Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 20-03-2007, 20:07   #638
Starlight
TBB Family
 
Benutzerbild von Starlight
 
Registriert seit: May 2002
Beiträge: 34.578
Ein Horror-Trip nach Detroit

In jungen Jahren mag George W. Bush kaum gereist sein. Heute holt er vieles nach und tourt durch In- und Ausland. Wo immer Kameras zugegen sind, winkt Bush gerne. Doch am Dienstag stand ein Ausflug auf dem Programm, auf den der US-Präsident gerne verzichtet hätte. Es ging nach Detroit, zur kränkelnden Automobil-Industrie.

Um es vorweg zu nehmen. Die Beziehungen zwischen Detroit und Washington sind angespannt. Galt die Automobil-Branche einst als Rückgrad der Industrie-Nation USA, so ist sie lägst deren Sorgenkind geworden. Die beiden größten Firmen – General Motors und Ford – blicken seit Jahren auf fallende Absatzzahlen und versuchen mit Milliarden-Restrukturierungen, eine Pleite zu verhindern. Und Chrysler konnten nicht einmal die Kollegen aus Deutschland helfen: Zur Zeit scheinen sich nur noch die „Heuschrecken“ für das Industrie-Wrack zu interessieren.

Die Industrie hat sich diese Krise selbst zuzuschreiben. Viel zu lange haben die Unternehmen in kurzsichtiger Profitgier Autos gebaut, die zwar hohe Gewinnmargen bringen sollten, die aber wegen eines hohen Spritverbrauchs oder sonstiger Mäkel beim Kunden nicht ewig ankommen konnten. Teure, aber notwendige Investitionen in neue Technologien wurden verschoben, bis die asiatischen Hersteller den Markt unter sich aufteilten.

Die Regierung in Washington ermöglichte die Krise, wohlgemerkt. Unter dem Druck der Lobby verschoben die Politiker immer wieder Reformen, die den Spritverbrauch bei Neuwagen gedrosselt hätten. Dass es einmal – wegen steigender Ölkosten – der Verbraucher sein könnte, der Benzin sparen will, merkte man zu spät.

Seither machen sich alle möglichen Branchen-Kritiker darüber lustig, dass Detroit den Trend verschlafen hat. Allein, George W. Bush hat am wenigsten das Recht, den Unternehmen den schwarzen Peter zuzuschieben, denn er hat das Spiel ja mitgespielt. Nicht nur auf Druck der Lobby, sondern auch im Interesse der Öl-Industrie, der am hohen Spritverbauch natürlich auch gelegen ist.

Allein, Bush hat sich dennoch über Detroit lustig gemacht. Die amerikanischen Hersteller sollten einfach „Produkte auf den Markt bringen, die relevant sind“, frotzelte er jüngst – und vergrätzte die Manager bei GM, Ford und DaimlerChrysler. Dass er zudem geplante Treffen mit den Branchenführern immer wieder platzen ließ, machte die Stimmung noch eisiger, und der aktuelle Besuch in Detroit war nun einer dieser Trips, auf denen Bush nichts mehr richtig machen konnte.

Den Unternehmen musste er in bezug auf finanzielle Unterstützung durch die Regierung eine Absage erteilen – eine solche nämlich würde der Steuerzahler nie verzeihen. Damit nicht genug: Bush will die Effizienz amerikanischer Motoren künftig doch erhöhen. Um 4 Prozent jährlich soll der Verbrauch sinken, bis er im Jahr 2017 bei 6,9 Litern pro 100 Kilometer angekommen ist.

Die Branche hält dieses Ziel für unrealistisch und klagt, Bush würde die Firmen „treten, wenn sie am Boden liegen“. Doch das Schlimmste für den Präsidenten dürfte sein, dass er sich bei allen Bemühungen, endlich einmal die Effizienz der Autos zu verbessern, nicht einmal dem Dank der Umweltschützer und Energiesparer sicher sein kann – denn für die kommt dieses Engagement mindestens sechs Jahre zu spät und ist zu gering.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
Starlight ist offline   Mit Zitat antworten