch die Toilette weiterhin gebührenfrei bleiben.
© Inside Wall Street



Beerdigung einer Broker-Legende
Samstag, 31. Mai 2008

Eine der dramatischsten Versammlungen des Jahres, an sich ein historisches Ereignis in der Finazgeschichte Amerikas, dauerte nur zehn Minuten: Am Donnerstag trafen sich Aktionäre und Mitarbeiter des legendären Brokerhauses Bear Stearns, um über das Ende ihres Unternehmens abzustimmen… kurz und schmerzlos.

„Dies ist ein trauriger Tag“, meinte Chairman Jimmy Cayne. „Bringen wir es hinter uns.“ Das vesuchte er – äußerst angemessen – mit einer Entschuldigung, die nicht im Skript stand, sondern möglicherweise wirklich von Herzen kam. Vom Untergang der Firma seien „14 000 Familien betroffen. Es tut mir persönlich leid. Ich fühle enormen Schmerz, und auch das Management fühlt enormen Schmerz.“

Cayne selbst hat durch den rapiden Wertverlust der Bear-Stearns-Aktie im Zusammenhang mit der Hypothekenkrise 900 Millionen Dollar verloren. Und doch tat er keinem der Anwesenden leid. Die hatten zwar geringere Beträge verloren, aber zum großen Teil immerhin ihre ganzen Ersparnisse, die Einlagen in ihren Rentenfond – und den Job.

Und Jimmy Cayne, der fast vierzig Jahre lang bei Bear Stearns gearbeitet hatte, muss sich einiges vorhalten lassen. Selbst in Krisenzeiten ließ er – damals nicht nur Chairman, sondern in Personalunion auch CEO – den Konzern weitgehend führungslos treiben, während er sich beim Golf und Bridge vergnügte. Hin und wieder sollen bei seinen oft tagelangen Ausflügen auch Drogen und Prostituierte im Spiel gewesen sein, hieß es aus der Gerüchteküche. Ob das stimmt, ist unklar, einen Unterschied würde es aber nicht machen.

Unterm Strich ist klar: Jimmy Cayne hat den Traditionskonzern Bear Stearns an die Wand gefahren. Auf seine Entschuldigung reagierten die Zuhörer am Donnerstag mit eisigem Schweigen. Cayne fuhr fort: „Was uns nicht umbringt, macht uns stärker. Wir sind jetzt ein wenig wie Herkules.“ Erneut Schweigen.

Danach stimmte man ab. Der Verkauf von Bear Stearns an den Dow-notierten Finanzriesen J.P. Morgan dürfte wohl mit 80 Prozent der Stimmen genehmigt worden sein; genaue Zahlen gibt es erst in den nächsten Tagen. Am Wochenende soll der Anschluss durchgeführt werden – für 10 Dollar pro Aktie. Zur Erinnerung: Das Bear-Stearns-Papier war vor anderthalb Jahren noch 170 Dollar wert.

Angesichts dieses Wertverlusts und in vollem Bewusstsein, dass das Debakel an der Madison Avenue mindestens 7000 Stellen gekostet hat, versuchte Cayne ein wenig Optimismus: „J.P. Morgan ist ein großartiges Unternehmen. Auf uns werden bessere Tage zukommen.“
© Inside Wall Street



Die Arroganz des Öl-Riesen
Donnerstag, 29. Mai 2008

Da kann der Ölpreis noch so klettern, da können die Gewinne noch so sprudeln… bei ExxonMobil herrscht dicke Luft. Die Hauptversammlung in dieser Woche ging wieder einmal nicht ohne Streit über die Bühne, denn die Arroganz der Manager wird den Anlegern immer unerträglicher. Schließlich geht es um die Zukunft des Konzerns.

