Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 21-03-2007, 20:20   #639
Starlight
TBB Family
 
Benutzerbild von Starlight
 
Registriert seit: May 2002
Beiträge: 34.578
Die Notenbank im Zwiespalt

Die amerikanische Notenbank hat am Mittwochmittag den Leitzins unverändert bei 5,25 Prozent belassen. Die Wall Street hatte das weitgehend erwartet. Viel wichtiger ist Anlegern hingegen, wohin die weitere Reise gehen wird. Denn sowohl für eine Zinsanhebung als auch für eine Zinssenkung gäbe es Gründe.

Damit findet sich die Notenbank in einer historisch außergewöhnlichen Situation, wie noch kurz vor der Fed-Entscheidung Robert McTeer, der frühere Vertreter der Notenbank von Dallas im Offenmarktausschuss, bestätigte. „Normalerweise überlegt die Fed, ob man die Zinsen senken soll oder nicht. Oder man überlegt, ob man die Zinsen anheben soll oder nicht. Es ist nicht normal, dass überlegt wird, ob man die Zinsen anheben oder senken soll.“

Doch genau in diesem Konflikt sieht sich das Gremium. Denn die amerikanische Wirtschaft steckt genau zwischen den beiden Extremen, die die Notenbank verhindern soll: Schwaches Wirtschaftwachstum und Inflation.

In zahlreichen konjunkturellen Bereichen gab es zuletzt fast nur schlechte Nachrichten. Das Bruttoinlandsprodukt ist im vierten Quartal deutlich schwächer ausgefallen als zunächst erwartet, und auch für das laufende erste Quartal sind die Prognosen für das Wirtschaftswachstum nach unten revidiert worden. Keine allzu riskante Wette, denn es hakt an allen Ecken und Enden.

Da wäre zum einen der Immobilienmarkt, der zuletzt fast täglich für negative Schlagzeilen gesorgt hatte. Dank niedriger Zinsen in den letzten Jahren haben die Amerikaner so viel gebaut wie nie zuvor, was mittlerweile zwei Probleme mit sich bringt. Zum einen haben sich viele Käufer mit ihren Krediten übernommen, sind mit flexiblen Raten ein Risiko eingegangen und können nun – bei steigenden Zinsen – ihre Hypotheken nicht mehr bedienen.

Zum anderen sind bei großem Angebot und langsam stagnierender Nachfrage die Häuserpreise gefallen, so dass die Hausbesitzer weder refinanzieren noch die Banken ihre Kredite zwangsvollsrecken können. Dieser Zwiespalt hat zur jüngsten Hypothekenkrise geführt, der bereits etwa 20 Anbieter von Risiko-Krediten zum Opfer gefallen sind. Viele der insolventen Leiher haben ihre eigenen Kreditgeber in Schwierigkeiten gebracht, so dass die gesamte Finanzbranche unter dem Platzen der Immobilienblase leidet.

Nicht viel besser geht es dem Verbraucher. Der kratzt seine letzten Reserven für die Hypothek zusammen und spart daher an anderen Gütern, was den Einzelhandel belastet. Was die Situation verschlimmert: Seit Monaten steigen die Energie- und Lebensmittelpreise und sorgen für schleichende Inflation. Während sich in den vergangenen Monaten die Kernrate – die Inflation ohne Energie- und Lebensmittel – meist im von der Fed angestrebten Rahmen bewegt hat, liegen die wahren Zahlen, mit denen der amerikanische Durchschnittsbürger zu kämpfen hat, deutlich über den historischen Werten.

Damit scheint die Fed in nächster Zeit die Möglichkeit einer Zinssenkung nicht zu haben, und im aktuellen Statement drückt man das am Mittwochmittag klarer aus als je zuvor. Die größere Bedrohung für das konjunkturelle Gleichgewicht sieht man zur Zeit „in der Gefahr, dass sich die Inflation nicht beruhigt“, heißt es. Das spricht eher für eine Zinsanhebung in den nächsten Monaten als für eine Zinssenkung.

Doch wäre Ben Bernanke kein würdiger Nachfolger von Alan Greenspan, würde er sich in bezug auf die weitere Richtung der Zins-Politik nicht geschickt aus der Affäre ziehen. „Die weiteren Zinsschritte hängen von der Entwicklung des Ausblicks sowohl fpr Inflation als auch Wirtschaftswachstum ab und damit von künftigen Konjunkturdaten“, schließt das Komittee – und lässt den Markt damit weitgehend wo er war: im Unklaren.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
Starlight ist offline   Mit Zitat antworten