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Alt 20-05-2008, 19:51   #844
Starlight
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Zahlensalat vor dem Hurrikan-Sommer
Montag, 19. Mai 2008

Wenn an der Wall Street über das Wetter diskutiert wird, dann könnte das damit zusammenhängern, dass immer mehr Trades elektronisch abgewickelt werden und die Händler immer weniger zu tun haben. Zum Teil liegt es aber auch daran, dass das Wetter die Börse beeinflussen kann – vor allem in der Hurrikan-Saison.

Vor allem in Zeiten dramatisch steigender Ölpreise achten Analysten und Anleger auf das Wetter. Denn mit dem Memorial Day nächste Woche beginnt nicht nur die Reisezeit mit höherem Spritverbrauch, sondern auch die Hurrikan-Saison, die im besten Fall ein paar Stürme bringt und einen Tag am Strand verdirbt, die aber im schlechtesten Fall die Öl-Plattformen im Golf von Mexiko zertrümmern und die Importe von Rohöl in die amerikanischen Raffinerien stoppen kann.

Hurrikans sind eine Naturgewalt, vor der die Amerikaner Angst haben. Einige Stürme der letzten Jahre sind heute noch in aller Munde und werden es noch lange bleiben, darunter etwa „Katrina“, die vor drei Jahren große Teile von New Orleans zerstörte und Milliardenschäden verursachte.

„Katrina“ und einige ihrer Kollegen haben auch Gutes vollbracht: Den Hurrikans ist es – zu einem hohen Preis – gelungen, die Themen Umweltschutz und Klimawandel in das Bewusstsein einer störrischen US-Regierung und Bevölkerung zu hämmern. Immer mehr Seiten anerkennen den Menschen und die Industrialisierung als die wahren Gründe für eine ungesunde Erderwärmung und treten für einen Kurswechsel ein.

Für all diejenigen kommen nun überraschende Nachrichten: So sehr der Mensch wohl für den Klimawandel zu verantworten ist, so wenig hat doch der Klimawandel mit der steigenden Anzahl von Hurrikans zu tun. Das meint zumindest Tom Kutson, ein anerkannter amerikanischer Meteorologe. Knutson wird in der Branche durchaus ernst genommen, zumal er sich in der Vergangenheit recht offen gegen die Wissenschaftszensur der Bush-Regierung ausgesprochen und einen Zusammenhang zwischen Klima und Stürmen erklärt hatte.

Ein aktuelles Computermodell, so Knutson, habe jetzt aber überraschende neue Ergebnisse geliefert. Danach sei die höhere Anzahl von Hurrikans nicht mehr als eine zyklisch wiederkehrende Begebenheit. In den nächsten Jahren und vor allem langfristig bis Ende des Jahrhunderts, soll die Zahl der katastrophalen Unwetter eher zurückgehen als zunehmen. Die Zahl der Hurrikans über dem Atlantik etwa um 18 Prozent, die Zahl derer, die das amerikanische Festland erreichen, um immerhin 30 Prozent.

Dem widersprechen natürlich einige Experten, unter anderem ein Team vom renommierten Massachsetts Institute of Technology, wo man das Computermodell in Ansätzen für „fehlerhaft“ hält. Kevin Trenberth vom National Center for Atmospheric Research in Boulder im Bundesstaat Colorado gibt zudem zu bedenken, dass nicht nur die Zahl, sondern vor allem die Intensität der Hurrikans zu beachten sei – und die nehme auch in der Studie von Knutson zu.

Was macht die Börse aus dem Datensalat? – Nicht allzuviel. Denn wo sich schon die Meteorologen nicht einig sind, kann ein einfacher Öl-Spekulant kaum kompetentere Prognosen stellen. Und eines ist zudem sicher: Sämtliche Rechenmodelle gelten den (sehr) langfristigen Aussichten. Für das laufende und die nächsten Jahre gilt nach wie vor: Jeden Sommer dürften sich etwa zehn massive tropische Stürme bilden, von denen sechs Hurrikans werden. Zwei dieser sechs Hurrikans werden schwere Hurrikans, die an Land gewaltiges Unheil anrichten können. Fünfmal passiert das etwa in drei Jahren… diese Zahlen sind dem Markt bekannt.
© Inside Wall Street
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