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Alt 27-05-2008, 17:43   #846
Starlight
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Der Segen teuren Benzins


Zu Beginn der Ferienzeit, in der die Amerikaner normalerweise noch viel mehr Auto fahren als sonst, notiert der Benzinpreis so hoch wie nie zuvor. Doch nur ein Teil der Verbraucher jammern darüber. Die anderen haben die Zeichen der Zeit erkannt und satteln um…auf öffentliche Verkehrsmittel und auf das Fahrrad.

In den USA findet zur Zeit ein gewaltiger Wandel statt, gewissermaßen eine Revolution. Denn immer mehr Amerikaner erkennen, dass sie seit Jahrzehnten zu bequem waren und sich den Komfort nicht länger leisten können.

Verwöhnt von lächerlich niedrigen Benzinsteuern und daher niedrigen Preisen an der Zapfsäule gibt es kaum eine Familie ohne Zweitwagen. Mit dem werden die Kinder zu Schule und Sport chauffiert, es wird eingekauft oder ins Kino gefahren; allerdings nicht nur auf dem Land, wo sich manche Wege tatsächlich nicht ohne Pkw zurücklegen lassen, sondern auch in Ballungszentren, in denen es genügend Alternativen gäbe.

Doch haben U-Bahnen und Busse in Amerika einen schlechten Ruf. In Metropolen wie etwa New York und Los Angeles sind sie oft dreckig, vor allem aber chronisch langsam und unpünktlich. Letzteres liegt aber vor allem daran, dass sie mit völlig verstopften Straßen zu kämpfen haben – die weniger verstopft wären, wenn mehr Amerikaner den Wagen stehen lassen und auf den Bus umsteigen würden.

Genau das war das Konzept von New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg. Der wollte mit einer City-Steuer Autos aus der Stadt fernhalten und den Nahverkehr stärken. Das ließ der zuständige Ausschuss im Senat nicht zu, doch scheinen die Leute mittlerweile von selbst umzudenken – und zwar im ganzen Land.

Nakeisha Easterwood aus Georgia sagte etwa dem Nachrichtensender CNN: „Weil die Benzinpreise so hoch sind, fahre ich manchmal bei Freunden mit und versuche bei Trips in die Stadt alles auf einmal zu erledigen.“ Ja, Fahrgemeinschaften gelten in weiten Teilen der USA als völlig neues Konzept, ebenso das Anlegen eines Einkaufszettels, mit dem die Hausfrau verhindert, zwei- oder dreimal in den Supermarkt fahren zu müssen.

In vielen Blogs stehen seit Wochen ähnliche Geschichten. Da lobt sich ein Arbeitnehmer dafür, seinen Wohnort in der nähe seines Büros gesucht zu haben. Er fährt jetzt täglich mit dem Fahrrad zur Arbeit und spart eine Menge Sprit.

Rückblickend auf das lange Wochenende berichtet eine Mutter, dass man den traditionellen Camping-Trip habe ausfallen lassen. „Stattdessen haben wir unser Zelt im Garten aufgeschlagen und zuhause gegrillt… es war super!“ Hunderte solcher Online-Einträge am Dienstagmorgen deuten ebenso auf ein breites Umdenken wie eine Statistik des Verkehrsministeriums: Danach haben amerikanische Autofahrer im März 4,3 Prozent oder 17 Milliarden Kilometer weniger zurückgelegt als im Vorjahresmonat. Das war der stärkste Einbruch seit Beginn der Datenerfassung in den Vierzigerjahren.

So hat es zwar lange gedauert und viel Geld gekostet, den Amerikaner aus seinem Auto zu zwingen, soch scheint sich der Verzicht langsam durchzusetzen. Übrigens auch bei denen, die ganz ohne Wagen nicht auskommen: Die kaufen zunehmend kleinere oder zumindest effizientere Fahrzeuge, weshalb General Motors und Ford jetzt planen, die Produktion von Trucks und SUV deutlich zu senken.

