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Alt 29-06-2007, 20:48   #696
Starlight
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Am Tage eins vor iPhone…

Einmal werden wir noch wach – heißa, dann kommt das iPhone. Die schicke Handy-Email-Internet-Kalender-Taschenrechner-mp3-und-sonst-noch-was-Kombination von Apple wird ab Freitagabend 18 Uhr in die Läden kommen. Dem ersten Ansturm der Hightech-Camper nach dürfte das Gerät auch bald ausverkauft sein.

Das ist eigentlich erstaunlich, kostet das iPhone doch zwischen 500 und 600 Dollar und sollte damit eigentlich nur für einen kleinen Teil der Bevölkerung interessant sein. Dass das Gerät dennoch Fans anzieht wie sonst nur der neueste Harry-Potter-Schinken im 30-Dollar-Format, hat allerdings einen Grund: Das iPhone ist nicht nur das soundsovielste Gadget, sondern in all seinen Funktionen revolutionär und damit – wirklich!!! – unwiderstehlich.

Das schlägt sich seit Monaten in einem Hype nieder, wie es ihn bislang um kein Produkt gegeben hat. Bereits 11 Millionen Zeitungs- und Magazin-Artikel sind über das iPhone geschrieben worden, die Suchmaschine Google verzeichnet zu dem Begriff mehr als 82 Millionen Treffer – diese Zeilen erweitern die schnell wachsende Liste. In den Hightech-Blogs wird das Gerät als „Jesus Phone“ verehrt.

Selbst die erfahrensten Gadget-Kritiker kriegen sich wenige Tage vor der Auslieferung des Wunderhandys kaum noch ein. Walt Mossberg, seit mehr als einem Jahrzehnt als Hightech-Experte des Wall Street Journal die Koryphäe schlechthin, nennt das iPhone „das schönste Handheld-Gerät aller Zeiten“ und überschlägt sich auch in der Beschreibung von einzelnen Features in Superlativen.

Er lobt beispielsweise den „besten Internet-Browser, den ich je auf einem Handy gesehen habe“, während sein Tech-Kollege David Pogue von der New York Times vor allem die Bedienfreundlichkeit nutzt. Die Software sei „schnell, wunderschön und unglaublich einfach zu bedienen“, wird da geschwärmt. Das kann auch nachvollziehen, wer ein 20-minütiges Werbefilmchen auf der Apple-Webseite anschaut. Wenn der Hersteller „den besten iPod aller Zeiten“ herausstellt und Funktionen wie Börsen- und Wetterdaten lobt, mag auch der kritischste Beobachter nicht widersprechen.

Sicher, einige Details sind immer gewöhnungsbedürftig. Weil das iPhone keine Tastatur hat, sondern Telefonnummern, Emails und sonstige Details über einen Touchscreen eingegeben werden, wollte Kritiker Mossberg das Teil „nach drei Tagen aus dem Fenster werfen“. Nach fünf Tagen aber sei er soweit an die Tastatur gewöhnt gewesen, dass er schneller getippt hätte als auf jedem anderen Handheld.

Eine Schwachstelle sehen Mossberg und nahezu alle seine Kollegen dennoch: Der Exklusivvertrag, den Apple mit AT&T als Mobilfunk-Partner geschlossen hat, dürfte manchen User vergrätzen. Der Dow-notierte Branchenriese AT&T mag zwar das größte Netz in den USA haben, dessen Qualität variiert aber von Ort zu Ort. Wer in einer Gegend lebt, in der AT&T nur einen schwachen Empfang bietet, der kann mit dem schönsten und vielseitigsten iPhone nichts anfangen – denn es taugt nicht zum Telefonieren.

Zudem arbeitet das iPhone auf AT&T mit dem Datennetz Edge, das zu den langsamsten der Mobilfunkbranche gehört. Die Webseite der New York Times, mit der Apple in iPhone-Filmchen wirbt, habe in persönlichen Tests 55 Sekunden lang geladen, schimpft der Kritiker Pogue, Amazon.com habe 100 Sekunden gebraucht und Yahoo unglaubliche zwei Minuten.

Ein Providerwechsel ist dennoch nicht möglich, denn das iPhone kann nicht geöffnet werden. Weder die Sim-Karte noch die Batterie können ausgewechselt werden, ohne das Gerät an den Hersteller zu schicken.

Doch von solchen praktischen Einwänden dürfte sich kaum ein Gadget-Fan abhalten lassen, am Freitag die Apple- und AT&T-Läden zu stürmen. Wer in der Produktpräsentation gesehen hat, wie sich Kontaktadressen und Schallplatten per Fingerzeig durchblättern lassen, wie Fotos intuitiv vergrößert und verkleinert werden, wie problemlos Konferenzschaltungen geführt werden können, der wird nicht widerstehen können. Zumal es ja durchaus die Hoffnung gibt, dass AT&T die Gewinne aus dem massiven Kundenansturm nutzen wird, um das eigene Netz zu verstärken.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
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