Denn in den Augen vieler Experten dürfte ExxonMobil seine Glanzzeiten hinter sich haben. Denn: Öl mag zwar im Moment der wichtigste Rohstoff und die weitest verbreitete Energiequelle sein. Auf eine Zukunft ohne Öl – für den äußerst wahrscheinlichen Fall, dass die globalen Vorkommen einmal erschöpft sein sollten – sehen Insider den Dow-notierten Branchenriesen aber nicht vorbereitet.

So schert sich ExxonMobil im Gegensatz zur Konkurrenz nicht allzu sehr um Investitionen in alternative Energien. Dabei werden solche Initiativen bei den Hauptversammlungen seit Jahren diskutiert. Anleger sind frustriert, zumal die Konkurrenz nicht schläft. Wenn man zu lange warte, werde der Einstieg in Technologien der Zukunft einmal sehr teuer und mit dem alten Kerngeschäft nicht zu vereinbaren sein, warnte der New Yorker Großaktionär Stephen Viedermann, der in diesem Jahr eine Eingabe zum Thema gemacht hatte.

Viedermann sieht den Konzern als einen Dinosaurier, der sich bisher seinem wechselnden Umfeld nicht angepasst hat. „Der ExxonMobil-osaurus droht auszusterben“, meint er.

Das Management von ExxonMobil sieht die ganze Sache freilich anders. Zunächst geht man davon aus, dass Öl bis mindestens ins Jahr 2030 die wichtigste Energiequelle für die Weltwirtschaft bleiben wird. Was danach kommt, erörtert man zur Zeit nicht. Zwingen lassen will man sich schon gar nicht; überhaupt hält man die Zahl derer klein, die an der Konzernspitze überhaupt mitreden dürfen.

Vor allem dem CEO Rex Tillerson soll auch in Zukunft keiner widersprechen dürfen. Der 58-Jährige ist seit seit 2006 Vorstandsvorsitzender und Aufsichtsratsvorsitzender des Konzerns, und genau das passt den Anlegern immer weniger – obwohl schon sein Vorgänger, Lee Raymond, beide Ämter inne hatte. Seit sechs Jahren laufen Petitionen für eine Postentrennung. Gestartet wurde die Initiative einst von Robert Monks, dessen Investmentgruppe 110 000 Aktien mit dem Kürzel „XOM“ hält. Sein Gesamtanteil an dem Öl-Riesen liegt damit bei etwa 10 Millionen Dollar.

Monks, von amerikanischen Wirtschaftsmedien hin und wieder verächtlich als „Aktivist“ beschrieben, wünscht sich einen unabhängigen Aufsichtsrat nicht zuletzt um neue Initiativen besser beurteilen zu können. In diesem Jahr hatte Monks allen Grund, optimistisch zur Hauptversammlung zu gehen. Denn wenige Tage vorher hatten sich die Rockefeller-Erben seiner Petition angeschlossen, deren Vorfahren einst Standard Oil gegründet hatten – das Unternehmen, aus dem später ExxonMobil hervorging.

Doch auch dem Einfluss der mächtigen Gründer-Enkel widersetzte sich das Management mit Unterstützung einiger institutioneller Anleger. Knapp 40 Prozent der Anleger sprachen sich letztlich für „checks and balances“ aus – damit wurde die Initiative zur Postentrennung zum sechsten Mal abgeschmettert. Ohne Warnung kam das Management aber nicht davon. Man werde Tillerson und seine Mannschaft streng im Auge behalten, sagte etwa der Vertreter des kalifornischen Rentenfonds, seines Zeichens einer der größten Aktionäre.

Bangen wird man in der Konzernzentrale nun wohlgemerkt nicht. Zumal die Doppelrolle für Tillerson in den USA alles andere als außergewöhnlich ist. Knappe 62 Prozent der Unternehmen im S&P-500-Index haben Vorstands- und Aufsichtsrat unter der Führung der gleichen Person; bei weiteren 15 Prozent ist der Aufsichtsratschef der frühere Vorstand.
© Inside Wall Street
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