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Alt 05-10-2007, 20:32   #752
Starlight
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Hannah Montana und die freie Marktwirtschaft

Man kann es angemessen finden oder nicht, dass ich mehr als 400 Dollar für zwei Karten zu einem „akustischen Abend mit Neil Young“ demnächst in einem Theater in Harlem ausgegeben habe. Auch die Tickets für „The Police“ nächsten Monat in Atlantic City waren nicht ganz billig. Doch das teuerste Konzert der Saison gibt ein Mädchen, von dem ich bis vor ein paar Tagen noch nie etwas gehört hatte: Hannah Montana.

Dass auch viele Leser dieser Kolumne mit dem Namen vermutlich nichts anfangen können, liegt daran, dass er zu einem 14-jährigen Mädchen aus einer Fernsehserie beim Disney Channel gehört, die in Deutschland seit einem Jahr im Bezahlfernsehen und seit einer Woche bei Super RTL läuft.

Hannah Montana ist das alter ego von Mylie Stewart, und hinter beiden Rollen steckt die 15-jährige Mylie Cyrus, Tochter des Countrysängers Billie Ray Cyrus, der seit den frühen Neunzigern ausschließlich für seinen Hit „Achy Breaky Heart“ bekannt ist, und der in der Serie Mylies/Hannahs Vater spielt.

Die Handlung der Serie ist nebensächlich, daher nur kurz: Mylie Stewart und ihr Vater sind von Memphis ins kalifornische Malibu gezogen, wo sich das Mädchen nun an einer fremden High School durchschlagen muss. Ihr Geheimnis: Nachts verwandelt sie sich vom ganz normalen Girl in das Country-Pop-Sternchen Hannah Montana und lässt sich feiern. Hier verschwimmen TV und Realität, denn auch im wahren Leben werden Hannah/Mylie und mit ihnen Mylie Cyrus gefeiert.

Zigtausende Fans freuen sich zur Zeit auf die erste US-weite Tour des Fernsehstars, und die führt mit 54 Konzerten durch 49 Städte mit Hallen zwischen 6000 und 9000 Fans. Ein ganz schönes Pensum für einen Teenager, doch bei weitem nicht genug, um die Nachfrage zu decken. Die Karten für sämtliche Konzerte waren binnen weniger Minuten ausverkauft, seither werden bei Ticketbörsen im Internet astronomische Beträge geboten: Der Durchschnittspreis für die „Best-of-Both-Worlds“-Show liegt bei 250 Dollar, für Karten auf voderen Plätzen sind zwischen 800 und 3250 Dollar fällig.

Kinder und Eltern zwischen San Diego und Rhode Island streiten nun darüber, ob ein Hannah-Moment so viel Geld wert ist.

Ein Gutes hat die ganze Sache: Den Kids wird zwischen der Sehnsucht nach ihrem Star und dem Blick auf das noch magere Konto ganz nebenbei das wichtigste Prinzip der freien Marktwirtschaft erklärt: Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis.

Und tatsächlich ist das Theater um Hannah Montana dem Geschehen an der Wall Street nicht ganz unähnlich. Geben Veranstalter und Vorverkaufsagentur ihre Karten für offizielle Preise zwischen 26 und 56 Dollar einmal heraus, ist das quasi ein IPO. Der Handel floriert dann bis zum Event und kann durchaus Phantasiepreise hervorbringen. Das schafft aber auch manche Aktie. Wer es unfair findet, dass die Hannah-Tickets für Philadelphia mehr als 3000 Dollar kosten, muss sich durchaus fragen, warum eine einst mit 85 Dollar bewertete Google-Aktie plötzlich auf die 600 Dollar zuhält.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
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