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Alt 26-09-2006, 18:59   #546
Starlight
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Ebbers sitzt, Fastow wartet noch

Mehr als vier Jahre liegt der Untergang des einstigen Telekom-Riesen WorldCom zurück. Am Dienstag beginnt das letzte Kapitel der von Anlegern mit Genugtuung beobachteten Saga: Der 65-Jährige Firmengründer und CEO Bernie Ebbers tritt seine Strafe an, er wird ein Gefängnis in Mississippi frühestens im Jahr 2028 wieder verlassen.

Unter den Wirtschaftskriminellen in den Skandalen der letzten Jahre schien Ebbers noch am längsten einige Sympathien halten zu können. Der Mann, der in den Achtziger- und Neunzigerjahren eine kleine Telekomklitsche zu einem der größten Wettbewerber der Branche ausbaute, und der mit der 40 Milliarden Dollar schweren Übernahme von MCI einen der größten Merger aller Zeiten dirigierte, hatte sich in den Augen vieler stets ein gemütliches Image bewahrt.

Das mag an seinem vollbärtigen Gesicht und einer nicht allzu managerhaften Art ebenso gelegen haben wie an den Legenden, die sich um den Natur-Fan rankten. Dessen 1,4 Milliarden Dollar schweres Vermögen schloss zuletzt die größte Ranch Kanadas, Wälder und eigene Holzlager sowie ein Eishockey-Team außerhalb der Profi-Liga ein.

Doch dieses Image half Ebbers letztlich nicht, denn vieles an dem einstigen Telekom-Star war nur Fassade. Offensichtlich auch seine tiefe Religiosität. Mitgliedern seiner Kirche hatte Ebbers zwar kurz nach Bekanntwerden des World-Com-Skandals versichert, dass sie „nicht mit einem Verbrecher zur Kirche“ gingen und ihn niemand schuldig finden könnte, wissentlich falsch gehandelt zu haben.

Doch genau das ist später passiert. In den Augen der Justiz und nach Beweislage hat Ebbers den Betrug arrangiert, der WorldCom in die Pleite gestürzt hat. Fehlbuchungen über 11 Milliarden Dollar brachten den Konzern zu Fall, 20 000 Mitarbeiter um ihre Jobs und Anleger um insgesamt 180 Milliarden Dollar.

Anleger haben seither einen kleinen Teil ihrer Verluste wieder erstattet bekommen. Ebbers und einige mitangeklagte Top-Manager haben dafür fast alle privaten Reichtümer abtreten müssen. Für viele Betroffene und Beobachter wird aber erst der heutige Dienstag Genugtuung bringen, an dem sich hinter Bernie Ebbers die Tore des staatlichen Gefängnisses in Yazoo City im Bundesstaat Mississippi schließen.

Aus diesem kann Ebbers nach aktueller Rechtslage nicht entlassen werden, bevor 85 Prozent seiner 25-jährigen Haftstrafe verbüßt sind. Damit wird er vor 2028 kein freier Mann mehr sein, Ebbers wäre dann 87 Jahre alt. Angesichts dieser Perspektive dürfte es für den einstigen Telekom-Star ein schwacher Trost sein, dass sein Gefängnis zu den angenehmeren im Lande gehört, dass es sich nicht hinter Stacheldraht versteckt und Insassen Sport und Yoga-Klassen bietet.

Weniger dunkle Perspektiven hat ein weiterer prominenter Wirtschaftskrimineller an diesem Dienstag: Andrew Fastow, der ehemalige Finanzchef von Enron, wartet auf die Verkündigung seines Strafmaßes. Bis zu zehn Jahre drohen ihm, doch hat sich Fastow zuletzt äußerst kooperativ gezeigt und Anlegern geholfen, mehrere Milliarden Dollar von einigen in den Betrugsfall verwickelten Banken wieder zu holen. Das könnte ihm ein milderes Urteil bescheren, um eine Haftstrafe wird er aber auch nicht herumkommen. Das hat allein Kenneth Lay geschafft, der Enron-Gründer und einstige CEO, der kurz nach seinem Schuldspruch starb.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
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