Ob Automobilkonzern, Hausfrau oder Camping-Tourist; dass die Amerikaner umdenken und mit weniger Automeilen auskommen wollen, zeigt zumindest eines: Mit sinkenden Öl- und Benzinpreisen rechnet auf lange Sicht niemand.
© Inside Wall Street




Der Öl-Streit: Blase oder nicht?
Freitag, 23. Mai 2008

Wenn für die Amerikaner am Wochenende die Ferienzeit beginnt, dürfte in vielen Familien gestritten werden. Da werden Flüge nach Disneyland und Las Vegas abgesagt, Ausflüge zum Strand werden seltener… erstmals seit sechs Jahren wird weniger Auto gefahren als im Vorjahr, und eine Trendwende ist nicht in Sicht.

Denn immer mehr Amerikanern wird klar: Der Ölpreis, der die Hauptschuld an hohen Benzinpreisen trägt, befindet sich nicht etwa in einer Blase.

Auf den ersten Blick scheinen das viele Autofahrer – und interessanterweise auch einige Analysten – nicht glauben zu wollen. Schließlich laufen die rasanten Preisanstiege in den letzten Monaten nach dem Muster, dem in der Vergangenheit oft Blasen gefolgt waren. So hat sich der Ölpreis etwa in den letzten zwölf Monaten von 61 auf 133 Dollar deutlich mehr als verdoppelt. Allein seit Jahresbeginn 2008 steht ein Plus von 33 Prozent zu Buche.

Der Benzinpreis zieht nicht ganz so dramatisch an, hat aber in den vergangenen zwölf Monaten ebenfalls um 20 Prozent zugelegt.

„In meinen Augen entsteht hier ganz klar eine Blase“, meint Robert Kaufmann vom Center for Energy and Environmental Studies an der Universität von Boston. Kaufmann hält den Ölpreis für überbewertet und hält fundamental 90 bis 100 Dollar für angemessen.

Doch abgesehen davon, dass auch ein Ölpreis zwischen 90 und 100 Dollar einen Anstieg um 50 Prozent binnen eines Jahres bedeuten würde, widersprechen die meisten Insider Kaufmann.

„Eine Blase entsteht, wenn das Angebot größer ist als die Nachfrage“, erklärt etwa Stephen Leeb, der Autor zweier Bücher über die Öl-Knappheit. Und er nennt zwei Beispiele: Die Hightech-Blase der Neunziger entstand etwa, weil die boomenden Konzerne, obwohl sie nicht einmal profitabel waren, ungeheure Mengen von Aktien auf den Markt geworfen haben, die am Ende keiner mehr haben wollte.

Zehn Jahre später spielte sich ein ähnliches Szenario bei den Immobilien ab: Angesichts niedriger Zinsen wollten zwar mehr Amerikaner eigene Häuser kaufen. Doch die Baufirmen überschätzten die Nachfrage enorm und zogen derart viele Neubaugebiete hoch, dass sich am Ende keine Bewohner mehr fanden. Der Markt konnte das Angebot an Häusern nicht absorbieren.

Beim Öl ist die Lage anders: Die Vorräte sind bekanntlich begrenzt, und sie gehen zuneige. Russland hat bereits einen Rückgang der möglichen Fördermenge bekanntgegeben, und Experten glauben, dass auch Saudiarabien zur Zeit nicht mehr Öl fördern könnte, selbst wenn man wollte. „Wenn zwei der größten Förderstaaten der Welt die Produktion nicht steigern können, dann ist das keine Blase“, meint Leeb, „sondern eine Katastrophe.“

Zumal der Verbrauch in den letzten Jahren massiv gestiegen ist und auch weiterhin massiv steigen wird – vor allem in China. Experten rechnen damit, dass sich dort mit steigendem Wohlstand die Zahl der Autobesitzer verdreißigfachen wird. Die Internationale Energiebehörde hat ihrerseits in den letzten Tagen eine finstere Prognose abgegeben: In den nächsten zwanzig Jahren dürfte die Öl-Nachfrage das Angebot um 10 Prozent überschreiten.

Langfristig gibt es für den Ölpreis damit nur noch einen Weg: nach oben. Wer also jetzt schon wegen hoher Benzinpreise seinen Wochenendausflug absagen muss, der sollte sich vielleicht bald nach einem spritsparenden Wagen umschauen.
© Inside Wall Street
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