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Alt 09-03-2007, 20:35   #633
Starlight
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Sommerzeit: Clever oder teuer?

Es wird Sommer in den USA. Trotz eiskalter Temperaturen stellen die Amerikaner am Wochenende ihre Uhren vor und beginnen die Sommerzeit – drei Wochen früher als sonst. Das soll Energie und Geld sparen, doch rechnen Volkswirte und IT-Experten mit einem Computer-Chaos und mit Millionen-Schäden.

Größtes Problem: Als der Kongress vor einem Jahr die Verschiebung der Sommerzeit beschloss, wurden die Computer-Hersteller überrascht. Alle Geräte, die vor 2006 programmiert wurden, rechnen weiterhin damit, dass die Sommerzeit wie üblich Anfang April beginnt. In der Nacht auf Sonntag werden nun Millionen von Amerikanern ihre Wecker und Armbanduhren umstellen, ihre Windows-Systeme takten aber unbekümmert weiter.

Dem Durchschnittsbürger dürfte das nicht viel ausmachen. Wer orientiert sich schon an der kleinen Anzeige in der rechten unteren Bildschirm-Ecke? Doch zahlreiche Konzerne müssen die internen Systeme umstellen, was bei tausenden von Arbeitsplätzen ein zeit- und kostenaufwändiges Unterfangen ist. Fluggesellschaften müssen ihre Start- und Landezeiten für internationale Flüge neu verhandeln und längere Umsteigezeiten in Kauf nehmen.

Und auch an den internationalen Börsen mit ihren global geschalteten Handelsplattformen kündigen sich Probleme an. Zahlreiche Märkte, darunter die New York Stock Exchange, planen für Sonntag einen Testlauf, um einen reibungslosen Handel für Montag und die kommenden zwei Wochen zu garantieren, in denen der Zeitunterschied zu anderen Ländern um eine Stunde wächst. Die Frankfurter Börse, zum Beispiel, handelt statt der üblichen sechs plötzlich sieben Stunden vor der Wall Street.

Und wozu das Ganze? Der Kongress ging bei Verabschiedung des Sommerzeit-Gesetzes davon aus, massiv Energie einsparen zu können. Damit kam man zwar dem Gedanken von Benjamin Franklin nahe, der 1784 erstmals eine Umstellung der Uhren empfahl, um Kerzen zu sparen. Auch im Ersten Weltkrieg wurde die Sommerzeit kurzzeitig eingeführt, um Energie zu sparen, und das selbe Argument führte zur endgültigen Festlegung im Jahre 1973.

Doch wieviel Energie sich heutzutage sparen lässt, ist unter Experten umstritten. Eine aktuelle kalifornische Studie rechnet mit minimalen Einsparungen zwischen 0,2 und 0,5 Prozent. Und Kritiker rechnen gar mit einem Null-Summen-Spiel. Wenn es länger hell sei, bräuchten die Amerikaner zwar weniger Licht, dafür dürften sie mehr außer Haus sein – und zwar im SUV mit hohem Spritverbrauch.

Wenigstens dürften sie bei Helligkeit weniger Unfälle bauen, wie die Versicherungen bemerken. Zudem ist in vielen Fällen wohl die örtliche Mall Ziel der längeren Ausflüge bei Tageslicht. Zumindest der Einzelhandel profitiert also von der früheren Umstellung auf die Sommerzeit.

Was der Rhythmuswechsel letztlich bringt und kostet, wollen Experten in den nächsten Monaten bis ins kleinste Detail festhalten. Nach Ende der Sommerzeit Anfang November werden die errechneten Daten dem Kongress vorgelegt. Der entscheidet dann, ob sich das Experiment gelohnt hat und wann in den nächsten Jahren umgestellt wird.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
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