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Alt 18-07-2007, 20:58   #705
Starlight
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Das Spiel um Dow Jones ist aus

Die spannendste Übernahmeschlacht in der jüngeren Geschichte der Wall Street war auch gleich die langweiligste. Selten schaute die Finanzwelt mit so viel Interesse auf einen geplanten Merger wie im Fall von News Corp. und Dow Jones – und selten war von vorneherein so absehbar, wie sich die Sache entwickeln würde.

News Corp., das Imperium des umstrittenen Medienmoguls Rupert Murdoch, wird wohl für 5 Milliarden Dollar oder 60 Dollar pro Aktie den Verlag übernehmen, der mit dem Wall Street Journal die Finanzbibel schlechthin herausgibt und mit dem Anlegermagazin Barron´s und dem Online-Portal Marketwatch noch zwei weitere der wichtigsten Nachrichtensysteme der Wall Street am Start hat.

Auf einen solchen Deal haben sich jedenfalls News Corp. und der Vorstand von Dow Jones geeinigt. Das meldet – wer sonst? – das Wall Street Journal.

Ganz undramatisch dürften die letzten Gespräche nicht verlaufen sein, und es wurde auch kein einstimmiger Beschluss gefällt. Zwei Vorstandsmitglieder enthielten sich, und Christopher Bancroft, der Vertreter der Mehrheitseigner, verließ die Sitzung frühzeitig. Den anderen war klar, was an der Wall Street seit Wochen jeder wusste – nur vielleicht nicht wahr haben wollte:

Ein Angebot von 5 Milliarden Dollar, das eine Übernahmeprämie von 65 Prozent auf den letzten Schlusskurs der Dow-Jones-Aktie beinhaltet, kann das Unternehmen nicht ablehnen. Im eigenen Interesse nicht, und im Interesse der Akionäre nicht. Zumal die verzweifelte Suche nach Alternativen seit Wochen völlig erfolglos verlief. Weder General Electric wollte mit dem Verlag seine Mediensparte verstärken noch hatte Microsoft Interesse. Die jüngst ins Spiel gebrachten Privatinvestoren wollten ebenfalls nicht zuschlagen, zu hoch hatte Rupert Murdoch mit seinem Angebot die Latte gehängt.

Der Bancroft-Familie wird in den nächsten Tagen nicht viel anderes übrig bleiben, als einem Verkauf an Murdoch zuzustimmen. Man wird versuchen, die journalistische Unabhängigkeit der Redaktion vertraglich zu stabilisieren, was allerdings schwierig sein wird. Murdoch hatte bereits vor Wochen zu Protokoll gegeben, dass er nach einem derart teuren Kauf auch gerne die komplette Macht über den Verlag hätte.

So bleibt abzuwarten, was aus Wall Street Journal, Barron´s und den anderen Finanzmedien des Verlages wird. An der Wall Street, wo der Deal kaum Freunde hat, ist man in den letzten Wochen doch immer gelassener geworden. Immer mehr Experten rechnen damit, dass das Journal weiterhin die unabhängige und selbständige Zeitung bleibt die es mehr als hundert Jahre lang war. Murdoch kauft den Verlag schließlich nicht, um ihn für politische Zwecke auszuschlachten. Das hat er lange genug mit anderen Medien getan. Was dem Medienzar fehlt, ist Glaubwürdigkeit. Die will er durch das Milliardengeschäft kaufen und wird sie sicher nicht so bald riskieren.

Murdoch weiß, dass sein geplanter TV-Sender „Fox Business“ nur Erfolg haben kann, wenn er professionell und neutral berichtet. Das ist indes keine Garantie für alle Zeiten. Immerhin betritt Murdoch, der bisher vor allem die Rollen des Polit-Saboteurs und Boulevard-Schmierfinken besetzt hatte, mit dieser Politik Neuland.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
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