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Alt 25-09-2006, 20:36   #545
Starlight
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Inflation? Welche Inflation?

Konjunktursorgen plagen die Wall Street seit langem, doch man weiß nicht welche. Der eine sorgt sich um das Wirtschaftswachstum, der andere um Inflation – und mittendrin steht die Notenbank, die zur Zeit das einzig richtige macht: gar nichts. Aktuelle Daten aus allen Sektoren sind widersprüchlich, vorerst gilt es abzuwarten.

So ist es auch nur richtig, dass die US-Börsen nach zwei schwachen Tagen vor dem Wochenende ihre Talfahrt im Montagshandel nicht weiter fortsetzen. Denn dass mit dem Phily Fed Index eines der wichtigsten Wirtschaftsbarometer erstmals seit drei Jahren in die negative Zone gerutscht ist, gibt zwar zu denken, muss aber nicht endgültig das Schicksal der amerikanischen Konjunktur für die nächsten Monate oder gar Jahre vorwegnehmen.

Zumal ein wenig Abkühlung dem Markt doch bislang so gut getan hat. Schwächeres Wachstum signalisiert der Notenbank, die Zinsen zunächst nicht weiter anzuheben. Gut, negatives Wachstum – außerhalb der Wall-Street-Euphemismen auch Schrumpfung genannt – ist ein unerwarteter Schock, doch muss das Produzierende Gewerbe im Großraum Philadelphia nicht zwingend den Trend für das ganze Land widerspiegeln, vor allem nicht auf lange Sicht.

Ähnlich sieht das Richard Fischer, der Präsident der regionalen Notenbank von Dallas. Der sieht das schwächere Wachstum als ein geringeres Problem für die Konjunktur als die anhaltende Inflation. Die gelte es im Zaum zu halten. Angesichts ganz aktueller Daten am Montagmorgen klingt das schon wieder ein bisschen komisch. Denn müsste man den Markt zum Wochenstart ganz knapp zusammenfassen, dann würde die lauten: Preisverfall überall!

Wir fassen die Nachrichten aus dem frühen Handel zusammen. Der Ölpreis rutscht erstmals seit mehr als einem halben Jahr unter 60 Dollar pro Fass. Das ist weniger eine volatile Spielerei als vielmehr ein Trend, der auf mehreren Beinen steht. Die Lagerbestände sind hoch, das Angebot auch, die Nachfrage nimmt ab. BP will die Produktion in der Prudhoe Bay bald wieder auf volle Touren bringen, und aus dem Iran gibt es versöhnlichere Klänge.

Mit Öl fällt auch der Benzinpreis. Wer heute irgendwo in den USA tankt, zahlt dafür rund 25 Prozent weniger als noch vor sechs Wochen.

Abwärts geht es auch für die Immobilienpreise, und zwar zum ersten Mal seit elf Jahren. Laut dem Branchenverband ist der durchschnittliche Verkaufspreis für existierende Bauten im August um 1,7 Prozent auf 225 000 Dollar eingebrochen. Es ist der zweitgrößte Einbruch aller Zeiten, zumal es in den 38 Jahren der Datenerhebung überhaut erst sechs Preiseinbrüche gab. Die aktuellen resultieren aus einer schwächeren Immobiliennachfrage, die seit fünf Monaten die Zahl der verkauften Häuser US-weit fallen lässt.

Damit nicht genug: Analysten befürchten weitere Preisstürze in den unterschiedlichsten Branchen. Die UBS stuft die Stahlkonzeren ab, deren Geschäft unter hohen Lagerbeständen und einem Überangebot aus dem Ausland leiden soll. Gleichzeitig fürchtet Merrill Lynch Preisstürze bei den Speicherchips, die zu einer Abstufung für SanDisk führen.

Häuser, Rohstoffe und Hightech… in allen möglichen Märkten sehen Experten also alles andere als Inflation. Aus den Meldungen eines Montags auf die allgemeine konjunkturelle Lage im Land zu schließen, wäre zwar genau so falsch wie die überzogene Angst der Fed-Experten vor anhaltend steigenden Preisen. Doch zumindest lassen ein paar Schlagzeilen im frühen Handel innehalten. Zu Beginn einer vermutlich längeren Zinspause gilt es, weitere Konjunkturdaten abzuwarten und über mehrere Wochen und Monate einzuordnen.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
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