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Alt 15-03-2007, 20:30   #636
Starlight
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„Rowe“ – die Revolution im Einzelhandel

Der amerikanische Elektronikhändler Best Buy arbeitet an einer Revolution für seine Mitarbeiter. Die sollen künftig – wenn erste Experimente gelingen – kommen und gehen dürfen, wann es ihnen passt. Super-flexible Arbeitszeiten sollen die Produktivität im Laden erhöhen und massiv Kosten senken.

Das Konzept der Kette ist nicht unumstritten. Im Hauptquartier in Minneapolis geht es zwar bereits seit fünf Jahren auf und hat die Produktivität der Angestellten um 35 Prozent erhöht. Doch arbeiten hier Leute an Schreibtischen, die projektbezogen sind und für sich alleine oder im Team Verkaufstrends erforschen oder Bilanzen prüfen. Hier funktioniert „Rowe“, wie man das Projekt betriebsintern nennt. „Rowe“ steht für „Results-only work environment” und dafür, dass es eben nur um Ergebnisse geht – nicht um die dahinter stehenden Details wie Arbeitszeit, Schicht und Mittagspause.

Doch im Laden sieht das anders aus. Wer hier arbeitet, hat direkt mit dem Kunden zu tun – und der kommt wann er will und ohne Vorankündigung. „Angestellte im Laden können nicht zuhause weiterarbeiten und die gleichen Ergebnisse erzielen“, warnt Susan Seitel, Unternehmensberaterin bei Work Life & Human Capital Solutions.

Das weiß man natürlich auch in der Chef-Etage von Best Buy. Doch gibt es vor allem einen Anreiz, das Projekt durchzuziehen und ihm eine Chance zu geben: Wenn „Rowe“ auf Laden-Ebene funktioniert, könnte der Konzern künftig Millionen sparen. Wenn nämlich die Mitarbeiter mit ihren flexiblen Arbeitszeiten zufriedener sind, könnte die Fluktuation in der Belegschaft abnehmen – und die ist teuer.

In großen amerikanischen Läden – bei Wal-Mart und Target, beispielsweise, aber auch bei Best Buy – liegt die Fluktuationsrate in einzelnen Filialen bei fast 100 Prozent. Das heißt: Fast alle Mitarbeiter auf der Verkaufsebene arbeiten nur ein Jahr lang, bevor sie kündigen oder gefeuert werden. Für das Unternehmen sind die Kosten hoch, denn ständig müssen neue Mitarbeiter angeworben und eingearbeitet werden.

Das kostet Best Buy im Schnitt 102 000 Dollar pro Mitarbeiter. Das entspricht etwa 250 Prozent des jeweiligen Gehalts und bietet ein gewaltiges Einspar-Potenzial – an dem auch andere Konzerne interessiert sein dürften.

Bei Best Buy setzt man so sehr auf den Erfolg von „Rowe“, das man eine eigene Abteilung für Personal-Management gegründet hat, die das neue Konzept an andere Unternehmen verkauft. Mit zahlreichen der größten amerikanischen Konzernen sei man bereits im Gespräch, berichtet Abteilungsleiterin Jody Thompson, die an das Projekt ebenso glaubt wie Phyllis Moen von der Uni Minnesota.

Moen hat „Rowe“ akademisch begutachtet und erkannt: Es geht weniger um das völlig freie Kommen und Gehen, sondern um projekt-bezogene Kommunikation. Im Laden liefe das darauf hinaus, dass sich die Mitarbeiter eben absprechen müssen, wer wann für welchen Bereich zuständig sei. Im besten Fall wäre der Service am Kunden zu keinem Zeitpunkt gefährdet, doch die Mitarbeiter hätten mehr Verantwortung und Freiraum.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
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