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Alt 19-06-2007, 19:39   #693
Starlight
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Yahoo’s problematischer Neustart

Ob es einem CEO persönlich weh tut, wenn Anleger den Abschied mit einem Kursplus von 5 Prozent feiern? Man erfährt das nie, wenn Konzerne ihre Chefs feuern, denn die haben verständlicherweise kein Interesse daran, öffentlich zu jammern. Lieber gibt man sich stark und freut sich über das Erreichte – und wenn es nur ein dickes Konto ist.

Von dem ehemaligen Yahoo-Chef Terry Semel ist ebenso wenig wie von seinen Schicksalsgenossen zu erwarten, dass er sich je zu seinen Gefühlen im Zusammenhang mit seinem Rausschmiss äußern wird. Aber grämen wird es ihn schon, dass Anleger seinen Abschied aus der Zentrale ganz offensichtlich kaum erwarten konnten.

Vielleicht tut es ihm allerdings gut zu sehen, dass die Aktie im Handel an der Nasdaq ihren Freudensprung nicht lange durchhielt. Analysten gaben schnell zu bedenken, dass Semel nicht das einzige Problem bei dem Internet-Portal war – und dass sein Nachfolger Jerry Yang auch kein leichtes Spiel haben dürfte.

Im Gegenteil: Mit Jerry Yang kommt ja kein frischer Wind ins Yahoo-Hauptquartier. Der Mitgründer der Firma hat die letzten Jahre als aktives Vorstandsmitglied an der Seite von Terry Semel den Weg der Suchmaschine mitgestaltet. Wenn er auch für falsche Entscheidungen oder mangelnden Innovationsgeist nicht hauptverantwortlich war, war er so doch immer Teil des Problems.

Doch das ist nicht einmal die Hauptsorge der Analysten, die über die Personalie aus Silicon Valley ganz und gar nicht begeistert sind. Vielmehr geben sie zu bedenken, dass Yang zwar ein herausragender „geek“ ist – also ein Hightech-Genie. Aber Management-Erfahrung hat der Mann keine, der jetzt ein 11 000 Mitarbeiter starkes Unternehmen führen soll.

In erster Linie wird Jerry Yang Anlegern in den nächsten Wochen erklären müssen, wie er Yahoo nach dem Tiefflug der letzten Jahre wieder in Schwung bringen will, und wie er sich dem Konkurrenten Google annähern kann. Da besteht Nachholbedarf, wie jüngste Prognosen belegen. Ausgerechnet mit der Meldung über den Führungswechsel warnt Yahoo, dass die Ergebnisse im zu Ende gehenden Vierteljahr am unteren Ende der Prognosen einlaufen dürften – und das auch noch aus den ungünstigsten Gründen: Man hat im Anzeigengeschäft weitere Marktanteile verloren, womit Yang ein noch schwächeres Fundament übernimmt als befürchtet.

Andererseit könnte Yang zumindest eines ändern, was zuletzt bei Yahoo schief gelaufen war. Unter Terry Semel haben sich zuletzt viele frühere Führungskräfte verabschiedet, denen im Konzern zu viel Energie in das Anzeigengeschäft zu fließen schien. Man habe sich nicht mehr ausreichend auf die technische Verbesserung des Produkts konzentriert, so ein regelmäßiger Vorwurf frustrierter Mitarbeiter. Auf diese technischen Erneuerungen hatte hingegen Google alle Energie verwendet – mit beeindruckenden Resultaten: Die weltweit führende Suchmaschine fügt ihrem Portal fast wöchentlich neue, teils revolutionäre Applikationen an, die Fans – und Kunden – bei der Stange halten. Vielleicht fällt Yang in diesem Bereich mehr ein als seinem Management-bezogenen Vorgänger.

Insofern hat Yahoo durchaus eine Chance, gestärkt aus dem Führungswechsel hervorzugehen. Ein Kinderspiel wird es aber nicht, weshalb sich die Aktie auch nach einem ersten Freudensprung auch wieder beruhigte.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
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